Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) warnt davor, die Bedeutung der Versorgungssicherheit bei der Energiewende zu unterschätzen. „Die bisherigen Pläne der Koalitionsparteien, die Einführung eines Marktes für gesicherte Kraftwerksleistung lediglich prüfen zu lassen, greifen noch zu kurz", sagte Stephan Kohler, Vorsitzender der Dena-Geschäftsführung. Es müssten Kapazitätsmärkte verbindlich eingeführt werden, so seine Forderung. Aktuell würden zu wenige Investitionen in fossile Kraftwerke fließen. „Die vorhandenen Kapazitäten reichen mittelfristig nicht aus, um die Energiewende sicher, bezahlbar und nachhaltig zu realisieren“, sagte Kohler weiter. Mit Blick auf den Atomausstieg bis 2022 bestünde ein „akuter Bedarf“, neue Gas- und Kohlekraftwerke insbesondere in Süddeutschland zu bauen.
Kohler verwies in seiner Argumentation auf die Volatilität der erneuerbaren Energien. „Strom aus Wind- oder Sonnenkraft ist nicht jederzeit verfügbar. Deshalb werden wir auf absehbare Zeit auch bei einem hohen Anteil an regenerativen Energien auf eine beträchtliche Leistung auf fossiler Basis als Ausgleich angewiesen sein“, sagte der Dena-Chef. Er forderte zudem die Einführung einer Vergütung für bereitgestellte Kapazitäten – also wenn Energieversorger Kraftwerke vorhalten, um im Reservefall Strom liefern zu können. Derzeit würden alle Kraftwerksbetreiber Verluste machen, so Kohler weiter. Die Dena plädiere daher für einen Kapazitätsmarkt, der über europaweite Ausschreibungen die kostengünstigste Leistung ermittelt, die zur Wahrung der Versorgungssicherheit notwendig ist. Die Ausschreibung sollte technologieoffen sein, aber Obergrenzen für die CO2-Emissionen von Kraftwerken festlegen. In dem Marktmodell sollten dann auch Speichertechnologien und Industriebetriebe berücksichtigt werden, die ihren Stromverbrauch gezielt steuern könnten. Auch dies helfe bei der Stabilisierung der Strommärkte.
Der Dena-Chef brach zudem eine Lanze für eine Energiewende im europäischen Kontext. "Die Brisanz des Themas ist offenbar vielen nicht klar. Der Atomausstieg ist richtig, der Ausbau der erneuerbaren Energien auch. Aber die Erneuerbaren müssen sinnvoll integriert und durch fossile Kraftwerke, Speicher und abschaltbare industrielle Anlagen ergänzt werden – und zwar in enger Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“, sagte Stephan Kohler. Eine Umfrage im Auftrag der Dena hatte ergeben, dass nur zwölf Prozent den Bau effizienter Gas- und Kohlekraftwerke als Teil der Energiewende sehen. Lediglich vier Prozent der Befragten sahen in dieser Aufgabe den größten Handlungsbedarf.
Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hat erst vor wenigen Tagen ein Gutachten veröffentlicht. Darin attestierten die Forscher, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland so hoch sei wie in keinem anderen Land. Momentan bestehe keine Gefahr für die Versorgungssicherheit, allerdings sei das derzeitige Strommarktdesign keine langfristige Garantie. Der Wissenschaftliche Beirat plädierte daher auch für die Einführung eines zentralen Kapazitätsmarktes. Die Schaffung einer strategischen Reserve oder selektiver Kapazitätsmechanismen lehnten die Forscher hingegen ab. (Sandra Enkhardt)
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