Energy Web Foundation löst Probleme der Energie-Blockchains

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Ein Hype erfüllt die gesellschaftliche Funktion, dass die Menschen ihre Komfortzone verlassen, sagte sinngemäß Hervé Touati, Präsident der Energy Web Foundation auf der Veranstaltung „Event Horizon“ Mitte April in Berlin. Ein solcher Hype ist Blockchain, um die es bei der dreitägigen Veranstaltung ging. Dass viele Energieunternehmen ihre Komfortzone verlassen, war dort auch mit Händen zu greifen. Sie waren trotz nicht gerade billiger Eintrittspreise zahlreich vertreten. Ein Teilnehmer der Start-up-Szene sieht darin den „verzweifelten Versuch der Großen, eine Zauberanwendung zu finden, die sie retten wird“.

Eine Zauberanwendung ist vielleicht zu viel erwartet. Doch nicht zuletzt die Energy Web Foundation hat vorgeführt, wie weit die Blockchain-Anwendungen nach nur eineinhalb bis zwei Jahren Hype gediehen sind. In der Schweizer non-profit-Stiftung arbeiten das US-amerikanische Rocky Mountain Institute und das Start-up Grid Singularity, das vergangenes Jahr seinen Sitz von Österreich nach Berlin verlegt hat und Co-Organisator der Konferenz ist, an einer Blockchain, die die besonderen Anforderungen für Anwendungen im Energiemarkt erfüllt. Sie wird von Partnern eines Konsortiums betrieben, die „bekannt, respektiert und auf dem Energiemarkt aktiv sind“, erklärt Oriol Pujoldevall, Manager für strategische Partnerschaften bei der Energy Web Foundation. Alle Unternehmen sollen sie nutzten können, die Anwendungen programmieren und laufen lassen wollen. Außerdem ist die Software, die im Rahmen der Stiftung entwickelt wird, Open Source. „Es ist eine offene Blockchain“, sagt Pujoldevall.

Die Blockchain ist eine Art IT-Infrastruktur, auf der diverse Applikationen mit verschiedenen Funktionen gestartet werden können. Sie erlaubt, zum einen Geld- oder Stromtransaktionen zu validieren und manipulationssicher zu speichern. Zum anderen können Transaktionen über automatisierte, nicht manipulierbare „smart contracts“ miteinander gekoppelt werden, so dass sich zum Beispiel kleinteilige Energielieferungen veranlassen und abrechnen lassen. Das ist nötig, damit Prosumer am Energiemarkt teilnehmen. „Wir arbeiten an einem Energiesystem, das die Wertschöpfung zum Kunden verschiebt“, sagt Hervé Touati.

Erste Applikationen

Die erste funktionsfähige Applikation mit dem Namen „Origin“ wird erlauben, die Herkunft von Energielieferungen zu verfolgen. Damit lassen sich zum Beispiel grüne Zertifikate entwickeln. Eine Voraussetzung ist ein Baustein, mit dem sich Smart Meter von den Programmen der Blockchain auslesen lassen. Ähnliche Anwendungen, die zu einem so genannten Hybridstrommarkt führen können, hat auch bereits die StromDAO vorgestellt.

Gerade hat die Schweizer Stiftung die Beta-Version ihrer Blockchain herausgebracht. Anwender können sie nun leichter nutzen, so Pujoldevall. Wer die Blockchain Ethereum nutzt, muss die „smart contracts“ in der spezielleren Programmiersprache Solidity schreiben. Die Energy Web Foundation unterstützt nun die so genannte „Web Assembly“, kurz WASM. Das ist eine Initiative aller größerer Webbrowser-Hersteller. Die „smart contracts“ können dadurch auch in der bekannteren Sprache C++ geschrieben werden. „Das wird die Zahl der Blockchain-Entwickler von einigen Tausend auf einige Millionen erhöhen“, sagt Pujoldevall.

Außer an der Infrastruktur arbeitet die Energy Web Foundation auch an einer Lösung mit dem Namen Decentralized Autonomous Area Agent, kurz D3A, mit der sich der Energiemarkt steuern lässt.  Mit ihr wird es laut Pujoldevall möglich sein, den Energiehandel und den Handel am Regelenergiemarkt schneller als heute und automatisiert abzuwickeln. Derzeit ist D3A eine Simulationsumgebung, mit der der Proof-of-concept erbracht wird. Die Roadmap sieht vor, dass das System Ende 2019 funktionsfähig ist. Allerdings dürften derzeit die Regulierungen in keinem Land der Erde erlauben, solch ein System einzusetzen. Nicht zuletzt weil es ja auch die Anforderungen zur IT-Sicherheit unter Beweis stellen muss, damit es die Versorgungssicherheit nicht gefährdet. Regulierung war daher eines der großen Themen auf der Veranstaltung und der Energy Web Foundation.

Um die Vernetzung der interessierten Energie-Experten zu fördern, hat die Energy Web Foundation in Berlin außerdem ein Netzwerk mit dem Namen Energy Web Connect vorgestellt. Es ist eine Art Linkedin für Energie.

Etliche Herausforderungen bereits gelöst

Damit die Steuerung des Energiemarktes funktioniert, musste die Energy Web Foundation einige weitere große Probleme lösen. Blockchains wie zum Beispiel Ethereum, die Anwender derzeit nutzen, sind viel zu langsam. Dort, wie im Übrigen auch bei der Kryptowährung Bitcoin, wetteifern im Hintergrund viele so genannte Miner mit enormen Rechenkapazitäten darum, Transaktionen zu validieren. Die Aufgabe wird ihnen absichtlich schwer gemacht, um den Wettbewerb anzuheizen. Bei der Energy-Blockchain übernehmen rund 40 Konsortialmitglieder diese Validierung (so genanntes proof of authority). Diese müssen nicht durch den künstlichen Wettbewerb zum Rechnen motiviert werden. Ihr Anreiz wird darin liegen, dass bei jeder Validierung Token generiert werden, also eine Art Kryptowährung wie Bitcoin, die die Validierer handeln können. Dadurch ist die Energy-Blockchain nun viel schneller.

Eine einzige Energy-Blockchain erlaube jetzt 750 Transaktionen pro Sekunde, so Pujoldevall. Baue man eine für jedes Bundesland auf und koppele diese, komme man schon auf 240.000 möglichen Transaktionen pro Sekunde. Das reiche zunächst aus, selbst wenn viele Verbraucher in vielen Haushalten an die Blockchain angeschlossen würden. Man müsse nämlich nicht jedes Mal, wenn der Kühlschrank anspringt und Strom benötigt, diese Transaktion validieren, sondern könne sie auch zusammenfassen.

Mit der Lösung erschlägt die Stiftung auch ein anderes Problem, das im vergangenen Jahr negative Schlagzeilen gemacht hat: Während von vielen Minern betriebene Blockchains einen hohen Energieverbrauch haben, ist der der Energy Blockchain vernachlässigbar gering.

Auch in puncto Vertraulichkeit arbeitet die Energy Web Foundation an einer Lösung. Landläufig wird mit der Technologie Anonymität assoziiert. Das ist jedoch nicht so einfach, wie es aussieht. Im Prinzip sind alle Transaktionen für alle Beteiligten in der Blockchain einsehbar. Das muss so sein, da ist sie sicher gegen Manipulationen sein soll. Allerdings sind die Transaktionen nicht mit Klarnamen, sondern mit zunächst anonymen Identitäten verknüpft. Das reicht aber nicht aus. Um Vertraulichkeit zu gewährleisten, werden die Einträge bei der Energy Blockchain daher verschlüsselt. „Nur einige Beteiligte wie vielleicht Regulatoren bekommen die Schlüssel, da sie die Informationen benötigen“, sagt Pujoldevall.

Viele renommierte Partner

Die Liste der Partner für das Konsortium ist inzwischen auf über 50 angewachsen. Zum einen aus der Energie-Blockchain-Szene, etwa Electron and Share & Charge, nach Einschätzung von Pujoldevall in dem Bereich führende Firmen. Zum anderen Unternehmen aus der klassischen Energiewirtschaft. Darunter sind auch bekannte Namen wie der Ölkonzern Shell, der von Fukushima bekannte Kraftwerksbetreiber Tepco, Eon, Engie und der kalifornische Energieversorger PG&E.

Einige Teilnehmer äußerten daher die Besorgnis, dass die klassischen Unternehmen über die Validierung der Blockchain-Transaktionen die Kontrolle zurückerhalten könnten. Dabei sei das Motiv der Blockchain ja gerade, eine Infrastruktur zu ermöglichen, die dezentral und ohne Kontrolle durch große Konzerne funktioniere. So richtig begründet ist diese Befürchtung jedoch nicht. Schließlich kontrollieren sie sich gegenseitig.

Außerdem, so Jules Kortenhorst, CEO des Rocky Mountain Instituts im Interview mit pv magazine, sei es genau die Mission der Energy Web Foundation, das zu verhindern. Den Stiftungsrat kontrollierten daher zwei Vertreter des US-Instituts, zwei Vertreter von Grid Singularity und ein Vertreter der internationalen Energieagentur. „Meiner Einschätzung nach ist es unmöglich, dass ein Falschspieler die Datenbank kapert und in seinem Interesse manipuliert“, sagt er. Die großen Konzerne würden dem Konsortium nicht beitreten, um die Disruption, die davon ausgeht, zu stoppen, sondern um sie zu verstehen.

In diese Richtung gehen auch die Aktivitäten von Elia. Der belgische Netzbetreiber, der 80 Prozent der Anteile am ostdeutschen Netzbetreiber 50 Hertz Transmission hält, ist ebenfalls ein Partner der Energy Web Foundation. Er hat ein Testprojekt im für Demand Response Anwendungen gestartet.

„Wir erwarten viel von diesem Proof of Concept“, sagt Menno Janssens, Leiter der Abteilung Innovation. „Wir hoffen, nachweisen zu können, dass wir darauf eine Technologie aufbauen können, mit der Prosumer aktiviert und Haushalte in den Energiemarkt eingebunden werden können“. Das sei schon heute mit anderen Technologien möglich, aber zu teuer und zu komplex. Er hofft, mit Blockchain die Kosten senken zu können.

Die Kunst dürfte sein, auch seine Kollegen aus anderen Teilen des Konzerns mitzunehmen, die dem noch sehr kritisch gegenüberstehen. In den Nachweis seien diese involviert. „Unser Ziel ist es, das Potenzial der Blockchain aufzeigen zu können“, erklärt der Innovations-Experte.

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