Neue Chancen für Photovoltaik in Lateinamerika

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Stefan Krauter ist Professor an der Universität Paderborn mit Lehrstuhl für Energietechnik und Nachhaltige Energiekonzepte und einer der drei Vorstände des Photovoltaik-Zertifizierungsunternehmens PI Photovoltaik-Institut Berlin AG. 1999 gründete er in Rio de Janeiro, Brasilien, das Photovoltaik-Unternehmen Rio Solar. Im Jahr 2002, als Gastprofessor der Bundesuniversität von Rio de Janeiro, startete er die „Rio“-Konferenzserie (RIO 02/03/05/06/09/12), eine Photovoltaik-Fachkonferenz mit Ausstellung, aber auch Forum für die Themen Energiepolitik und Klimaschutz. Alle bisherigen Konferenzen fanden in Rio de Janeiro statt. Dieses Jahr war Granada, Nicaragua, Schauplatz der Rio12-Hauptkonferenz vom 17.-19. Januar. Am 10. April fand in Rio de Janeiro ein weiterer Photovoltaik-Workshop statt. photovoltaik fragte Stefan Krauter nach dem Stand der Entwicklung der Photovoltaik in Brasilien und Nicaragua.

Wie wird Photovoltaik in Brasilien gefördert?

Bis vor kurzem fast gar nicht. Vor etwa 15 Jahren gab es das PRODEEM-Programm zur ländlichen Elektrifizierung mittels Photovoltaik mit einem Budget von rund 70 Millionen US-Dollar. Dabei wurde jedoch die Instandhaltung der Anlagen, insbesondere der Batterien, vernachlässigt. Viele Anlagen fielen nach relativ kurzer Zeit aus, was zu einem schlechten Image der Photovoltaik im brasilianischen Energieministerium führte. Deshalb haben wir immer Vertreter des Ministeriums zu unseren Konferenzen eingeladen und die Probleme ausführlich diskutiert, mit gewissem Erfolg.

In den nächsten zwei Wochen wird in Brasilien ein "Net-Metering" für Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien bis ein Megawatt eingeführt. Dadurch wird Solarstromerzeugung überall dort attraktiv, wo ein Verbrauch gegenübersteht und der Stromtarif hoch ist: vor allem für Haushalte sowie Gewerbe und Kleinindustrie. Die Stromendtarife sind im Haushaltsbereich recht hoch und liegen je nach Versorgungsgebiet zwischen 0,15 Euro und 0,28 Euro je Kilowattstunde. Wir haben zu diesem Thema auch den RIO12-Workshop am 10. April in Rio de Janeiro veranstaltet.

Wird jetzt in Brasilien systematisch in Photovoltaik-Training und -Ausbildung investiert?

Es gibt ein paar Ausbildungseinrichtungen der Universitäten und der SEBRAE (Verband zur Förderung der Kleinunternehmen des Bundeslandes Rio Grande do Sul), was zu wenig ist. Das liegt einfach daran, dass der Markt noch sehr klein ist, mit fünf bis zehn Megawatt pro Jahr nur ein Tausendstel so groß wie der deutsche Markt. Aber allein in diesem Jahr wird sich die Installation verzehnfachen – das heißt es gibt einen großen Bedarf nach Photovoltaik-Ausbildung. Wir bieten an der Uni Paderborn einem internationalen Master-Aufbaustudiengang für Erneuerbare Energien in Englisch an, eine Sommerschule in Portugiesisch ist im Gespräch. Deutschland könnte sich in diesem Bereich weltweit einen Markt schaffen. Mittelfristig ist geplant, die Zusammenarbeit zwischen SENAI, der Ausbildungsorganisation der brasilianischen Industrie, und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) auf den Bereich Photovoltaik auszudehnen.

Hat die brasilianische Regierung Rahmenbedingungen gesetzt, damit Dieselgeneratoren als Off-grid-Stromquelle konsequent ersetzt werden?

Nein, durch Dieselsubventionen in netzfernen Regionen, Photovoltaik-Importzölle und die Definition der geforderten Zuverlässigkeit war es bisher für die Photovoltaik eher schwieriger, als wenn gar keine staatlichen Eingriffe stattgefunden hätten.

Was war der Auslöser für die radikale energiepolitische Kehrtwende in Nicaragua, den heutigen Energiemix (80 Prozent Diesel und Öl, 20 Prozent erneuerbare Energiequellen) innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 80 Prozent Erneuerbare umzustellen?

Nicaragua hat bisher stark verbilligtes Diesel und Schweröl zum Sonderpreis aus Venezuela bekommen. Es ist aber absehbar, dass das Land in Zukunft Öl zu normalen Weltmarkpreisen einkaufen muss. Daher werden dringend Alternativen gesucht. Deutschland hat dabei Vorbildfunktion, nach dem Motto: wenn es im eher wind- und sonnenarmen Deutschland mit Wind- und Solarenergie klappt, kann es fast überall funktionieren. Zusätzlich hat Nicaragua noch große Ressourcen an Geothermie, Bioenergie und Wasserkraft. Die Nutzung erneuerbarer Energien ist zudem ein großer Pluspunkt im Öko-Tourismus, auf den Nicaragua zunehmend setzt – ähnlich wie Costa Rica.

Welche Rolle spielt dabei Solarenergie? Hat Photovoltaik in Nicaragua die Chance, wettbewerbsfähig zu werden und aus der NGO-Nische herauszukommen?

Auf jeden Fall. Bei unserem RIO 12 Event in Granada waren drei Minister zugegen, Energieminister Emilio Rappaccioli, Wissenschaftsminister Telemaco Talavera sowie Verwaltungsminister Paul Olquist, und wir haben über das Energiekonzept und die Preise diskutiert. Wir hatten schon erwartet, dass die bisher gezahlten Preise überhöht waren, aber nicht in diesem Maße: Windenergie ca. 1800 US-Dollar pro Watt, normal wären etwa 1000 Dollar pro Watt, und die einzige Photovoltaik-Großanlage Nicaraguas, eine Ein-Megawatt-Anlage der Firma Kyocera, eine Spende der japanischen Regierung, kostete tatsächlich 20 Millionen Dollar. Das heißt der Preis war um den Faktor 10 überhöht. Bei normalen Weltmarktpreisen wäre in Nicaragua ein Photovoltaik-Markt von mindestens 500 Megawatt vorhanden. Durch die hohen Preise der lokalen Anbieter – Photovoltaik-Module werden durchweg für 3,5 bis 4 US-Dollar je Watt angeboten, nur Rio Solar bietet sie für 2 US-Dollar je Watt an – gibt es gegenwärtig nur den NGO-Markt, dem die Preise und die Wirtschaftlichkeit der Systeme offenbar nicht so wichtig sind. Das wird sich bald ändern.

Das Interview führte Eva Weber.

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