Bifaziale Module gelten als Trend, mehr und mehr Hersteller bieten diese an. Doch was soll man mit ihnen eigentlich tun? „Senkrecht aufstellen und dazwischen zum Beispiel Kühe grasen lassen“, sagt Nicolai Zwosta. Er ist Vorstand der Solverde Bürgerkraftwerke Energiegenossenschaft und Gründer und Geschäftsführer von Next2Sun, woran die Genossenschaft ein Viertel der Anteile hält.
Sein Mitgründer Heiko Hildebrandt hatte 2013 die Idee, nachdem beide mit flach aufgeständerten Ost-West-Anlagen bereits gute Erfahrungen gemacht hatten. Daraufhin haben sie ein Montagesystem entwickelt und vor zwei Jahren eine 28-Kilowatt-Testanlage bei Merzig im Saarland errichtet. Vergleichbares gibt es kaum. Lärmschutzwände werden zwar auch oft senkrecht gebaut, jedoch mit Sonderkonstruktionen oder Spezialmodulen. Daher hat die Jury des pv magazine award an Next2Sun den Preis in der Kategorie „top innovation“ vergeben.
Doch was ist der Vorteil dieser Innovation? „Damit lassen sich Landwirtschaft und Photovoltaik versöhnen“, sagt Zwosta. Und eventuell lassen sich Stromgestehungskosten sogar reduzieren oder es lässt sich entsprechend die Rendite steigern. Außerdem, und dieser Aspekt ist Zwosta wichtig, lässt sich das Erzeugungsprofil über den Tag deutlich ändern. Statt des ausgeprägten Mittagspeaks einer Südanlage hat solch eine Anlage ausgeprägte Morgen- und Nachmittagspeaks. Aus einer einhöckrigen Dromedar-Kurve wird so eine zweihöckrige Kamel-Kurve. Dieser Effekt ist noch deutlich ausgeprägter als bei den typischen Ost-West-Anlagen. „Dadurch lassen sich auf dem Strommarkt höhere Erlöse erzielen“, sagt Zwosta, „da man nicht dann einspeist, wenn alle anderen Solarkraftwerke produzieren.“ Dadurch sei es „wahrscheinlich“, dass die Vermarktungserlöse 5 bis 15 Prozent höher ausfallen als bei Südanlagen, solange diese die überwiegende Mehrzahl der Installationen darstellen.
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Seit der letzten Runde im Juni bewarben sich acht Unternehmen mit ihren Ideen neu für den
pv magazine award. Zwei Bewerbungen haben die Juroren Volker Quaschning,
Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, Hans Urban, Berater im Auftrag der Schletter Gruppe, und Winfried Wahl, Solarexperte, der unter anderem Leiter des Produkt Managements bei Suntech und Hanwha Solar war, in der Septemberrunde besonders überzeugt.
Next2Sun – Senkrechte Montage auf dem Acker
Innovativ ist das Vorhaben des Unternehmens, das anteilig einer Energiegenossenschaft gehört, in mehrerlei Hinsicht. Es unternimmt mit einem neuartigen Ansatz den Versuch, Landwirtschaft und Photovoltaik miteinander zu versöhnen. Das Unternehmen montiert dazu bifaziale Solarmodule senkrecht. Dazwischen können zum Beispiel Kühe grasen. Ob sich das am Ende lohnen wird, dürfte von der weiteren Entwicklung der einzelnen Kostenblöcke abhängen. Die Jury hält es für sehr sinnvoll, diese Technologie zu entwickeln und daraufhin zu untersuchen, für welche Einsatzgebiete sie geeignet ist. Daher zeichnet sie das Unternehmen mit dem pv magazine Award in der Kategorie „top innovation“ aus.
Mehr Informationen zu den Kriterien, zu den bisherigen Preisträgern, zu den Juroren und alles Nötige, falls Sie sich auch bewerben wollen, finden Sie hier.
Der Einsendeschluss für die nächste Award-Runde ist am 10. Oktober 2017
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Ob dadurch die Wirtschaftlichkeit wirklich zunimmt, lässt sich nur schwer allgemein abschätzen. Zu viele Einflussfaktoren spielen eine Rolle, verstärken oder kompensieren sich: Im Vergleich zu einer Südanlage gleicher Leistung fallen der andere spezifische Ertrag, andere Flächenkosten, andere Kosten für die Unterkonstruktion und Verkabelung ins Gewicht. Eventuell könnten sich auch die Netzanschlusskosten reduzieren, sagt Zwosta, da das Netz nicht dann belastet würde, wenn alle anderen Photovoltaikanlagen einspeisen.
Der Ertrag
Stellt man ein monofaziales Modul in Südrichtung senkrecht auf, hat es ungefähr 70 Prozent des Ertrags eines optimal mit 37 Grad Neigung aufgeständerten Moduls gleicher Leistung, wenn man nur die Direktstrahlung und die vom Himmel kommende Diffusstrahlung rechnet. Dreht man das Modul nach Osten oder Westen, bleibt die Hälfte des Ertrags übrig. Tauscht man es gegen ein bifaziales Modul aus, verdoppelt sich dieser Ertrag, aber nur, wenn die Rückseite genauso effizient wäre wie die Vorderseite. Zusätzlich muss man den Ertrag betrachten, den die vom Boden, Pflanzen und Häusern reflektierte Strahlung liefert. Dieser Anteil ist bei bifazialen Modulen höher als bei monofazialen. Zwosta schätzt ihn auf zusätzliche 10 bis 15 Prozent.
Das Einspeiseprofil der 28-Kilowatt-Testanlage zeigt ein sehr eindeutiges „Kamel“-Profil. Dadurch steigt der Vermarktungswert des Solarstroms. Grafik: pv magazine/Harald Schütt
„Die Ertragssimulationsprogramme können unser Anlagenkonzept nicht abdecken“, sagt Zwosta, „da sie die Richtungsabhängigkeit des Albedoeffekts nicht berücksichtigen.“ Daher hat Next2Sun im Rahmen einer Masterarbeit ein eigenes Berechnungstool entwickelt und an der Testanlage kalibriert. Dort haben die Gründer nach eigenen Aussagen 2016 rund 1.030 Kilowattstunden pro Kilowattpeak Ertrag gemessen, etwa 110 Prozent des Ertrags, den eine Südanlage gleicher Leistung an diesem Standort in dem Jahr geliefert hätte. Die angegebene Leistung der bifazialen Module bezieht sich dabei auf die reine Vorderseitenleistung.
Dem höheren Ertrag stehen höhere Aufwände entgegen. Das Montagesystem muss etwas tiefer gerammt werden als bei einer Südanlage und benötigt mehr Material, da es stärkeren Windlasten widerstehen muss. In Merzig bei Windlastzone 2 gehen die Pfosten zwei Meter tief in den Boden. Die Reihenabstände sind größer als bei einer Südanlage, erstens wegen der Verschattungseffekte, zweitens weil der Zwischenraum ja genutzt werden soll. Dadurch nehmen die Kabellängen zu. Für eine Zwei-Megawatt-Anlage rechnet Zwosta mit Kosten ohne Module von etwas mehr als 500 Euro pro Kilowattpeak. Das Montagesystem schlägt darin mit rund 50 Euro mehr zu Buche als ein System für die klassische Südaufständerung.
Ausschreibung mit 6,5 Cent pro Kilowattstunde gewonnen
Es hängt nicht zuletzt an den Modulen, wie wirtschaftlich das Konzept ist. Das junge Unternehmen hat bereits für eine Drei-Megawatt-Anlage in einer Ausschreibung geboten, mit 6,5 Cent pro Kilowattstunde, und den Zuschlag erhalten. Bei 480 Euro pro Kilowattpeak Modulkosten käme man mit plus/minus null heraus, so Zwosta. Dabei hat er die Erlöse für einen Teil der Drei-Megawatt-Anlage mit 6,5 Cent pro Kilowattstunde und für 750 Kilowatt mit 8,7 Cent pro Kilowatt berechnet, was eine Umsetzungsmöglichkeit im derzeitigen Ausschreibungsverfahren ist. Bei 350 Euro pro Kilowattpeak Modulkosten ließe sich laut Zwosta schon eine Eigenkapitalrendite von vier bis fünf Prozent erzielen. Grundsätzlich gelte, dass die bifazialen Module 20 Prozent teurer sein dürften als monofaziale, damit die Südanlage und die senkrecht aufgeständerte Ost-West-Anlage renditemäßig gleichauf lägen.
Ob es solche Module gibt? „Das hängt stark davon ab, wie sich die Strafzölle entwickeln“, sagt Zwosta. In Europa gebe es sie nicht für einen angemessenen Preis. In Asien gebe es bifaziale Module für 40 Cent pro Wattpeak. „Es gibt auch keinen technischen Grund, warum sie viel teurer als monofaziale Module sein sollten“, sagt Zwosta.
Allerdings ist bifaziales Modul nicht gleich bifaziales Modul. Ein Parameter ist die Bifazialität. Diese beschreibt, wie effizient die Rückseite im Vergleich zur Vorderseite ist. 90 Prozent seien wünschenswert, sagt der Firmengründer. Doch diese seien nur mit bifazialen Heterojunction-Zellen machbar, die derzeit nicht in Asien gefertigt würden. Das bifaziale n-Typ-Modul von Jolywood, das pv magazine getestet hat (siehe Seiten 72 bis 76), kommt auf knapp 85 Prozent Bifazialität. Am Ende zählt aber auch hier, wie sich Leistung und Preis zueinander verhalten. Für die Testanlage hat Next2Sun unter anderem von Trina Module aus dem Entwicklungslabor bekommen. Die angegebene sehr hohe Bifazialität von 98 Prozent sei durch die Betriebsdaten bestätigt worden.
Die Flächendiskussion
Die jährlichen Flächenkosten spielen in der Renditerechnung eine entscheidende Rolle, da sie direkt vom jährlichen Cash-Flow bezahlt werden müssen, der in der Größenordnung zwischen 8.000 und 45.000 Euro liegt. Die Anlage benötigt rund doppelt so viel Platz wie eine südaufgeständerte Anlage gleicher Leistung. In der Abschätzung hat Zwosta für die Anlage, die sich über acht Hektar erstreckt, fast übliche 1.600 Euro pro Hektar Pacht angenommen. „Bei diesen Flächenkosten haben wir noch keine Chancen, wirtschaftlich besser zu sein als mit einer Südanlage, solange die Modulpreise auf heutigem Niveau liegen“, sagt er.
Zwischen den Modulen der Pilotanlage grasen Kühe. Foto: Oekostrom Solar
Zwosta ist allerdings guter Dinge, dass die Pachtpreise fallen könnten. Zwischen den Reihen der Testanlage weiden bereits Kühe. Im Prinzip sei auch Ackerbau denkbar, der je nach Ort und Kultur zwischen 100 und 900 Euro pro Hektar Gewinn bringen dürfte. Dazu kommen dann noch staatliche Zuschüsse. Mitentscheidend dürfte sein, ob diese weiter fließen, wenn auf den Flächen senkrechte Module mit zehn Metern Reihenabstand installiert sind, oder ob für solche Anlagen auch die Subventionen für Brachland gezahlt werden, wenn kein Ackerbau betrieben wird. In eine ähnliche Richtung geht die Vorstellung, dass es mit dem Anlagenkonzept leichter sein wird, Flächen aus Naturschutzgebieten zu nutzen, da sie nicht im gleichen Maße versiegelt werden. Bei der Testanlage sei das schon gelungen.
Es könnte also so sein, dass mit dem Konzept, das wie klassische Agro-Photovoltaik ein Nebeneinander von Landwirtschaft und Photovoltaik erlaubt, andere Flächen zur Verfügung stehen und sich dadurch andere Pachtpreise einpendeln. „Wir müssen jetzt Kooperationspartner in der Landwirtschaft finden“, sagt Zwosta. „Was die Nutzung der Reihenzwischenräume anbelangt, ist Einfallsreichtum gefragt.“ Es werde nicht möglich sein, die Flächen exakt wie bisher zu bewirtschaften, sodass Ideen erst noch entwickelt und erprobt werden müssten.
Um das System voranzubringen, gehen Zwosta und die anderen Gesellschafter jetzt außerdem auf Investorensuche. Mit der Finanzspritze wollen sie die Anlage realisieren, für die sie bereits eine Ausschreibung gewonnen haben. Die mittlere Zukunft sieht er so: „Wir brauchen einen strafzollfreien Zugang zu passenden Modulen. Damit kommen wir endgültig in die Wirtschaftlichkeit.“
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