Weitreichende Reaktionen auf EU-Beihilfeverfahren

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Die Reaktionen auf dieEröffnung des Beihilfeverfahrens wegen der Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage waren vorhersehbar. Je nach Perspektive reichen sie von Zustimmung bis Warnungen vor dem Zusammenbruch ganzer Industriezweige. Beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) ist man vor allem damit zufrieden, dass die EU-Kommission das Vergütungssystem für Photovoltaik, Windkraft und Biomasse als rechtskonform anerkannt hat. "Es ist gut, dass die EU-Kommission heute die Systematik der EEG-Vergütungen bestätigt hat. Jedoch befindet sie sich mit der Behauptung, das Gesetz falle unter die Beihilferichtlinie, im klaren Widerspruch zur geltenden Rechtsprechung", so BEE-Geschäftsführer Hermann Falk. Auch bei Greenpeace zeigt man sich ob des Verfahrens wenig überrascht. „Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat diesen Schritt selbst verschuldet. Sie hat mit ihren ausufernden Industrieprivilegien bei der Ökostrom-Umlage unnötig die Energiewende gefährdet. Die neue Bundesregierung muss nun die Industrieausnahmen so verringern, dass das EEG als wichtigstes Instrument der Energiewende aus der Schusslinie gerät“, kommentiert Greenpeace-Sprecher Tobias Austrup die Entscheidung aus Brüssel.

Im neu geschaffenen Wirtschafts- und Energieministerium, das SPD-Chef Sigmar Gabriel nun führt, gibt man sich gelassen. „Aus Sicht der Bundesregierung stellen die EEG-Förderung und die Ausnahmeregelungen für stromintensive Unternehmen keine Beihilfen dar und sind mit EU-Recht vereinbar“, heißt es in einem offiziellen Statement. Die Bundesregierung werde dies auch auf europäischer Ebene deutlich machen. Im Zuge der bereits angekündigten zügigen Reform des EEG werde die Bundesregierung auch die Entlastungen für die stromintensive Betriebe neu gestaltet. Wegen der Reform des EEG und der Besonderen Ausgleichsregelung befinde sich die Bundesregierung bereits „in einem intensiven und sehr konstruktiven Dialog“ mit der EU-Kommission, hieß es weiter. Der offizielle Beschluss zur Eröffnung des Beihilfeverfahrens werde in Kürze zugestellt. Dann wolle die Bundesregierung diesen sorgfältig prüfen und binnen Monatsfrist Stellung nehmen, verlautete aus dem Ministerium.

Auf wenig Gegenliebe stößt die Eröffnung des Beihilfeverfahrens hingegen bei den energieintensiven Unternehmen und Verbänden, die diese Branchen überwiegend vertreten. Dennoch versuchten sie teilweise auch Optimismus zu verbreiten, da sie glauben, dass die Industrieprivilegien Bestand haben werden. Der Sprecher der Energieintensiven Industrien in Deutschland (EID), Utz Tilmann, erklärte, dass die Teilbefreiungen „volkswirtschaftlich lebensnotwendig“ seien und aus Sicht der Branche keine Beihilfe darstellten. „Anders als die Kommission sehen wir in der Entlastung für sehr energieintensive Unternehmen beim EEG keine Wettbewerbsverzerrung. Die Regelung gleicht im Gegenteil nur die massiven Wettbewerbsnachteile aus, die eine volle EEG-Belastung nach sich ziehen würde“, sagte Tilmann, der zugleich auch Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) ist. Die energieintensiven Industrien würden im Laufe des Beihilfeverfahrens deutlich machen, dass die Besondere Ausgleichregelung bei der EEG-Umlage notwendig und angemessen sei. Hans Jürgen Kerkhoff, ebenfalls EID-Sprecher und zudem Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, warnte vor negativen Auswirkungen auf das Investitionsklima. „Wir fordern von der EU, dass sie so schnell wie möglich Rechtssicherheit schafft. Sonst droht ein Rückgang bei notwendigen Investitionen“, sagte Kerkhoff.

In eine ähnliche Richtung ging die Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Die Eröffnung des Beihilfeprüfverfahrens sorgt für erhebliche Unsicherheit bei den Unternehmen des Industriestandortes Deutschland. Es gilt daher, die offenen Fragen der Kommission zu beantworten und zügig eine Lösung zu finden“, erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller. Der BDEW verteidigte die Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage. Aus Sicht des Verbandes gehe das Verfahren in eine falsche Richtung. „Es muss in Zukunft vor allem darum gehen, die Entwicklung der Gesamtkosten des EEG zu begrenzen anstatt nur über die Verteilung der Kosten zu reden“, forderte Müller. Aber auch sie bewertete es als positiv, dass die EU-Kommission das EEG nicht grundsätzlich in Frage gestellt habe. Dennoch sehe der BDEW einen enormen Reformbedarf beim EEG und plädierte erneut auf die sofortige Einführung einer verpflichtenden Direktvermarktung für neue Photovoltaik-, Windkraft- und Biomasseanlagen. Die Pläne der neuen Bundesregierung von Union und SPD gehen nach Ansicht von Müller in die richtige Richtung. Allerdings müssten die Reformen schneller durchgesetzt werden, als von CDU, CSU und SPD vereinbart. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) wertet die Eröffnung des Beihilfeverfahrens eher als Signal für eine schnelle EEG-Reform. "Die Prüfung des EEG durch die Europäische Kommission macht den Handlungsbedarf umso deutlicher", sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Dabei müsse es in Richtung mehr Wettbewerb gehen. Der VKU kritisierte die ungleiche Lastenverteilung bei der Energiewende, da es auch Sonderregelungen für die Industrie gebe, die nicht im internationalen Wettbewerb stehe. Die übrigen Stromkunden müssten daher zusätzliche Lasten schultern. „Die Energiewende ist ein Gemeinschaftswerk und muss auf viele Schultern verteilt werden. Es kann nicht sein, dass Privatkunden die Kosten für die industriepolitischen Ziele der Bundesregierung zahlen und gleichzeitig der Staat Mehreinnahmen durch die Befreiung vom EEG generiert", so Reck weiter.

Beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gibt es ebenfalls die Aufforderung an die neue Bundesregierung, dass sie die beihilferechtlichen Bedenken möglichst schnell ausräumen möge. Dies müsse im Zuge einer EEG-Reform geschehen. „Ein Wegfall der Entlastungen für energieintensive Unternehmen wäre für viele Unternehmen und tausende Arbeitsplätze das sofortige Aus", sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Aus seiner Sicht seien die Industrieprivilegien gerechtfertigt. Ähnlich wie der BDI warnte auch der Verband Deutscher Papierfabrikanten (VDP) vor fatalen Folgen für den Industriestandort Deutschland. Falle die Ausgleichregelung in Deutschland, bedeute das für viele Unternehmen im internationalen Wettbewerb das Aus. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen mit dem einzigen Produktionsstandort in Deutschland hätten keine Alternative, sagte Klaus Windhagen, VDP-Hauptgeschäftsführer. "Die EU-Kommission muss sich der wirtschaftspolitischen Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst sein", so Windhagen weiter, der einen schnellen Abschluss des Verfahrens forderte.

Almunia plant neue Leitlinien für Beihilferecht

Gleichzeitig mit Eröffnung des Prüfverfahrens hat EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia angekündigt, dass er die Leitlinien für das Beihilferecht grundsätzlich überarbeiten will. Nach Ansicht des BEE stellen der bisherige Entwurf „einen umfassenden Angriff auf das EEG“ dar. In den neuen Leitlinien seien detaillierte Vorgaben für die Refinanzierung der erneuerbaren Energien vorgesehen, was nicht mit geltenden EU-Richtlinien vereinbar sei, wonach die Mitgliedsstaaten die Hoheit über die Förderung von Photovoltaik, Windkraft und Biomasse haben müssen. "Der Leitlinienentwurf von Almunia ist in keiner Weise akzeptabel. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die neuen Beihilfeleitlinien so ausgestaltet werden, dass die Mitgliedsstaaten weiterhin den notwendigen Spielraum beim Ausbau der erneuerbaren Energien und den dafür geeigneten Förderinstrumenten behalten", sagte BEE-Geschäftsführer Falk.

Ebenfalls Kritik für die Pläne Alumnias kam von Holger Kraft, Partner der internationalen Anwaltskanzlei CMS. Die vorgeschlagene Marktprämie sei ein voreiliges Modell, das derzeit für die Förderung von erneuerbaren Energien noch nicht funktioniere. „"Die von Kommissar Almunia geplante ‚Marktprämie‘ stellt eine denkbare Endstufe eines Vergütungsmodells für erneuerbare Energien dar. Sie kommt aber eine Dekade zu früh“, sagte Kraft. Wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt eingeführt würde, würde die Weiterentwicklung wichtiger Technologien wie etwa die Offshore-Windenergie zum Erliegen kommen. (Sandra Enkhardt)

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