Preisspirale dreht sich

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Als Mittel der Wahl für den Ausbau der Solarenergie haben sich auch in Lateinamerika Ausschreibungen durchgesetzt. Mittlerweile überschlagen sich die Ereignisse geradezu. Immer mehr Länder haben in den vergangenen Monaten erstmalig Ausschreibungen exklusiv für Solar- und Windenergie durchgeführt – und das gleich mit großen Volumina. Dabei schufen in einigen Ländern strukturelle Veränderungen wie die Energiemarktreform in Mexiko und der Regierungswechsel in Argentinien erst die grundlegenden Voraussetzungen. Auch immer mehr deutsche Unternehmen haben großes Interesse, an dem Wachstum der lateinamerikanischen Erneuerbare-Energien-Märkte teilzuhaben, oder sind bereits engagiert.

Die in den Ausschreibungen erzielten Preise haben in der Branche für Aufsehen gesorgt. Die Ergebnisse zeigen einen enormen Preisverfall seit Juni 2014 (siehe Tabelle nächste Seite). Der Durchschnittspreis der zweiten Ausschreibung im September in Mexiko betrug mit 31,70 US-Dollar pro Megawattstunde weniger als ein Drittel des günstigsten Angebotspreises in Höhe von 101,90 US-Dollar pro Megawattstunde in El Salvador. Man bedenke, dass lediglich 27 Monate zwischen diesen beiden Ausschreibungen lagen.

PV-Angebotspreise erstmals niedriger als für Windenergie

Für Aufsehen in der Windbranche dürfte zudem gesorgt haben, dass die Angebotspreise für Photovoltaik in den jüngsten Ausschreibungen in Mexiko und Chile erstmalig niedriger waren als für Windenergie. Lediglich Argentinien fügt sich mit relativ hohen 76,20 US-Dollar pro Megawattstunde nicht ganz in das Gesamtbild ein (siehe Tabelle), was mit dem erst kürzlich erfolgten Comeback des Landes an den internationalen Kapitalmärkten und der für viele Unternehmen unerwartet schnell durchgeführten ersten Ausschreibung zu erklären ist.

Lateinamerika ist mit hoher Sonneneinstrahlung gesegnet, die niedrigere Stromgestehungskosten ermöglicht. Dabei gibt es natürlich auch zwischen den Ländern substanzielle Unterschiede, die Einfluss auf die jeweiligen Preisniveaus haben. Für eine optimale Ausbeute scheinen sich vermehrt einachsige Nachführsysteme durchzusetzen, so etwa bei Projekten in Guatemala und El Salvador. Auch der italienische Energieversorger Enel wird offenbar in seinem in der peruanischen Ausschreibung erfolgreichen 144-Megawatt-Projekt ein Nachführsystem einsetzen. Die Anlage wird mit einer Jahreserzeugung von über 2.870 Kilowattstunden pro Kilowattpeak angegeben – dies entspricht einem Kapazitätsfaktor von fast 33 Prozent!

Gründe für den Preisverfall

Viele Unternehmen verfolgen eine aggressive Preisstrategie, um den Markteintritt in Lateinamerika zu vollziehen und sich zu positionieren. Einige ausländische Projektierer zwingt auch der Einbruch der Heimatmärkte dazu, zügig neue Märkte zu erschließen. Auffällig ist so der Marktanteil von Enel an den lateinamerikanischen Ausschreibungen. Der Energiekonzern ist seit Langem in der Region in der Stromerzeugung tätig und war in den vergangenen Monaten in vielen Photovoltaik- und Windausschreibungen mit sehr niedrigen Preisen erfolgreich. Allein in Mexiko erhielt Enel den Zuschlag für nahezu ein Gigawatt PV-Leistung. Bei einer Projektpipeline dieser Größenordnung können Skaleneffekte gehoben werden – sowohl bei den Investitions- als auch bei den Betriebsführungskosten.

Eine wichtige Rolle spielt natürlich auch der Rückgang der Systemkosten, der Lateinamerika insbesondere zu Beginn seiner Marktentwicklung mit zeitlicher Verzögerung erreicht hat. Bei den Ausschreibungen ist davon auszugehen, dass in das individuelle Kalkül der Bieter auch erwartete zukünftige Kostensenkungen zwischen dem Zeitpunkt der Angebotsabgabe und der Investition einfließen. In der Regel beträgt dieser Zeitraum ein bis zwei Jahre, zuweilen noch länger.

So war der Angebotspreis des französischen Projektierers Neoen bei der Ausschreibung in El Salvador im Juni 2014 durchaus niedrig, in der anschließenden Projektentwicklungsphase durfte das Unternehmen sich über deutlich sinkende Installationspreise für Photovoltaik freuen. Häufig wird auch die offizielle Frist für die Inbetriebnahme gerissen. So bleibt von den fünf Photovoltaik- und Windprojekten, die 2015 in Chile einen Zuschlag erhalten haben, nur eines im vorgesehenen Zeitplan. Auch in El Salvador ist keines der drei Solarprojekte bis Oktober 2016 fertiggestellt worden, wie es der ursprüngliche Zeitplan der Ausschreibung vorsah.

Ein weiterer Grund für den rapiden Preisverfall in Lateinamerika: Es steht mehr und günstigeres Geld zur Verfügung. Immer mehr institutionelle Investoren entscheiden sich für ein Engagement in Erneuerbare als sichere und ethisch korrekte Anlageklasse, zu der es derzeit nicht viele Alternativen gibt. Dazu gesellen sich Investoren aus Lateinamerika, wie etwa Energieunternehmen oder auch Family Offices, die Erneuerbare als neues Geschäftsfeld etablieren. Zudem haben sich Breite und Konditionen des Finanzierungsangebots verbessert. Zu den wichtigen regionalen Finanzierern gehört die Interamerikanische Entwicklungsbank, die ihr Engagement deutlich erhöht hat. Die Finanzierungskosten in Lateinamerika sind allerdings immer noch deutlich höher als in Deutschland.

Berücksichtigt werden muss auch, dass nicht alle Photovoltaikprojekte, die in den Ausschreibungen einen Zuschlag erhalten haben, auch zwingend gebaut werden. In Brasilien etwa ist aufgrund der Importzölle für Komponenten und des Verfalls des Real fraglich, ob alle Anlagen tatsächlich realisiert werden.

Die Frage ist nun, sind die Projekte bei diesen sehr niedrig wirkenden Preisen noch rentabel? Zieht man die für das 144-Megawatt-Projekt von Enel genannten Ertragszahlen von 2.870 Kilowattstunden pro Kilowattpeak heran und unterstellt Investitionskosten von 1.000 US-Dollar pro Kilowattstunde, dann zeigen überschlägige Berechnungen, dass bei einem Stromabnahmevertragstarif von 48 US-Dollar pro Megawattstunde eine Eigenkapitalrendite von über zehn Prozent erzielt werden kann (siehe Grafik 3, S. 50).

Die Kalkulation wird sehr viel enger für die Solarprojekte in Mexiko. Enel hat in der ersten Ausschreibung vom April 2016 Investitionskosten von einer Milliarde US-Dollar für drei Solarparks mit 992 Megawatt Gesamtleistung angegeben, also rund 1.000 US-Dollar pro Kilowattstunde. Zusammen sollen die Solarparks 2.250 Gigawattstunden Strom erzeugen, das bedeutet im Schnitt 2.268 Kilowattstunden pro Kilowattpeak.

Bei einer im Vergleich zu Peru signifikant niedrigeren Erzeugungsprognose und geringeren Stromabnahmetarifen müssten die Investitionskosten deutlich unter den öffentlich gemachten Angaben liegen, um eine marktübliche Rendite zu erzielen. Es ist zu vermuten, dass die Energiekonzerne bei den Finanzierungsbedingungen erhebliche Wettbewerbsvorteile haben. Die Kampfpreise von Enel dienen aber auch der Positionierung in Mexiko, dessen Solarmarkt nach den Energiemarktreformen erst jetzt richtig durchstartet. Die Entwicklung in Lateinamerika steht erst am Anfang. (Ulrich Kaltenbach)

AuktionInbetriebnahme/Vergebene PV-LeistungLandDurchschnittspreis(USD/MWh)
Jun 14Okt 16 / 94 MWEl Salvador109,68
Aug 15Dez 18/834 MWBrasilien84,20
Okt 15Jan 17/141 MWChile I71,20
Feb 16Dez18/184,5 MWPeru48,09
Apr 16Jul 18/1.796 MWMexiko I44,90
Aug 16Jan 21/337 MWChile II43,64
Sep 16Dez 18/400 MWArgentinien76,20
Sep 16Jun 19/1.823 MWMexiko II31,70
Quelle: Internet/Energieministerien/Eigene Berechnungen
Der Autor Ulrich Kaltenbach gründete die Kaltenbach Energy Consulting für die Beratung und Projektentwicklung rund um erneuerbare Energien in Lateinamerika. Er berät Technologielieferanten, Dienstleister, EPCs und Investoren beim Marktzugang.

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