Der Saal in der Berliner Bundespressekonferenz ist gerappelt voll, als die Netzbetreiber Ende Mai ihren neuen Netzentwicklungsplan der Öffentlichkeit präsentieren. Vorne sitzen die Geschäftsführer von Tennet, 50Hertz, Amprion und TransnetBW, hinten Dutzende Journalisten – mobilisiert von der Frage, ob die Energiewende an fehlenden Netzen scheitert.
Union und FDP schieben seit Monaten den Initiativen gegen Hochspannungsleitungen und den Grünen den Schwarzen Peter für den schleppenden Ausbau zu. FDP-Chef Philipp Rösler geißelt in seiner Stuttgarter Dreikönigsrede „Fortschrittsverweigerer, Pessimisten und Gutmenschen“. Die Grünen giften regelmäßig zurück. „Rösler hat die Energiewende viel zu lange durch Tatenlosigkeit hintertrieben“, kontert ihre Energieexpertin Ingrid Nestle im April – und fordert eine zügigere Erweiterung.
Alle drei Jahre wird der Ausbaubedarf von der Bundesregierung überprüft. Von der letzten Ausbaustufe, den 2009 vom Bundestag beschlossenen 1.800 Kilometern, sind bis jetzt erst 214 realisiert.
Nun, drei Jahre später, ermittelten die Übertragungsnetzbetreiber einen Bedarf von 3.800 Kilometern an Übertragungsnetzen, vor allem um den Windstrom vom Norden und Osten Deutschlands in die Ballungsgebiete im Süden und Westen zu transportieren. Vier lange Stromautobahnen sind dafür geplant, der genaue Verlauf steht allerdings noch nicht fest. Die vier Übertragungsnetzbetreiber rechnen alleine bis 2022 mit Ausbaukosten von 20 Milliarden Euro, die zusätzlich zur EEG-Umlage auf den Strompreis aufgeschlagen würden.Das jetzige Verfahren sollte den Kritikern des Netzausbaus den Wind aus den Segeln nehmen. Bislang dominierten die beiden Gutachten der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zum Übertragungsnetzbedarf die Diskussion. Diese standen aber bei zahlreichen Umweltverbänden unter Verdacht: Die Erstellung der Studien sei nicht transparent gewesen, hieß es. Weitere Vorwürfe lauteten: Zu viele Kohlekraftwerke seien einberechnet und zudem keine Alternativen geprüft worden, etwa ob durch weniger Offshore- und mehr Onshore-Wind nicht ein guter Teil des Netzausbaus überflüssig werde. Das Gutachten hatte die Dena zusammen mit Netzbetreibern und Branchenverbänden, darunter dem Bundesverband Windenergie (BWE), erstellt.
Im jetzigen Verfahren ist eine öffentliche Beteiligung vorgesehen, dann entscheidet die Bundesnetzagentur, und schließlich soll bis Ende des Jahres der Bundestag abstimmen. Inhaltlich hat sich aber nur in den Details einiges verändert – und deshalb meldete sich der Chor der Kritiker umgehend wieder zu Wort. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) monierte etwa, dass abermals ein Teil der Strecken für Kohlestrom vorgesehen ist: Die Netzbetreiber hätten sogar höhere Strommengen aus Kohle einbezogen als in den Energieszenarien der Bundesregierung vorgesehen.
Für eine „Alibiveranstaltung“ hält Wolfgang Schulze von der Initiative „Pro Erdkabel Harzvorland“ den Netzentwicklungsplan. Die Gruppe kämpft gegen eine 380-Kilovolt-Freileitung von Niedersachsen nach Hessen. Schulze ärgert, dass wie schon bei den Dena-Gutachten eine Prüfung einer stärkeren „dezentralen Einspeisung“ der Erneuerbaren nicht vorgenommen worden sei. Ähnlich argumentieren Eurosolar und der BUND. Ihre Hoffnung: Wenn jetzt wie geplant die Bundesländer im Süden vermehrt auf den Windkraftausbau setzen, könnte sich ein Teil der Leitungen erübrigen. „Wir müssen Konzepte entwickeln, die nicht auf große Cluster setzen“, so Werner Neumann vom BUND-Arbeitskreis Energie. Eurosolar hofft auf den Ausbau der Photovoltaik in Großstädten und Industrieregionen.
Dezentral versus zentral
Es ist der alte Streit: dezentrale contra zentrale Nutzung der Erneuerbaren. Die Grünen und – mit Abstrichen – auch die Deutsche Umwelthilfe setzen eher darauf, die Ausbaukritiker mit einer weitgehenden Erdverkabelung ins Boot zu holen. Eine erneute Grundsatzdebatte zum Thema „dezentral versus zentral“ würde das mühsam geschnürte Kompromisspaket der Energiewende schließlich wieder in Frage stellen. Das will die Bundesnetzagentur nicht riskieren und hat den Übertragungsnetzbetreibern deshalb vermutlich auch den Auftrag erteilt, den Netzausbau großzügig zu planen.
So fehlt den Ausbaukritikern bislang eine solide wissenschaftliche Grundlage zur Argumentation. Ein eigenes
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