Stichproben zur Leistungskontrolle

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(Teil 1 "Leistungsbestimmung von PV-Modulen" finden Sie in der Ausgabe September 2014 im Heftarchiv)
Bei einer Lieferung von Photovoltaikmodulen sind Handelshäuser oder Installationsbetriebe oft mit der Frage konfrontiert, wie sie die Leistungsspezifikation der Gesamtheit von Photovoltaikmodulen überprüfen können. Für eine angenommene Anlagengröße von einem Megawatt und 250 Wattpeak für die Solarmodul-Nennleistung besteht die Lieferung immerhin aus 4.000 Modulen. Bei solchen Lieferumfängen ist klar, dass keine 100-Prozent-Prüfung durchgeführt werden kann. Dann müssen Stichproben getestet werden. Die Messergebnisse der Stichprobenprüfung bilden anschließend die Grundlage für die Abnahme oder auch Zurückweisung der Ware.

Allerdings stellen sich hier grundlegende Fragen: Wie groß soll zum Beispiel der Stichprobenumfang gewählt werden? Oder: Wie repräsentativ sind die erhaltenen Messergebnisse für die Gesamtheit der PV-Module? Aus diesen beiden Fragen wird bereits deutlich, dass man sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Wahrscheinlichkeitsrechnung und der Statistik beschäftigen muss, um belastbare Ergebnisse zu erhalten.

In der Praxis gibt es heute leider sehr unterschiedliche Vorgehensweisen zur Prüflingsauswahl, die auch nicht immer statistisch begründet sind. Letztlich stellt sich dann die Frage nach dem Nutzen aus Sicht des Abnehmers, da die Gefahr besteht, dass der Lieferant die Ergebnisse nicht anerkennt. Somit muss eine Stichprobenprüfung auch immer eine vertragliche Vereinbarung zwischen Abnehmer und Lieferant sein, die klar regelt, wann eine Lieferung als konform beziehungsweise als nicht konform gilt. Normalerweise werden Stichprobenprüfungen nach DIN ISO 2859 durchgeführt. Der Norm liegt die Annahme zugrunde, dass keinerlei Informationen zu der Lieferung vorliegen. Für typische Liefermengen von PV-Modulen bei Megawattanlagen liegen die Stichprobenumfänge dann im Bereich zwischen 200 und 500 Modulen. In diesem Artikel wird eine Methode zur statistischen Qualitätskontrolle vorgestellt, die als Informationsquelle die Flashliste des Modulherstellers nutzt, um zum einen den Stichprobenumfang zu reduzieren und zum anderen die Verlässlichkeit der Herstellermessung zu bewerten.

Leistungsangabe aus Sicht des Modulherstellers

Um eine geeignete Prozedur für die Stichprobenprüfung zu entwerfen, muss man zunächst betrachten, wie Hersteller die Leistung spezifizieren. Diese Spezifikation muss berücksichtigen, dass die Herstellung von Modulen einer gewissen Fertigungsstreuung unterliegt. Sie ist abhängig von Materialtoleranzen der verwendeten Komponenten (zum Beispiel der Solarzelle) und der Verarbeitungsqualität (zum Beispiel bei der Lötung). Am Ende der Produktionskette wird eine Leistungskontrollmessung durchgeführt, und die auf Standardtestbedingungen korrigierten Leistungsmesswerte der Einzelmodule werden in der sogenannten Flashliste gespeichert. Diese Flashliste bildet die Grundlage für die Sortierung der PV-Module in Leistungsklassen. Bei kristallinen PV-Modulen sind die Leistungsklassen in der Regel in Fünf-Watt-Schritten abgestuft. Aus den Datenblättern von PV-Modulen ergeben sich zwei unterschiedliche Sortierpraktiken:
1. Plus-Minus-Sortierung: Der Nennleistungswert für den Modultyp liegt in der Mitte des Intervalls. Die untere Spezifikationsgrenze ist die Nennleistung minus den Toleranzwert (Beispiele: 240 Wattpeak +/-3 % oder 240 Wattpeak +/-5 Wattpeak). Nennleistungsangabe und Toleranzwert müssen sowohl die Fertigungsstreuung als auch die Mess­unsicherheit des Modulherstellers berücksichtigen. Letztere liegt normalerweise im Bereich von ±3 % bis ±5 % (siehe Teil 1 der Serie in pv magazine, September 2014).
2. Plus-Sortierung: Der Nennleistungswert für den Modultyp ist als Mindestleistung zu verstehen und bildet gleichzeitig die untere Spezifikationsgrenze (Beispiel: 240 Wattpeak -0 %/+5 %). Die Nennleistungsangabe muss lediglich die Messunsicherheit des Modulherstellers berücksichtigen.

Durch die Sortierung der Module in Leistungsklassen wird die Gesamtverteilung der Leistungswerte in der Produktion in verschiedene Bereiche zerlegt, die jeweils einem Nennwert zugeordnet sind. Die Zahl der Leistungsklassen wird von der Fertigungsstreuung und der Sortierschrittweite bestimmt, so dass das Datenblatt des Modulherstellers in der Regel mehrere Leistungsklassen umfasst. Je nachdem wo die Unterverteilung für eine Leistungsklasse aus der Gesamtverteilung der Fertigung herausgeschnitten wurde, fallen die Bereichsgrenzen sprunghaft ab. Die Kurvenformen der Pmax-Verteilungen verschiedener Leistungsklassen unterscheiden sich außerdem deutlich.

Beurteilung der gelieferten Leistung

Dieser Artikel zeigt anhand von zwei realen Modulchargen verschiedener Hersteller – mit jeweils mehr als 10.000 Modulen –, wie eine statistische Betrachtung aussieht und welche Schlüsse gezogen werden können. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Pmax-Verteilungen der beiden Modultypen, die aus den Flashdaten der Hersteller berechnet wurden. Die beiden Datensätze werden für die nachfolgenden statistischen Untersuchungen mit A und B bezeichnet. In beiden Fällen liegt eine Plus-Sortierung zugrunde mit 245 beziehungsweise 255 Watt Nennleistung. Die Hersteller geben somit an, dass alle Module oberhalb der spezifizierten Nennleistung liegen. Die Frage stellt sich nun, welcher Modultyp aus Kundensicht das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Darauf können die Flashlisten einen ersten Hinweis geben. Verglichen mit dem Nennleistungswert liefert die Flashliste von Modultyp B gegenüber dem Modultyp A eine 0,8 Watt höhere mittlere Modulleistung. Modultyp B hat somit entsprechend der Flashliste eine „günstigere“ Verteilung der Leistungswerte.

Für die Überprüfung der Leistungseigenschaften einer Modullieferung ist neben der mittleren Modulleistung die untere Spezifikationsgrenze ein entscheidender Parameter, wenn die Qualität beurteilt werden soll. Ein Solarmodul gilt als nicht konform, wenn die von einem unabhängigen Prüflabor gemessene Leistung unterhalb der Leistungsspezifikation liegt.

Aus Sicht des Abnehmers interessieren nun zwei Kernfragen:
1. Wie hoch ist die tatsächliche mittlere Modulleistung der Lieferung? Dieser Wert bestimmt die Leistung der PV-Anlage und sollte möglichst weit oberhalb der Nennleistung liegen.
2. Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Module mit Leistungswerten unterhalb der Leistungsspezifikation in der Lieferung enthalten sind?

Bei der Beantwortung helfen stichprobenbasierte Messungen weiter. Eine bestimmte Menge von PV-Modulen wird der Lieferung entnommen (Stichprobenumfang) und in einem unabhängigen Prüflabor gemessen. Die Messunsicherheit des Labors ist allerdings zugunsten des Herstellers auf den gemessenen Leistungswert zu addieren.

Abbildung 3 veranschaulicht die verschiedenen Lagemöglichkeiten der Labormessung gegenüber der Leistungsspezifikation. Nur im Fall e) erfüllt das Modul die Leistungsspezifikation nicht.

Parameterschätzung

Bei Stichprobenmessungen muss beachtet werden, dass das Messergebnis verschiedener Zufallsstichproben zu anderen Mittelwerten sowie Standardabweichungen führt, die stark variieren können. Dies veranschaulicht Abbildung 4, die das Ergebnis von 25 Zufallsstichproben aus dem Datensatz B für einen Stichprobenumfang von fünf Modulen zeigt.

Was haben diese Stichproben nun miteinander zu tun? Diese Frage beantwortet die angewandte Statistik mit der sogenannten Parameterschätzung. Sie verfolgt das Ziel, aus einer zufälligen Stichprobe einen Schätzwert für den „wahren“ Mittelwert der Modulleistung für den gesamten Lieferumfang zu gewinnen. Hierzu wird in der Praxis ein sogenannter Vertrauensbereich um den berechneten Mittelwert der Zufallsstichprobe definiert, der den „wahren“ Mittelwert der gesamten Liefermenge mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit einschließt. Für technische Anwendungen wird dazu üblicherweise eine Vertrauenswahrscheinlichkeit von 95 Prozent angenommen.

Die Berechnung der Breite des Vertrauensbereiches erfolgt nach dem zentralen Grenzwertsatz der Statistik, der besagt, dass für einen Stichprobenumfang n>30 die Mittelwerte verschiedener Stichproben in guter Näherung um den „wahren“ Mittelwert der Lieferung normalverteilt sind, gleichgültig welche Form die Pmax-Häufigkeitsverteilung der gesamten Lieferung hat. Dies ist in Abbildung 5 veranschaulicht: Der „wahre“ Mittelwert der Gesamtheit liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent in dem durch die Gleichungen 3 und 4 berechneten Intervall. Hierbei sind n der Umfang der Stichprobe,  der Stichprobenmittelwert (Gleichung 1), s die Standardabweichung (Gleichung 2) und t95 der sogenannte Student-Faktor aus der Tabelle. Der Student-Faktor t95 ist ein Sicherheitsfaktor, der bei kleinen n die Abweichung der empirischen Verteilung der Stichprobenmittelwerte von der Normalverteilung berücksichtigt. Für große n nähert sich t95 asymptotisch dem Wert der Normalverteilung.

Abbildung 6 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Pmax-Mittelwerte von 1.000 Zufallsstichproben aus der Flashliste von Datensatz B. Der Stichprobenumfang variiert dabei (5, 10, 30 und 100 Module). Mit wachsendem Stichprobenumfang wird die Verteilung immer schmaler und die nach Gleichung 2 berechnete Standardabweichung s kleiner. Diese kann als Maß für die Repräsentativität der Stichprobe herangezogen werden. Für einen Stichprobenumfang von 100 Modulen ergibt sich beispielsweise ein Wert s=0,14 Watt. Das bedeutet, dass die Differenz zwischen dem Pmax-Mittelwert der Zufallsstichprobe und dem „wahren“ Mittelwert der Gesamtheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent weniger als ±0,28 Watt beträgt. Für eine Bandbreite der Pmax-Verteilung von fünf Watt kann man somit schließen, dass ein Stichprobenumfang ist größer gleich 100 zu einer repräsentativen Stichprobe führt, bei der die betrachtete Differenz im Intervall ±0,3 Watt liegt.

Die zu einer Modullieferung gehörige Flashliste lässt sich nun dazu verwenden, aus der Gesamtheit aller PV-Module eine Zufallsstichprobe auszuwählen. Da zufällig ausgewählte PV-Module jedoch über verschiedene Verpackungseinheiten verteilt wären, ist es in der Praxis nicht zweckmäßig, einzelne Module daraus zu entnehmen. Viel zweckmäßiger ist die Auswahl vollständiger Verpackungseinheiten, die dann für die Kontrollmessung direkt zum PV-Prüflabor gesendet werden können. Das vermindert auch das Risiko, die Module durch das Handling zu beschädigen. Anhand der Flashliste können nun alle Kombinationen von Verpackungseinheiten rechnerisch durchsimuliert werden. Diejenige Kombination gilt als optimale Stichprobe, deren Leistungsmittelwert und Standardabweichung die geringste Abweichung zum gesamten Lieferumfang aufweisen.

Signifikanz der Labormessung

Die Signifikanzprüfung soll die Frage beantworten, ob die PV-Module in der Produktion korrekt gemessen wurden und ob die Stichprobe die Leistungsspezifikation erfüllt. Dies soll am Beispiel einer Stichprobenmessung von 100 Modulen aus dem Datensatz A untersucht werden. Die untere Leistungsspezifikation des Modultyps entspricht wegen Plus-Sortierung dem Nennleistungswert 255 Watt. Weiterhin wird für die Leistungskontrollmessung eine Labormessunsicherheit von ±2 % angenommen, so dass die gemessenen Leistungswerte in der Stichprobe um 5,0 Watt zugunsten des Herstellers korrigiert werden müssen.

Abbildung 7 zeigt die Häufigkeitsverteilung der Stichprobenmesswerte des Labors: Der Mittelwert beträgt 255,2 Watt und liegt damit knapp oberhalb der Nennleistung. Ferner kann festgestellt werden, dass bei Hinzurechnung der Labormessunsicherheit alle Module die Leistungsspezifikation erfüllen und die Lieferung somit angenommen werden kann.

Zur Bewertung der Qualität der Herstellermessung werden die Messdifferenzen di zwischen der Labormessung und der Herstellermessung statistisch ausgewertet. Für die 100 Module der Stichprobe zeigt Abbildung 8 die berechnete Häufigkeitsverteilung. Im Mittel beträgt die Messdifferenz = -1,62 Watt bei einer Standardabweichung sd = 1,02 Watt. Für eine Normalverteilungsannahme würden somit 95 Prozent der Werte innerhalb eines Intervalls liegen, dessen Breite dem Mittelwert plus/minus der zweifachen Standardabweichung entspricht, also -3,64 Watt bis +0,40 Watt.

Aus dieser Betrachtung lässt sich nun die folgende Entscheidungsregel ableiten: Die Lieferung wird angenommen, wenn die untere Grenze des 95-Prozent-Vertrauensbereiches der Messabweichungen di im Betrag (hier 3,64 Watt) die Pmax-Mess­unsicherheit des Labors (hier 5,0 Watt) nicht übersteigt. Dann ist für Module, die bei der Herstellermessung an der unteren Leistungsgrenze liegen (hier 255 Watt), sichergestellt, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent bei der Labormessung keine Minderleistung aufweisen.

Fazit

Zur Überprüfung der Modulqualität hinsichtlich der elektrischen Leistung können Methoden der angewandten Statistik genutzt werden. Liegen keine Informationen des Herstellers zu den Leistungsdaten der gelieferten Solarmodule vor, sollte eine Stichprobenprüfung nach DIN ISO 2859 durchgeführt werden. Das betrifft auch die Leistungsüberprüfung von bereits installierten Modulen. Hier kann es Abweichungen zum Ursprungszustand infolge der verschiedensten Degradationsmechanismen geben.

Der Stichprobenumfang kann gegenüber DIN ISO 2859 deutlich gesenkt werden, wenn die Flashliste des Herstellers verwendet wird. Um eine Aussage über die mittlere Leistung der Lieferung zu erhalten, kann eine Parameterschätzung durchgeführt werden, die ein 95-Prozent-Vertrauensintervall für den Mittelwert des Lieferumfangs angibt. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass der Umfang der Zufallsstichprobe mindestens 100 Module betragen sollte, um ein möglichst schma­les Vertrauensintervall zu erhalten. Für eine Plus-Sortierung mit Fünf-Watt-Schrittweite der Leistungsklassen weicht der aus der Flashliste berechnete Stichprobenmittelwert dann weniger als ±0,3 Watt vom Mittelwert der Gesamtheit ab. Diese Abweichung liegt im Bereich ±0,1 % bezogen auf die Nennleistung von handelsüblichen kristallinen Photovoltaikmodulen.

Die Qualität der Lieferung kann anhand der Häufigkeitsverteilung der gemessenen Differenzen zwischen Prüflabormessung und der Herstellermessung (Flashliste) bewertet werden. Die Leistungsspezifikation gilt als erfüllt, wenn die untere Grenze des 95-Prozent-Vertrauensintervalls der Differenzwerte unterhalb der Labormessunsicherheit liegt.

Da auf dem Transportweg zwischen Modulproduktion und Prüflabor Modulschäden auftreten können, sollte die Stichprobenmessung auch eine Elektrolumineszenzaufnahme der Module beinhalten, um mögliche Defekte an den Zellen zu erkennen und mit dem Auslieferungszustand vergleichen zu können.

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