Zu Jahresbeginn berichtet der Photovoltaik-Hersteller Winaico, dass er rund 8.500 Solarmodule für einen 2,2 Megawatt Solarpark auf dem Gelände eines ehemaligen Munitionsdepots der Bundeswehr im niedersächsischen Wittmund geliefert hat. Es entpuppt sich als eines der größten Repowering-Projekte, das bislang in Deutschland öffentlich geworden ist.
Die Geschichte dahinter klingt wie ein schlechter Film. Die Eigentümer des Solarparks, die mittlerweile durch die dänische Momentum-Gruppe repräsentiert werden, übernahmen den Park 2013. Das war das Jahr, nachdem der Solarpark gebaut wurde. Die dänischen Investoren wussten zu diesem Zeitpunkt nichts von den großen technischen Problemen, die bereits seit dem Start der Anlage vorhanden waren.
Explodierende Solarmodule
Der erste Teilsanierungsversuch der Anlage sei im Jahr 2014 erfolgt. Die damals zuständige Geschäftsführung der Projektgesellschaft war der Meinung, sie habe eine Lösung für die technischen Probleme gefunden. So hatten überhitzte und teilweise explodierende Solarmodule für zum Teil erhebliche Produktionsausfälle gesorgt. Ein Tausch eines Teils der amorphen Dünnschichtmodule stellte sich allerdings als erfolglos heraus. „Die Solarmodule sind im wahrsten Sinne des Wortes explodiert. Bereits kurz nach dem Austausch musste der Solarpark wieder außer Betrieb genommen werden“, erklärt Kim Madsen, Geschäftsführer von Momentum Gruppen A/S, pv magazine.
Den Namen des chinesischen Herstellers der Module will er nicht nennen, verrät aber, dass dieser mittlerweile insolvent sei. Insgesamt habe die Anlage mehr als zwölf Monate keinen Strom produziert. Die Investoren seien von dem damaligen Verwalter der Anlage erst verspätet darüber informiert worden. Diese habe den Investoren zudem zu einem weiteren teuren Sanierungsversuch geraten, der die Anlage binnen weniger Wochen auf eine Kapazität von 90 Prozent zurückbringen sollte.
Madsen sagt, dass zu diesem Zeitpunkt die Investoren das Vertrauen in die damalige Verwaltung verloren und nicht noch weitere Gelder verschwenden wollten. Der Beirat der Betreibergesellschaft habe sich damals zur Zusammenarbeit mit Momentum als neuen Service-Provider entschieden. Das dänische Unternehmen musste sich neben den defekten Solarmodulen auch um weitere Probleme rund um den Park kümmern. Es seien erste Gespräche mit der involvierten Bank, den dänischen und deutschen Verwaltern, Grundstückseigentümern und Behörden geführt worden. „Zum Vorschein kam ein wahres Chaos von Missmanagement ohnegleichen.“
So habe Momentum nicht-abgeschlossene Rechtsstreitigkeiten und Versicherungsangelegenheiten vorgefunden. Zudem funktionierte das Anlagenmonitoring wegen fehlender Internetverbindung nicht. Die Telekom hatte die Leitung wegen nicht bezahlter Rechnungen gekappt. Auch die Eigenstromversorgung des Solarparks war so nicht gewährleistet. „Der Solarpark glich einer Bauruine mit deutlichen Anzeichen von Sachbeschädigung, der Zaun um den Park war an nicht wenigen Stellen beschädigt“, wie Momentum die Lage vor Ort schreibt. Unbefugte hätten sich so Zutritt zur Photovoltaik-Anlage verschafft. Zudem häuften sich Beschwerden der Anwohner vor Ort über den Zustand des Solarparks. Die Baubehörden hätten deshalb bereits mehrfach mit einer Beseitigungsverfügung gedroht, schon bevor Momentum die Anlage übernahm.
Baubehörde erlässt Beseitigungsverfügung
Im April 2016 schließlich erließ die Baubehörde eine Beseitigungsverfügung. Mehr als 6000 der 22.000 Solarmodule seien zu diesem Zeitpunkt bereits unbrauchbar gewesen. Tag für Tag sei es zu Kurzschlüssen gekommen, wobei die Module in der Folge einzeln durchgebrannt seien. Momentum schaffte es innerhalb eines Monats, die Behörde zur Rücknahme der Beseitigungsverfügung zu bewegen. „Die Situation war bedrohlich, zumal die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Insolvenz stand“, erklärt Madsen. Mittlerweile habe sie die Lage grundlegend geändert. Es gebe neue elektrische Zäune um die Anlage, die auch von Kameras überwacht werde. Zudem sei der Dialog mit Bürgern gesucht worden.
Im Frühjahr 2016 schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann der Solarpark völlig wertlos ist. Momentum tauschte die technischen Berater aus und erarbeitete einen völlig neuen Investitionsplan. Diesem lag der komplette Austausch der Solarmodule und Verkabelung zugrunde. Zudem sei eine neue Verwaltung, neue Betriebsführung und neue juristische Projektstruktur aufgesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die finanzierende Bank aufgrund der schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit ihr Engagement nicht fortsetzen wollen. „Sie wollte keine neuen Risiken eingehen“, erzählt Madsen, der diese Entscheidung absolut nachvollziehen konnte.
Mehr als 22.000 Solarmodule sind aus der Photovoltaik-Anlage entfernt worden. Alle waren defekt. (Foto: Momentum Gruppen)
Immerhin die ursprünglichen Investoren blieben fast komplett an Bord. Bis auf zwei Investoren machten alle mit dem Projekt weiter und zahlten zusätzliches Eigenkapital ein, um die Sanierung zu finanzieren. Sie beauftragten schließlich Momentum mit der erarbeiteten Umstrukturierung und dem Repowering. Stundungsvereinbarungen mit diversen Gläubigern ermöglichten schließlich die Umsetzung. Sämtliche Aktiva seien an eine neu gegründete Projektgesellschaft übertragen worden. Das neue Konzept habe schließlich auch die zuständige Baubehörde überzeugt. Nach einigem Zögern habe sie die Beseitigungsverfügung zurückgenommen.
Als nicht so einfach erwiesen sich zudem die Verhandlungen mit den Netzbetreibern. Momentum beschreibt sie als kompliziert und zäh. Allerdings ging es auch um viel. So sah das Konzept vor, dass alle Module getauscht werden, der alte Einspeisetarif aber erhalten bleiben soll. Es habe viel Zeit in Anspruch genommen, die gesetzlichen Vorgaben für einen solchen Fall zu erfüllen, sagt Madsen. Erst eine Reihe von Treffen mit dem Netzbetreiber, die Vorlage mehrerer Gutachten durch verschiedene Sachverständige und mit juristischer Hilfe habe Momentum im Sommer 2016 schließlich die Zusage für die Beibehaltung des aus 2012 stammenden Einspeisetarifs bekommen.
Grünes Licht für Repowering im Sommer 2016
Damit hatten die dänischen Investoren grünes Licht für das Repowering. Im August 2016 seien schließlich die ersten Module wieder in Betrieb genommen worden. Die vollständige Leistung des Parks mit 2,265 Megawatt sei mit den rund 8500 leistungsstärkeren kristallinen Solarmodulen innerhalb weniger Wochen wiederhergestellt worden. Auch wenn diese nur etwa ein Drittel der ursprünglichen Fläche einnahmen, hat sich Momentum zunächst darauf beschränkt. Zudem ist es eine Vorgabe beim Repowering, dass die Gesamtleistung der Anlage nicht geändert werden darf, wenn der alte Einspeisetarif gültig bleiben soll.
Was Momentum nun mit dem vielen freien Platz anfangen wird, ist noch offen. „Wir schauen immer nach Möglichkeiten. Bislang sind die Eigentümer aber noch dabei, ihre Wunden zu lecken, und auch erstmal glücklich, dass wir ihr Investment gerettet haben“, sagt Madsen. Für die Zukunft will er aber nicht ausschließen, dass der Solarpark noch erweitert werden wird.
Sein Unternehmen engagierte sich in diesem Fall als Service-Anbieter und war nicht Eigentümer der Photovoltaik-Anlage. Momentum-Geschäftsführer Kim Madsen hat dennoch einen guten Rat für potenzielle Investoren: „Was Anlagenbesitzer aus diesem Fall lernen können, ist, dass sie nur mit professionellen Menschen zusammenarbeiten sollten, die wissen, was sie tun. Sie sollten zudem Qualitätsmodule von bekannten Herstellern, die Erfahrungen im deutschen Markt haben, aussuchen.“ (Sandra Enkhardt)
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