Klimaschutz beerdigt – Kohlekraft forever!

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Bereits die Inhalte des Koalitionsvertrags ließen für die Energiewende nichts Gutes hoffen. Nun hat Energieminister Gabriel in einem Eckpunktepapier seine Ideen für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien vorgestellt. Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag wird der Klimaschutz hier nicht einmal mehr erwähnt. Stattdessen werden die Weichen für eine langfristige Sicherung der Kohlekraft in Deutschland gestellt. Sämtliche Klimaschutzversprechen oder der Wunsch im SPD-Wahlprogramm nach einem schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien werden damit wohl endgültig beerdigt. Immerhin begeht Minister Gabriel hier nicht einmal Wortbruch. Bereits im Wahlkampf hatte er der Kohle noch eine jahrzehntelange Zukunft in Aussicht gestellt.

Die Begrenzung des Strompreisanstiegs soll die Rechtfertigung für eine Vollbremsung bei der Energiewende liefern. Dabei musste in den Niederlanden gerade erst kürzlich eine Aluminiumhütte schließen, weil sie durch die niedrigen deutschen Strompreise nicht mehr konkurrenzfähig war. Die Industriestrompreise in Deutschland sind so niedrig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Dafür wurden die Haushaltsstrompreise künstlich nach oben getrieben, um den nötigen öffentlichen Druck für ein Ausbremsen der Energiewende zu erzeugen.

Dabei ist Solarstrom weltweit inzwischen so preiswert geworden, dass er in vielen Regionen bereits mit neuen konventionellen Kraftwerken konkurrieren kann. Die Deutsche Bank attestierte daher kürzlich der Photovoltaik eine langanhaltende Boomphase. Durch die stark gefallen Kosten für Solaranlagen würde auch ein sehr schneller und planvoller Ausbau erneuerbarer Energien die Strompreise in Deutschland nur noch vergleichsweise wenig steigen lassen. Stattdessen soll der Neubau von Photovoltaikanlagen in Deutschland von 7,5 Gigawatt im Jahr 2012 über 3,3 Gigawatt 2013 auf 2,5 Gigawatt eingedampft werden. China plant für das Jahr 2014 rund die fünffache Installationsmenge. So verlieren wir nicht nur den Anschluss beim Klimaschutz sondern auch unsere Vorreiterrolle bei den Zukunftstechnologien.

Der Zubau von Windkraftanlagen an Land soll ebenfalls deutlich reduziert werden. Auch hier muss das Kostenargument zur Begründung herhalten. Dabei liefern Windkraftanlagen an Land die mit Abstand kostengünstigste Möglichkeit der Stromerzeugung. Die mehr als doppelt so teure Offshore-Windkraftnutzung im Meer wird hingegen weiter hochgefahren. Schließlich soll der Ausbau der Biomassenutzung fast komplett eingestellt werden.

Sämtliche Maßnahmen tragen unübersehbar die Handschrift der Energiekonzerne, um so die ungeliebte regenerative Konkurrenz in Zaum zu halten. Und damit die Energiekonzerne zu ihrer alten Stärke zurückfinden können, soll auch gleich noch der Marktzugang für kleine Akteure deutlich erschwert und eine Energieversorgung in Bürgerhand gleich mit beerdigt werden.

Wenn die von Gabriel vorgestellten stark reduzierten Ausbauziele für erneuerbare Energien tatsächlich umgesetzt werden, muss zur Sicherstellung der Stromversorgung die Menge an fossilem Strom in Deutschland über die nächsten 15 Jahre konstant bleiben. Wird danach der Zubau erneuerbarer Energien nicht deutlich hochgefahren, könnten erneuerbare Energien nie mehr als Hälfte der deutschen Stromversorgung decken – Kohlekraft forever. Die Energiekonzerne haben schon mal ihren Sekt kalt gestellt. Wie eine Politik, die ausschließlich dazu dient, den Energiekonzernen ihre Macht zu erhalten, den Klimaschutz mit Füßen tritt und Zukunftstechnologien kampflos an internationale Wettbewerber abgibt, helfen soll, der SPD zur neuen Stärke zu verhelfen ist schleierhaft. Herr Gabriel: Es steht viel auf dem Spiel: für Ihre Partei, für Sie, für unser Land und vor allem für unsere Kinder. So werden Sie nicht gewinnen. Und in Deutschland gibt es genügend verantwortungsbewusste Menschen, die sich nicht mehr von der hemmungslosen Lobbypolitik zugunsten der Energiekonzerne an der Nase herumführen lassen. Wir werden verhindern, dass unsere Kinder zu den ganz großen Verlieren zählen.

Volker Quaschning ist seit April 2004 Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin und heute dort Sprecher für den Studiengang Regenerative Energien. Der studierte Elektrotechniker promovierte 1996 an der TU Berlin über Photovoltaiksysteme und schloss 2000 seine Habilitation über eine klimaverträgliche Elektrizitätsversorgung in Deutschland ab. Er hat inzwischen mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben, betreibt das Informationsportalwww.volker-quaschning.de zu erneuerbaren Energien und Klimaschutz und ist gefragter Redner und Interviewpartner.

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