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Sehr viele Stringwechselrichter erreichen heute einen maximalen Wirkungsgrad von 98 Prozent, und einige liegen sogar noch ein wenig darüber, doch ein Verbund namens Innovationsallianz Photovoltaik lässt nicht locker: „Moderne Wechselrichter erreichen heute Wirkungsgrade von mehr als 99 Prozent“, behauptete sie Mitte August.

Sicherlich kann es nichts schaden, wenn die von der Bundesregierung mit über 100 Millionen Euro ausgestattete Innovationsallianz ab und zu einen Erfolg verkünden kann, der sich durch eine griffige Zahl ausdrücken lässt. Doch es stellt sich nicht nur die Frage, ob es technisch möglich, sondern auch, ob es sinnvoll ist, den Wirkungsgrad mit immer größerem Aufwand immer höher zu schrauben.

Nur noch Trippelschritte Die Annäherung an die 100-Prozent-Grenze erlaubt nur noch Trippelschritte. Denn jeder weitere Schritt nach oben erfordert einen immer größeren Aufwand, der nur dann gerechtferigt ist, wenn sich die höheren Kosten durch einen entsprechend höheren Ertrag bezahlt machen.

Die aktuelle Spitzengruppe der Wechselrichter erreicht einen maximalen Wirkungsgrad von 98,5 bis 98,7 Prozent. Dass ein kommerzieller Wechselrichter mehr als 99 Prozent erreichen kann, wird zwar immer wieder von einzelnen Herstellern angekündigt, aber von wesentlich mehr Experten bezweifelt. Deshalb fragen die meisten Kunden auch nicht mehr zuallererst nach dem Wirkungsgrad. Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass sich ein paar zusätzliche Zehntelprozent nicht unbedingt positiv auf die Wirtschaftlichkeit der PV-Anlage auswirken.

Das war vor einigen Jahren noch anders. Die Vergütung war doppelt bis dreimal so hoch wie heute und der Wirkungsgrad der Wechselrichter einige Prozentpunkte niedriger. Durch die hohe Vergütung entstand ein kräftiger Hebeleffekt, der einen geringfügig gesteigerten Wirkungsgrad in eine ansehnliche Renditesteigerung verwandeln konnte.

Dieser simple Zusammenhang zwischen Wirkungsgrad- und Renditesteigerung verliert angesichts des bereits sehr hohen Wirkungsgrades und der zusammengeschrumpften Vergütung an Bedeutung. Stattdessen treten technische Entwicklungen in den Vordergrund, die zwar auch dem Wirkungsgrad zugute kommen können, aber noch weitere Vorteile bringen.

Hohe Eingangsspannung bringt Vorteile Die berechtigte Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt, den Wirkungsgrad immer weiter zu steigern, kann nur im Zusammenhang beantwortet werden – man muss also die Systemtechnik ins Auge fassen.

„Wir haben den Stein vor fünf Jahren ins Rollen gebracht und Systemspannungen von mehr als 1.000 Volt vorgeschlagen“, sagt Bruno Burger, der als einer der bekanntesten Wechselrichterexperten des Fraunhofer ISE schon für manche Überraschung sorgte, „dadurch konnte man auf den Hochsetzsteller verzichten und zusätzlich Kosten und Gewicht einsparen.“ Als er im März 2008 zusammen mit Hermann Laukamp und Heribert Schmidt diese Idee in Staffelstein präsentierte, lag der typische Wirkungsgrad noch bei 96 Prozent, und der Verzicht auf den Hochsetzsteller brachte gleich zwei Prozentpunkte. Das war aber noch nicht alles. Durch die längeren Strings konnte man Kabel einsparen, und außerdem konnte man auf der DC-Seite aufgrund der höheren Spannung dünnere Kabel verwenden. Darüber hinaus bedeutete eine Steigerung des Wirkungsgrades von 96 auf 98 Prozent eine Halbierung der Verluste, so dass sich der Aufwand für die Kühlung entsprechend verringerte.

Diese Vorteile führten zwar nicht zum generellen Verzicht auf den Hochsetzsteller, aber zur schrittweisen Erhöhung der Eingangsspannung. Seit 2008 ist sie immer näher an die 1.000-Volt-Grenze gerückt.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist zwar nicht auf Anhieb zu erkennen, er wirkt sich aber vor allem auf die Wirtschaftlichkeit von Großanlagen aus. Denn aufgrund der hohen Eingangsspannung werden auf der AC-Seite die Trafos und Schaltanlagen günstiger. Das hängt damit zusammen, dass die Primärwicklung des Trafos wegen der kleineren Ströme weniger Kupfer benötigt – oder man speist mit einem unveränderten Trafo bei gleicher Stromstärke und höherer Spannung mehr Leistung ins Netz. Und die Schaltanlagen werden besser ausgenutzt, weil durch die höhere Spannung größere Leistungen möglich sind.

Modulhersteller müssen nachziehen Um den preisgünstigsten Trafo einsetzen zu können, muss man eine standardisierte Spannungsebene erreichen, dem Trafo also eine AC-Spannung von 690 Volt anbieten. Das ist nur mit einer Eingangsspannung von 1.500 Volt zu schaffen, wie das Beispiel eines Wechselrichters zeigt, den Refusol bereits auf der Intersolar 2011 vorgestellt hat. Dieser Zentralwechselrichter mit 333 Kilowatt Leistung erreicht einen maximalen Wirkungsgrad von 98,4 Prozent und liegt damit fast schon im Bereich der aktuellen Spitzengruppe. Mit drei Einheiten kann man eine Megawattanlage betreiben und die systemtechnischen Vorteile der hohen Eingangsspannung nutzen.

„Allerdings gibt es erst wenige Module, die auf diese hohe DC-Spannung ausgelegt sind“, räumt Michael Groll, Leiter Globales Marketing des Unternehmens, ein. Er hofft, dass die Modulhersteller bald nachziehen und ihr Angebot der Nachfrage entsprechend anpassen.

Die Hersteller, die es mit wesentlich höheren Stückzahlen zu tun haben als Refusol, halten sich noch zurück. Dass die Erhöhung der Eingangsspannung auf 1.500 Volt seit Langem diskutiert wird, ist noch kein Grund, auf den Zug aufzuspringen. Sie bemängeln, dass die Module noch nicht 100-prozentig dazu passen – und die Sicherheitstechnik auch nicht.

Mit Wechselrichtern, die nur zu wenigen Modulen passen, kann man keine hohen Stückzahlen erreichen. Deshalb ist auch Roland Grebe, Technikvorstand der SMA, noch skeptisch: „Höher isolierende Module sind natürlich teurer. Darüber hinaus sind die Systemkomponenten, also Sicherungen, Schalter und Schütze, nur für 1.000 Volt flächendeckend relativ günstig verfügbar, für 1.500 Volt aber noch nicht.“ Einheitlicher ist das Meinungsbild, wenn sich die Experten über die neuen Bauelemente äußern. Siliziumkarbid (SiC) hat sich zu einem vielversprechenden Halbleitermaterial entwickelt. Die Verbindung der Elemente Silizium und Kohlenstoff ist extrem hitzebeständig und für hohe elektrische Spannung geeignet. Aus SiC kann man bei gleicher Schichtdicke Bauelemente mit deutlich höherer Sperrspannung fertigen.

Bereits vor einigen Jahren wurden die ersten SiC-Dioden im Hochsetzsteller des Wechselrichters eingesetzt. Im zweiten Schritt rückten SiC-Transistoren in den Hochsetzsteller vor, und nun kommen sie auch in der Ausgangsstufe zum Einsatz. Die ersten SiC-Wechselrichter sind auf dem Markt und glänzen durch einen hohen Wirkungsgrad. Der neue 20-Kilowatt-Wechselrichter von Refusol erreicht 98,7 Prozent.

Das ist vor allem den geringen Schaltverlusten der SiC-Transistoren zu verdanken, die aber noch weitere direkte und indirekte Vorteile bieten. Denn nun sind höhere Schaltfrequenzen möglich, so dass man kleinere Drosseln verwenden und Material einsparen kann. Kleinere Drosselspulen können wiederum die Fertigung einphasiger Wechselrichter vereinfachen. Die Spule könnte direkt auf die Platine gesetzt und automatisch verlötet werden.

Das ist ohnehin der generelle Vorteil der neuen Bauelemente: Man kann die Wechselrichter kleiner bauen und höhere Leistungsdichten erreichen. Doch noch sind die SiC-Bauelemente relativ teuer. Wie schnell ihre Invasion in die Wechselrichterwelt voranschreiten kann, hängt auch von der Kostensenkung ab, also von dem Erfolg der Halbleiterindustrie – die aber natürlich auch daran arbeitet, die Standard-Silizium-Bauelemente weiter zu entwickeln. Das Rennen ist noch nicht entschieden.

Galliumnitrid kann noch mehr Noch besser als Siliziumkarbid soll sich Galliumnitrid (GaN) für Wechselrichter eignen, denn mit diesen Bauelementen sind noch höhere Frequenzen möglich. Das Fraunhofer ISE stellte im vergangenen November den Prototyp eines Gleichspannungswandlers vor, in dem GaN-Transistoren mit einer Schaltfrequenz von 1.000 Kilohertz arbeiten – das ist das 50-fache der Schaltfrequenz handelsüblicher Wechselrichter. Drosselspulen, Transformatoren und andere passive Bauelemente könnten also noch kleiner werden. Die Aussichten sind verlockend: Ein Zehn-Kilowatt-Wechselrichter der Zukunft würde kaum Kühlung benötigen und schön handlich sein.

Bisher sind GaN-Transistoren allerdings ziemlich exotische Bauelemente, die noch ein paar Jahre brauchen, bis sie sich auch für höhere Spannungen eignen. Sie sind zurzeit nur auf der Ebene der Modulspannung (maximal 100 Volt) einsetzbar, eignen sich also vor allem für Power Maximizer und Modulwechselrichter. Siliziumkarbid und Galliumnitrid werden die Wechselrichtertechnik der Zukunft prägen. Aufgrund ihrer vielversprechenden Eigenschaften sind kommerzielle Wechselrichter mit einem Wirkungsgrad von mehr als 99 Prozent denkbar. Das wird aber noch ein paar Jahre dauern.

Fertigungstechnik im Teufelskreis Allerdings spielt am Ende das Preis-Leistungs-Verhältnis die entscheidende Rolle. Mit vereinfachter Topologie und höheren Stückzahlen gelang es in den Jahren 2009 bis 2013, die Preise kräftig zu drücken [siehe Grafik]. Die Preise für einphasige Wechselrichter fielen um fast ein Viertel, und die großen dreiphasigen Wechselrichter (bis 100 Kilowatt) kosten im Schnitt nicht einmal die Hälfte. Doch es ist fraglich, ob sich diese Entwicklung fortsetzt. Zurzeit scheinen die Möglichkeiten der Hersteller jedoch erschöpft zu sein, ihre Kosten weiter zu senken.

Eine mögliche Maßnahme wäre, die Einkaufspreise noch weiter herunterzuschrauben, indem man die Stückzahl kräftig erhöht. Doch in Zeiten stagnierender oder gar sinkender Nachfrage ist an eine Steigerung des Ausstoßes nicht zu denken.

Auch eine noch höhere Integration der Elektronik, die im Wechselrichter steckt, könnte der Automatisierung der Fertigung einen neuen Schub geben. Hilfreich wäre außerdem eine Vereinheitlichung der Anforderungen. Denn die nationalen Standards sind so unterschiedlich, dass ein Hersteller, der den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden will, etliche Varianten eines Wechselrichters produzieren muss und deshalb hohe Stückzahlen nicht erreichen kann.

Deshalb ist die Innovation in diesem Falle Segen und Fluch zugleich. Die Wechselrichter müssen immer mehr können und ständig besser werden – sollen aber nicht mehr kosten. Bevor ein Gerätetyp eine hohe Stückzahl erreichen kann, wird er oftmals schon von seinem Nachfolger verdrängt. Aus diesem Teufelskreis kommt die Fertigung nicht heraus, solange die Innovation so schnell wie bisher voranschreitet.

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