Die erneuerbaren Energien haben 2015 bereits 12,5 Prozent des Primärenergiebedarfs in Deutschland gedeckt. Beim Bruttostromverbrauch erreichen sie fast ein Drittel. Dennoch stockt gerade bei der Photovoltaik und Biomasse der Zubau und mit der nächsten EEG-Novelle wird ein Abwürgen der Windkraft befürchtet. Daher kommen nun fast erstaunliche Töne aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das für die Reform verantwortlich ist. Der dortige Staatssekretär Rainer Baake fordert einen Paradigmenwechsel, um die Transformation des Energiesystems hin zu Effizienz und Erneuerbaren nicht nur zu einer klimapolitischen, sondern auch einer ökonomischen Erfolgsgeschichte zu machen.Baake schreibt in einem Gastkommentar in der „Zeit“: „Dabei geht es vor allem darum, Fehlinvestitionen zu vermeiden. Wir wollen den Umstieg bis 2050 schaffen, haben also noch dreieinhalb Jahrzehnte Zeit. Investitionen in fossile Strukturen mit einer Nutzungsdauer über 2050 hinaus führen zu ‚stranded assets‘ der beteiligten Unternehmen und werden uns in Zukunft zu teuren Reparaturmaßnahmen zwingen. Eine vorausschauende Modernisierungspolitik, die Lock-in-Effekte, spätere Kapitalvernichtung und Arbeitsplatzverluste vermeiden will, muss jetzt die Weichen richtig stellen. Effizienz und erneuerbare Energien sollten wir daher zum neuen Investitionsstandard erklären. Investitionen in fossile Strukturen müssen zur Ausnahme werden. Wir sollten sie nur noch in den Fällen tätigen, wo uns bislang technologische Alternativen fehlen oder diese unverhältnismäßig teuer sind. Die Umkehr des Regel-Ausnahmeverhältnisses, das ist der Paradigmenwechsel.“
Dem Stromsektor komme dabei eine Schlüsselstellung zu, da die Dekarbonisierung der anderen Sektoren nur mit einem verstärkten Stromeinsatz zu bewältigen sei. „All dies macht nur Sinn mit Strom aus CO2-freien erneuerbaren Quellen, allen voran Windkraft und Photovoltaik. In diese Technologien muss weiter investiert werden. Kraftwerksneubauten mit fossilen Brennstoffen haben eine Nutzungsdauer von 40 Jahren und mehr. Ein Umsteuern ist daher besonders dringlich, wenn wir Fehlinvestitionen, die weit über das Jahr 2050 hinausreichen und Lock-In-Effekte vermeiden wollen. Auf neue Kohlekraftwerke und Tagebauerweiterungen sollten wir daher verzichten. Gaskraftwerke mit vergleichsweise geringen CO2-Emissionen fallen unter die Ausnahmeregelung, weil wir sie als steuerbare Kraftwerke für die Versorgungssicherheit benötigen; allerdings wird der Brennstoff Erdgas in den nächsten Jahrzehnten durch CO2-freies, regenerativ erzeugtes Gas zu ersetzen sein“, schreibt Baake weiter.
Relativ neue Töne kommen auch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der als Stimme der konventionellen Energiewirtschaft gilt. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC veröffentlichte der Verband auf dem „Energy Transition Dialogue“ am Freitag die ersten Ergebnisse seiner Zukunftsstudie „Delphi Energy Futur 2040“.
Kernaussage ist, dass die erneuerbaren Energien bis 2040 die dominierende Rolle im weltweiten Energiemix einnehmen könnten. Zudem könnte ein „weltweites Klimaregime mit verbindlichen CO2-Zielen etabliert“ sein. Dabei sei der globale Umstieg auf die erneuerbaren Energie „nicht nur bezahlbar, sondern sogar wirtschaftlich attraktiv“, heißt es beim BDEW mit Verweis auf die Studienergebnisse, die am Montag offiziell veröffentlicht werden sollen. So eröffneten sich neue Geschäftsmodelle für Unternehmen. Menschen könnten ihren Strombedarf bald durch Eigenerzeugung, Speicher und intelligente Microgrids decken. Überschüssiger Strom könnte zum Nulltarif in den Verkehrs- und Wärmesektor fließen, so die Einschätzung der für die Zukunftsstudie befragten 350 Energieexperten aus 40 Ländern. Sie gehen auch davon aus, dass sich bis 2040 in Europa eine einheitliche Energiepolitik durchsetzen werde. (Sandra Enkhardt)
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