Interview – Centrotherm will Geschäft stärker diversifizieren

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Welche ihrer Unternehmenstöchter sind denn von dem Schutzschirmverfahren beziehungsweise dem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, das seit Mitte Juli läuft, betroffen?

Tobias Hoefer: Neben der Centrotherm AG sind dies die Centrotherm Sitec sowie die Centrotherm Thermal Solutions. GP Solar ist wie auch die anderen in- und ausländischen Tochtergesellschaften von dem Verfahren nicht betroffen.

Bietet Ihnen denn das in Deutschland neu eingeführte Schutzschirmverfahren Vorteile für die Sanierung?

Hoefer: Ja, wir können mit der neu eingeführten Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung schneller reagieren und die Unternehmenssanierung schneller vorantreiben. So können beispielsweise die Gläubiger schneller über geplante Sanierungsmaßnahmen informiert werden und konkrete Schritte mit ihnen abgestimmt werden. Insgesamt bringt uns das einen Zeitvorteil von drei bis sechs Monaten, der in einer solchen Phase entscheidend ist. Bis Mitte Oktober, also innerhalb von drei Monaten, müssen wir dem beteiligten Gericht einen Sanierungsplan vorlegen, der dann mit den Gläubigern abgestimmt wird.

Läuft denn ihr Geschäftsbetrieb unverändert weiter?

Hoefer: Ja, der laufende Geschäftsbetrieb ist sicher gestellt, wir haben hierfür genügend Cash-Mittel. Das heißt wir nehmen an Ausschreibungen teil und konnten auch neue Aufträge akquirieren. Centrotherm ist ja als Gesamtunternehmen für die Fortführung und Sanierung zahlungsfähig, ansonsten wäre es ja gar nicht möglich, dass wir nun die Sanierung unter dem Schutzschirmverfahren einleiten. Zudem erhielten wir ja Mitte August von einem Bankenkonsortium einen Massekredit in Höhe von 50 Millionen Euro zur Unterstützung des laufenden Schutzschirmverfahrens. Damit erhöht sich unsere Liquidität auf über 90 Millionen Euro.

Bereits im März bauten sie ja ihren Personalbestand in Blaubeuren um 400 Stellen ab. Mussten Sie seitdem weitere Mitarbeiter entlassen?

Hoefer: Nein, bis jetzt kam es zu keinen weiteren Entlassungen. Doch natürlich sind wir im Rahmen des laufenden Schutzschirmverfahrens dabei, die Mitarbeiterzahl in verschiedenen Geschäftsbereichen zu überprüfen, allerdings muss das nicht heißen, dass wir Personal abbauen, sondern wir prüfen dies auch positiv also auch Neueinstellungen. Wir rechnen mit einem Anziehen des Marktes und schauen positiv in die Zukunft.

Wie wichtig ist eine schlankere Unternehmensstruktur?

Hoefer: Viele Unternehmen wachsen im Laufe der Zeit so vor sich hin, ohne dass dies immer Sinn macht. Uns geht es nun darum, einige Aktivitäten zurück zu führen und die Konzern AG zu stärken. Als ersten Schritt hierfür integrierten wir bereits unsere Management Services Gesellschaft mit insgesamt 120 Mitarbeitern, die unter anderem für das Finanzcontrolling zuständig war, in die AG. Auch der Bereich Zellen und Module soll wieder in die Centrotherm AG eingegliedert werden. Auch sind wir dabei, das Projektgeschäft der Centrotherm Sitec sowie unsere Ingenieurdienstleistungen neu zu organisieren. Insgesamt geht es uns darum, unsere Kernbereiche weiter auszubauen und Randgeschäfte eher in Partnerschaften mit anderen anzubieten. Für uns heißt das konkret, unser Geschäft im Bereich kristalline Zellen und Module sowie Reinstsilizium auszubauen und zu stärken.

Fath: Die zentrale Herausforderung ist es, den Maschinenbau für die Zeit nach der Krise vorzubereiten. Künftig ist eine enge Kooperation zwischen führenden Unternehmen der Branche, Maschinenbauer und Hersteller, überlebensnotwendig, egal ob in Europa oder anderswo auf der Welt.

Planen Sie auch weitere Geschäftsbereiche neben der Photovoltaik auszubauen?

Fath: Ja, wir versuchen eine sinnvolle Diversifizierung voranzutreiben. Centrotherm hat auch eine gute Halbleiterei sowie gute Beschichtungsanlagen für Anwendungen außerhalb der Photovoltaik, wir kommen ja aus der Zulieferindustrie für Leistungselemente. Ein sinnvoller Mix wäre aus meiner Sicht ein Geschäftsanteil von zwei Drittel Photovoltaik und einem Drittel andere Anwendungen, derzeit macht die Photovoltaik bei uns einen Umsatzanteil von über 90 Prozent aus.

Planen Sie eine verstärkte Produktionsverlagerung ins Ausland, vor allem Richtung China?

Fath: Es gibt eine Reihe von Märkten, die „Made in Germany“ sehr schätzen – und die wir weiterhin von Deutschland aus bedienen werden. Im Übrigen ist ja unser Hauptwerk in Blaubeuren sehr gut aufgestellt und wir werden weiterhin von hier aus agieren. Doch wenn der unsägliche EU-Handelsstreit mit China wirklich weitergeht und der Maschinenbau in der Konsequenz betroffen ist, müssen wir ja reagieren und verstärkt vor Ort produzieren.

Stichwort „unsäglich“: Sie halten also von dem angestrebten EU-Dumpingverfahren gegen chinesische PV-Importe nicht sehr viel?

Fath: Alles, was das globale Photovoltaik-Wachstum bremst, ist schlecht. Ich bin ein großer Verfechter des freien Handels. Nur wenn nachweislich unlautere Subventionen im Spiele sind, sind Handelsrestriktionen zu rechtfertigen, doch dies ist im Moment völlig offen.

Das Gespräch führte Hans-Christoph Neidlein

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