Claudia Kemfert (Foto), Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, hat sich in der wieder aufgeflammten Diskussion über die Kosten der Energiewende in Deutschland eingemischt. „Was die Gespensterdebatte um angebliche Kosten und Strompreise vornehmlich verschweigt: Bei den genannten 24 Milliarden Euro handelt es sich nicht um Kosten im klassischen Sinne, sondern um Investitionen, die in der deutschen Volkswirtschaft Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen“, schreibt die Wissenschaftlerin in einem am Mittwoch veröffentlichen Kommentar. Sie kritisiert das Bundeswirtschaftsministerium, dass sich „auch dieses Mal dieser hysterischen Debatte“ anschließe.
Vor knapp einer Woche hatte der CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs vor einem „finanziellen Desaster“ bei der Energiewende gesprochen und Sofortmaßnahmen verlangt. Kemfert sieht die schnellstmögliche Abschaffung der Einspeisevergütung für erneuerbare Energien und die Umstellung auf Ausschreibungen, wie sie das Bundeswirtschaftsministerium mit der EEG-Reform in diesem Jahr plant, als eine direkte Reaktion auf die Kostendebatte. Sie verweist darauf, dass sich schon in anderen Ländern gezeigt habe, dass Ausschreibungen nicht automatisch den Preis für erneuerbare Energien und somit die Kosten senken würden.
Nach Ansicht von Kemfert ist auch der Strompreis nicht als Indikator für die Kosten der Energiewende geeignet. „Die Strom-Börsenpreise, die immerhin ein Fünftel des Endkundenpreises ausmachen, sind sehr niedrig, sie werden jedoch nur selten an die Stromkunden weitergegeben. Der Strompreis steigt vor allem deswegen, weil der Kohle-Lobby Subventionsgeschenke in Milliardenhöhe gemacht wurden. Die wahren Energiekosten – Tsunamis entstehen ohnehin woanders: durch Altlasten der Atomenergie, Umweltverschmutzung und den Klimawandel“, schreibt sie weiter. Zudem würden die Kritiker der teuren Energiewende in Deutschland gern vergessen, dass auch Atom und Kohle über Jahrzehnte mit sehr hohen Beträgen subventioniert worden seien. Diese summierten sich auf einen dreistelligen Milliardenbetrag und dort seien die Kosten für den Rückbau und die Endlagerung noch nicht enthalten. Anders als bei der Energiewende sind diese Kosten aber nicht auf die Strompreise umgewälzt worden.
„Durch die Energiewende werden weniger fossile Energien importiert, dies hat die Energiekosten im letzten Jahr um circa 15 Milliarden Euro gesenkt“, schreibt Kemfert. Weitere Milliarden ließen sich einsparen, wenn man auf konsequentes Energiesparen setzen würde. Je niedriger Preis und Verbrauch, umso geringer die Energiekosten, so die einfache Rechnung. Der derzeit niedrige Ölpreis sei für die Energiewende hinderlich. Damit drohe der Umstieg auf erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität und Energieeffizienz verschoben zu werden. „Das verteuert den Prozess maßgeblich“, so die DIW-Wissenschaftlerin. Langfristig seien die fossilen Energien aber keine Option und auch ein Umbruch braucht Zeit, weshalb die heutigen Investitionen elementar seien – auch und gerade für die Zukunft. „Je länger wir sie verschieben, desto teurer wird es tatsächlich. Nicht die Energiewende an sich ist teuer, sondern eine hysterische Kosten-Strompreis-Debatte macht sie teuer: Abrupte Änderungen in der Energiepolitik gefährden den Erfolg, sind ineffizient und teuer. Eine kluge Energiewende schafft hingegen eine langfristig nachhaltige Energieversorgung“, so das Fazit von Claudia Kemfert. (Sandra Enkhardt)
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