Eine neue Studie der Energy Watch Group (EWG) und der finnischen Universität LUT, die von der Bundesstiftung Umwelt finanziert wurde, besagt, dass in Europa nicht nur der Übergang zu 100 Prozent Erneuerbaren bis 2050 möglich ist, sondern dass dies mehr Arbeitsplätze schafft und günstiger ist als das bestehende Energiesystem mit fossilen Brennstoffen.
Auf einem REN Alliance-Panel am Rande der diesjährigen COP24 in Katowice präsentierten die Forscher, was sie für einen „technisch machbaren und wirtschaftlich tragfähigen Energiepfad für Europa halten, auf dem der Energiesektor (bestehend aus Strom, Wärme, Transport und Entsalzung) bis 2050 100 Prozent erneuerbare Energien und keine Treibhausgasemissionen erreichen kann“.
Der Übergang kann auf der Grundlage des vorhandenen Potenzials und der Technologien für erneuerbare Energien erfolgen, sagen die Forscher. „Der Energiewandel ist keine Frage der technischen Machbarkeit oder der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, sondern eine Frage des politischen Willens“, so die Botschaft der Studienautoren.
Die Details
Basierend auf ihren Berechnungen sagen die Forscher, dass der Primärenergiebedarf von 21.000 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2015 auf rund 20.000 TWh bis 2050 sinken werde, getrieben durch „massive“ Energieeffizienzgewinne und eine Elektrifizierungsrate von über 85 Prozent. Der Kraftstoffverbrauch würde sich gegenüber 2015 um mehr als 90 Prozent reduzieren, da fossile Brennstoffe vollständig auslaufen.
Die führende Rolle in diesem 100 Prozent erneuerbaren Energiesystem spielt die Photovoltaik, die bis 2050 insgesamt 62 Prozent des Stroms erzeugen und zur kostengünstigsten Energiequelle werden soll. Es folgen Windenergie mit 32 Prozent, Wasserkraft mit 4 Prozent, Bioenergie mit 2 Prozent und Geothermie mit weniger als einem Prozent. „Windkraft und Photovoltaik machen bis 2050 dann 94 Prozent der gesamten Stromversorgung aus und werden einen synergetischen Ausgleichseffekt haben“, heißt es in der Studie weiter.
Im Bereich der Energiespeicherung gehen die Forscher davon aus, dass der Sektor in ihrem Szenario fast 17 Prozent des Strombedarfs und rund 20 Prozent des Wärmebedarfs decken wird. Insgesamt wird die installierte Stromspeicherkapazität von nur 0,3 TWh im Jahr 2015 auf rund 7,4 TWh bis 2050 steigen Batterien werden sich als die relevanteste Stromspeichertechnologie erweisen, sagen die Autoren, während die thermische Energiespeicherung bis 2050 zur relevantesten Wärmespeichertechnologie werden wird. „Auch elektrische Wärmepumpen werden eine wichtige Rolle spielen und bis 2050 mehr als 30 Prozent der Wärme auf Fern- und Einzelebene erzeugen.“
Kosten
Während viele es vielleicht nicht glauben wollen, sagen die Forscher, dass diese neue Welt kostengünstiger sein wird als das derzeitige Energiesystem. Mit Blick auf die nivellierten Energiekosten sagen sie, dass sie zwischen 2015 und 2050 stabil bleiben werden und zwischen 50 und 60 Euro pro Megawattstunde liegen. Für Strom werden die nivellierten Kosten voraussichtlich „deutlich“ sinken, von rund 80 Euro pro Megawattstunde im Jahr 2015 auf rund 57 Euro pro Megawattstunde bis 2050; während die nivellierten Heizkosten „leicht“ von rund 41 Euro pro Megawattstunde im Jahr 2015 auf rund 43 Euro pro Megawattstunde bis 2050 steigen werden.
Null Emissionen
Das Ergebnis des Übergangs zu 100 Prozent erneuerbaren Energien wird ein stetiger Rückgang der jährlichen Treibhausgasemissionen von rund 4.200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2015 auf Null bis 2050 sein, so die Studie.
„Die daraus resultierenden kumulativen Treibhausgasemissionen betragen von 2016 bis 2050 etwa 85 Gigatonnen CO2-Äquivalente und würden das Ziel der EU unterstützen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen“, heißt es in der Studie. „Im Gegensatz zu gängigen Behauptungen ist eine tiefe Dekarbonisierung des Strom- und Wärmebereichs bis 2030 in Europa möglich. Der Verkehrssektor wird zurückbleiben, mit einem massiven Rückgang der Treibhausgasemissionen von 2030 bis 2050.“
Schaffung von Arbeitsplätzen
Im Jahr 2015 waren der Studie zufolge rund zwei Millionen Menschen im europäischen Stromsektor beschäftigt. Sie rechnet damit, dass bei einer Umsetzung ihres Plans Arbeitsplätze für 3,0 bis 3,5 Millionen Menschen, vor allem in der Solarindustrie entstehen würden, wo für 2050 rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze erwartet werden.
Auf die Frage von pv magazine bei der öffentlichen Vorstellung auf der Klimakonferenz COP24 in Katowice, wie die REN Alliance versprechen kann, dass neue Arbeitsplätze für erneuerbare Energien in ehemalige Kohlegebiete gehen, sagte EWG-Präsident Hans Josef Fell, dass die Gruppe nur einen Überblick geben kann und dass es an der Politik liegt, dafür zu sorgen, dass dies geschieht. „Das ist eine völlig verständliche Antwort, aber sicherlich keine, die skeptische Wähler in Gebieten wie diesem, dem polnischen Kohlegürtel Oberschlesiens, beruhigen würde“, schrieb pv magazine Redakteur Max Hall in seinem Live-Blog aus Polen.
Utopie erreichen – Politik sollte acht Maßnahmen ergreifen
Anstatt einfach nur Behauptungen aufzustellen und dann zu gehen, waren die Forscher so freundlich zu politischen Entscheidungsträgern, die sich auf der COP24 versammelt haben, und haben acht Maßnahmen dargelegt, die sie ergreifen könnten, um die Utopie zu erreichen. „Die Regierungen müssen nationale Gesetzgebungsakte verabschieden, die eine rasche Einführung und Entwicklung von Technologien für erneuerbare Energien und Speicher, Sektorkopplung und intelligente Energiesysteme gewährleisten“, erklären die Studienautoren.
Im Einzelnen sind dies:
- Politische Richtlinien und Instrumente mit Schwerpunkt auf der Sektorkopplung
- Instrumente, die direkte private Investitionen in erneuerbare Energien und andere emissionsfreie Technologien ermöglichen – Hier sagt die Studie, dass Einspeisevergütungen den Ausschreibungen vorzuziehen sind, die den Einsatz erneuerbarer Energien „begrenzen“ und für Projekte mit einer Leistung von 40 Megawatt oder mehr beibehalten werden sollten
- Steuerbefreiungen, direkte Förderungen und rechtliche Privilegien für Technologien für erneuerbare Energien
- Der Ausstieg aus allen fossilen und nuklearen Subventionen
- Der Energieverbrauch muss effizient sein und die Nachfrage muss ausschließlich durch erneuerbare Energien gedeckt werden: hocheffiziente Gebäude, Beleuchtung, Elektrogeräte, elektronische Geräte und andere Energieverbraucher müssen durch verantwortungsbewusste Richtlinien, Vorschriften, Mandate und Infrastrukturplanung unterstützt werden. Effiziente Transportsysteme, die auf erneuerbaren Energien basieren, werden den Energiebedarf reduzieren.
- Förderung von KWK-Strom und -Wärme
- Einführung der Kohlenstoff- und Radioaktivitätssteuer
- Förderung von Forschung und Lehre im Bereich erneuerbare Energien und emissionsfreie Technologien
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Da sind aber einige Unlogischkeiten drin, die diese im Prinzip vernünftigen Ziele diskreditieren.
1. Entweder der Strom wird billiger, dann kostet es auch Arbeitsplätze. Wenn mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, dann wird es auch teurer.
2. Anreiz zu mehr Energieeffizienz geht entweder über den Preis (dazu muss Erneuerbare Energie entweder teuerer sein, oder teuerer gemacht werden), oder über viele tausend bürokratische Einzelvorschriften. Hier wird nichts dazu gesagt, wie das Mehr an Energieeffizienz erreicht werden soll. Unbürokratischer geht es über den Preis.
3. 62% Anteil der PV geht in Mittel- und Nordeuropa nicht ohne erhebliche Anteile von Langzeitspeicherung um den höheren Energiebedarf im Winter mit dem gleichzeitig geringeren Sonnenangebot auszugleichen. Windenergienutzung mit geringeren Anteilen an Langzeitspeicherung wird höchstwahrscheinlich günstiger bleiben, als PV selbst zum Nulltarif mit hohem Anteil. Bei der technisch sinnvollen Ergänzung von PV durch KWK wird mehr als 50% des Stroms aus KWK kommen, das schließt einen Gesamtanteil der PV über 50% aus.
Die von den Befürwortern der fossilen Energienutzung aufgedrängte Preisdiskussion wird im Übrigen völlig verfehlt geführt: Die Fossilen sollten mal eine Preisstabilität wie die Erneuerbaren bieten. Tatsächlich werden unsere Volkswirtschaften seit 40 Jahren durch Preisanstiege der fossilen Energieträger um 200% und anschließenden Preisverfall geschüttelt, was für die Stabilität nicht gerade förderlich war, aber insgesamt doch gut weggesteckt wurde. Der Preis der Fossilen ist immer noch völlig überhöht, und sie werden noch viele Preissenkungen aushalten, wenn sie mit den stetig billiger werdenden Erneuerbaren konkurrieren müssen. Wir müssen uns davon lösen, dass die Erneuerbaren diesem Preiswettbewerb standhalten müssten. Die Fossilen sind genauso unmoralisch wie Hitlers Lebensraumpolitik, der Kolonialismus oder andere Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Es ist sehr spannend, ob sich diese Erkenntnis auch durchsetzen wird.
„Die Fossilen sind genauso unmoralisch wie Hitlers Lebensraumpolitik, der Kolonialismus oder andere Verbrechen der Menschheitsgeschichte.“
Na, das ist doch mal ein kerniger Satz!
Und daher ist auch jedes Mittel gerechtfertigt um der guten EE zum gerechten Sieg zu verhelfen! Sieg dem Edlem, den sein ist das Himmelreich (und die 72 Jungfrauen).
Hätte man den dummen Menschen die Erfindung der Dampfmaschine nicht verbieten können und den Kohlenabbau?
Gut, dass wir jetzt endlich schlauer geworden sind!
Peter Rentfort sagt:
Hätte man den dummen Menschen die Erfindung der Dampfmaschine nicht verbieten können und den Kohlenabbau?
Gut, dass wir jetzt endlich schlauer geworden sind!
@ Peter Rentfort.
Alles zu seiner Zeit. Sie haben doch sicher auch erst laufen gelernt, bevor Sie gemerkt haben, dass man mit dem Fahrrad viel schneller vorwärts kommt.
Hätte man Ihnen das Laufen verboten, wären Sie da wahrscheinlich niemals drauf gekommen.
Herr Diehl, so viel Verständnis für die alten Klimazerstörer, von deren Übeln wir jetzt bedroht werden?
Dabei haben schon unsrer Ur-Großväter gewußt, was kommt (Zitat S.Rahmsdorf, wikipedia):
„Im Jahr 1896 rechnete der schwedische Nobelpreisträger Svante Arrhenius erstmals aus, dass eine Verdoppelung des Kohlendioxid-(CO2-)Gehalts der Atmosphäre zu einer Temperaturerhöhung um vier bis sechs Grad Celsius führen würde.“
Ja, ja, die Menschheit, die hat`s nicht leicht!