Gabriel: Keinen Welpenschutz für Erneuerbare mehr

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„Die Energiewende ist längst durchgesetzt und nicht rückholbar“, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf der 23. Handelsblatt Jahrestagung „Energiewirtschaft 2016“ am Dienstag in Berlin. Nun gehe es darum, Planbarkeit und Berechenbarkeit zu schaffen und die Kosten im Griff zu behalten. Den Strommarkt und die Energiewende in die richtigen Bahnen zu lenken, habe sich die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt und sei auf einem guten Weg, so Gabriel weiter. Die Grundkoordinaten seien dabei Atomausstieg, Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Es gehe nun darum, die erneuerbaren Energien in den Strommarkt zu integrieren, den Strommarkt fit für die Erneuerbaren zu machen und einen Infrastruktur zu schaffen, die dazu passt. „Diese drei Elemente müssen verzahnt werden, damit die Energiewende zu einem Erfolg wird“, so der Bundeswirtschaftsminister zur Eröffnung der Veranstaltung.

Einen großen Teil seiner Rede widmete Gabriel den Erneuerbaren. „Wir brauchen keinen Welpenschutz mehr für die Erneuerbaren“, sagte er mit Blick auf die anstehende EEG-Reform in diesem Jahr. Dafür gebe es keinen Grund mehr angesichts ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahren. Das EEG sei ein gutes Fundament für die Technologieentwicklung gewesen. Nun gehe es aber darum, dass sich die erneuerbaren Energien dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb stellten. Der erste Schritt dafür sei die Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung mit dem EEG 2014 gewesen. Früher habe er sich als ein politischer Bündnispartner der Erneuerbaren gesehen, so Gabriel weiter. Heute gehe es eher darum, wieder eine Rollendistanz zwischen Politik und Lobbyismus aufzubauen. Auch die Erneuerbaren hätten sich zu Verbänden zusammengeschlossen und deren Unternehmen versuchten, ihre Position am Markt zu optimieren. Sie kämpften dabei mit den gleichen Mitteln wie die Vertreter der konventionellen Energien und seien kaum von diesen zu unterscheiden.

„Die hohe Kostendynamik bei der Energiewende ist gebrochen“, sagte Gabriel mit Blick auf seine EEG-Novelle von 2014. Bei der Reform in diesem Jahr gehe es nun darum, das Fundament einer marktwirtschaftlichen Ausrichtung weiter zu stärken. Deshalb solle nach der Direktvermarktung nun die Umstellung auf Auktionen erfolgen. Ausschreibungen seien die „kostengünstigste Lösung“, so Gabriel weiter. „Die Politik gibt die Menge vor und der Markt bestimmt den Preis.“ Gabriel bestätigte den Kurs der Bundesregierung, künftig vor allem auf Windkraft und Photovoltaik setzen zu wollen. „Wir müssen jetzt konsequent sein und die marktwirtschaftliche Ausrichtung fortführen, da langfristig eine staatliche Lenkung bei den erneuerbaren Energien nur negative Auswirkungen hat“, so Gabriel weiter. Im vergangenen Jahr habe die Windkraft den deutlich unter dem Zielkorridor liegenden Photovoltaik-Zubau in etwa ausgleichen können. Es sei dabei vor allem ein Glücksfall gewesen, dass es sich dabei um die kostengünstige Windkraft an Land gehandelt habe. Für die Zukunft forderte er gerade für diese einen Mindestausbaukorridor, um den notwendigen weiteren Zubau bei den Erneuerbaren sicherzustellen. Allerdings bekräftigte er auch seine Auffassung, dass die Pilotausschreibungen bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen ein großer Erfolg sind. Er machte dies erneut an den Runde für Runde gesunkenen Preisen fest.

Gabriel betonte: „Wir müssen bei der Energiewende den Rucksack der hohen Kosten aus der Vergangenheit weiter mittragen.“ Er reagierte damit auf Äußerungen des CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs aus der vergangenen Woche, der vom Bundeswirtschaftsminister Sofortmaßnahmen forderte, damit die Energiewende nicht zu einem finanziellen Desaster würde. Aus Sicht des SPD-Vorsitzenden biete die Energiewende in Deutschland auch die Chance eine nachhaltige Wirtschaft zu befördern. Das Gespenst einer Deindustrialisierung Deutschlands durch den Ausbau der Erneuerbaren wies er zurück.

Einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien – also eine Öffnung des Zielkorridors bis 2025 einen Anteil von 40 bis 45 Prozent zu erreichen – lehnte Gabriel in seiner Rede ab. „Die Schere zwischen Erneuerbaren und Netzausbau darf nicht weiter auseinandergehen“, sagte er. Schon jetzt lägen die Redispatchkosten – also die Ausgaben zur Stabilisierung der Stromnetze – bei etwa 1,0 Milliarde Euro und würden in diesem Jahr wohl auf 1,5 Milliarden Euro weiter steigen. Nach Ansicht von Gabriel drohten gerade die Netzentgelte zum künftigen Preistreiber für Strom zu werden. „Es geht nicht darum, die Erneuerbaren auszubremsen. Die Ausbaukorridore müssen eingehalten werden“, sagte der Bundeswirtschaftsminister. „Wir würden die Energiewende diskreditieren, wenn die Schere zwischen Erneuerbaren und Netzausbau noch weiter auseinander geht.“ Ein wichtiger Schritt sei dabei auch, dass künftig verstärkt auf Erdkabel gesetzt werden soll. Dies könnte nun für einen zügigen Ausbau sorgen. Zudem sei er froh, dass der „elendige Streit“ mit Bayern über den Bau der Nord-Südtrassen beigelegt sei.

Mit Blick auf die Zukunft der Kohle kündige Gabriel an, dies sachlich beraten zu wollen. Es dürfe „keine politischen und öffentlichen Erdbebenwellen“ geben, sondern es gehe mit Blick auf den Klimaschutz darum, eine Lösung zu finden. Er wolle dazu die Vertreter an einen Tisch holen. „Von einem Masterplan halte ich nichts“, so Gabriel weiter. Er kündigte zugleich an, dass er sich in diesem Jahr verstärkt darum kümmern wolle, dass der europäische Emissionshandel besser in Gang komme. Danach müsste auch über die wirtschaftlichen Konsequenzen diskutiert werden. Es dürfe beim Klimaschutz allerdings keine einseitige Debatte geben. „Wir dürfen die Bereiche Verkehr und Wärme nicht vergessen und nicht nur Druck auf den Stromsektor aufbauen“, sagte Gabriel.

Im zweiten Teil seiner Rede verteidigte der Bundeswirtschaftsminister vor den etwa 1800 Vertretern, überwiegend aus der konventionellen Energiewirtschaft, seine Entscheidung beim Strommarktdesign nicht auf Kapazitätsmärkte zu setzen. Eine Neuausrichtung mit flexiblen Kraftwerken sei dringend geboten. „Wir können aber nicht bei den erneuerbaren Energien massiv kürzen und dann Kapazitätsmärkte einführen“, sagte Gabriel. Die Energiewende sieht er als „beispiellosen Umbruch“. Aber obwohl die erneuerbaren Energien mittlerweile führend im Stromsektor seien, bräuchte Deutschland auch künftig noch fossile Grundlastkraftwerke. (Sandra Enkhardt)

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