Frankfurt auf dem Weg zur erneuerbaren Selbstversorgung

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Energiepolitik wird zu einem großen Teil im Bund gemacht. Dort wird derzeit viel diskutiert, wie dezentral ein künftiges Energiesystem sein sollte. Es sieht dort zwar so aus, als ob nach wie vor die Vertreter eines eher zentralistischeren Systems die besseren Karten haben, sei es nur gerechtfertigt oder nicht. Doch die Dynamik aus den Städten könnte diese Entscheidungen überrollen. Nach den Worten von Gerhard Stryi-Hipp ist es ein bemerkenswertes Phänomen, dass in den letzten Jahren Kommunen zunehmend die Verantwortung zur Energieversorgung zurückholen, die sie vorher abgegeben haben. Gerhard Stry-Hipp leitet am Fraunhofer Institut für Solare Energieysteme ISE die Abteilung Energiepolitik und hält die Dynamik bei den Stadtwerken für „hilfreich“, dass sich dezentralere Systeme durchsetzen können.

Eine dieser agilen Städte könnte Frankfurt am Main werden. Die Stadt hat beschlossen, sich bis 2050 rein regenerativ zu versorgen. Das geht auf mehrerlei Arten. Ähnliches hat zum Beispiel auch schon die Stadt München beschlossen, allerdings nur bezogen auf den Strom und nicht regional. Dort wird in europäische On- und Offshore-Windkraftanlagen investiert, nur 30 Prozent sollen direkt aus München kommen. Anders in Frankfurt. Die Stadt möchte nicht nur den Strom, sondern auch die Wärme und den regionalen Verkehr regenerativ decken und zwar aus der Region. Das Fraunhofer ISE hat durchgerechnet, wie das am kostengünstigten gehen kann. Es sei wichtig, um so genannte Log-In-Effekte zu vermeiden, so Stry-Hipp. Diese treten auf, wenn eine Stadt in die Technologien investiert, die derzeit vermeintlich am billigsten sind. Daher sei ein Gesamtkonzept nötig. So sei es etwa nicht sinnvoll, das Nahwärmenetz auszubauen, wo gleichzeitig nur noch Passivhäuser gebaut werden.

Strom für 12 Cent in Frankfurt

Für Frankfurt kommt heraus, dass eine solche regenerative Versogung möglich ist. Die Stromgestehungskosten würden bei nur 12 Cent pro Kilowattstunde liegen (das sind wohlgemerkt nicht die Stromkosten für die Verbraucher). Bei dieser Rechnung nimmt das ISE Kosten für die Investition in die einzelnen Energieträger an, Abschreibungsdauern und Finanzierungskosten, bei denen nartürlich eine gewisse Unsicherheit besteht.

Diese 12 Cent sind zwar mehr als die derzeitigen Stromgestehungskosten, die eher zwischen vier und acht Cent liegen dürften. Institutsleiter Eicke Weber legt aber Wert darauf, dass jeder Kostenvergleich mit einem konventionellen Energiesystem davon abhängt, was man für eine Kostenentwickliung für Strom und Gas annimmt. Derzeit seien die Preise sehr niedrig, aber niemand könne deren Entwicklung wirklich vorhersehen. Außerdem fände bei dem erneuerbaren Energiesystem mehr Wertschöpfung in der Region statt. „Das ist wie ein Konjunkturprogramm“, sagt er. Die Kosten hielten sich sowieso im Rahmen. Eineähnliche Rechnung für ganz Deutschland habe außerdem ergeben, dass die Kosten für den Übergang bei zehn bis zwanzig Milliarden Euro pro Jahr lägen. Das sei etwa so viel wie derzeit jährlich an EEG-Umlage gezahlt werde und angesichts der Summen, die insgesamt ausgegeben würden, nicht viel.

Energie aus dem Rhein-Main-Gebiet und aus Hessen

Was die Anteile der einzelnen Energieträger angeht, kommen bei dem kostengünstigsten Szenario des ISE im Jahr 2050 rund ein Drittel des Stroms aus Photovoltaik-Anlagen mit zusammen zwei Gigawatt installierter Leistung, ein weiteres Drittel aus Windkraftanlagen. Zehn Prozent des Strom würde von zugekauft, da diese zehn Priozent der „schwierigste Teil“ sind. Ohne diesen Zukauf würden die Kosten auf rund 20 Cent pro Kilowattstunde steigen. Insofern ist auch in einem dezentralen Energiesystem ein zentrales Netz nötig, nur mit anderen Aufgaben wie heute. Übrigens auch nicht mit allen geplanten Stromtrassen. Stry-Hipp hält auch die umstrittene Nord-Süd-Trasse für vermeidbar, die insbesondere Horst Seehofer torpediert. Allerdings dürfe man dazu nicht wie derzeit in Bayern den Windenergieausbau bremsen.

Ergebnis für das kostengünstigste Energiesystem für Frankfurt in 2050. Grafik ISE

In dem Szenario decken städtische Energiequellen 30 Prozent des Strombedarfs (hauptsächlich Photovoltaik, kaum Windkraft) und 31 Prozent des Wärmebedarfs. Der Rest kommt aus dem Rhein-Main-Gebiet und aus dem Bundesland Hessen. Dabei haben die ISE-Simulateure angenommen, dass 50 Prozent des Potenzials für erneuerbare Energien des Rhein-Main-Gebiets für Frankfurt zur Verfügung stehen und 11,6 Prozent des Potenzials von Hessen. Die 11,6 Prozent sind nicht willkürlich gewählt, sondern entsprechen dem Bevölkerungsanteil Frankfurts.

Im Mai wird der Magistrat von Frankfurt über das Konzept entscheiden. Dann könne das Fraunhofer ISE Vorschläge für die konkreten Schritte machen. Das ist eine noch komplexere Aufgabe wie die Berechnung eines fertigen Energiesystems. Dazu muss zum Beispiel berücksichtigt werden, was an Energieinfrastruktur derzeit besteht, wann die Lebensdauer von einzelnen Anlagen abläuft.

Entscheidungsweg für ein neues Energiesystem einer Stadt, wie ihn das Fraunhofer ISE vorgestellt hat. Bei den grauen Feldern sieht es seine eigene Expertise, die man kaufen kann. Grafik: Fraunhofer ISE

Eine andere Herausforderung dürfte sein, die geplante Energieinfrastruktur umzusetzen. So soll ja nicht die Stadt die ganzen Anlagen bauen, sondern sie muss die Mitbürger und Unternehmen dazu bewegen, die entsprechenden Investitionen zu tätigen. Die Rahmenbedingungen dafür werden wiederum zum Teil im Bund beschlossen. Das gelte für manche Maßnahmen, sagt Gerhard Stry-Hipp, aber nicht für alle. Insbesondere bei der Infrastruktur habe die Stadt etliche Möglichkeiten. (Michael Fuhs)

Die nächstepv magazine Printausgabe, die im Juni erscheint, wird detailliert über die Schritte in die neue Energiewelt berichten.

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