Konsens allein reicht nicht aus

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Vor der Sommerpause hat die Bundesregierung in großer Eile die EEG-Novelle beschlossen. Wie sieht ihre Einschätzung der Neuregelung aus?

Die EEG-Novelle ist im Kern vernünftig. Es sind sicher noch ein paar Un-schärfen darin, die aber gar nicht unbedingt die Photovoltaik, sondern eher die Windenergie betreffen. Offen bleibt, ob die einzelnen Regelungen wirklich zielführend sind. Im Ergebnis wird die EEG-Novelle aber den Markt sicher nicht kaputtmachen.

Ursprünglich gab es einen anderen Zeitplan für die EEG-Novelle. Sie sollte erst im Herbst entschieden werden. Glauben Sie vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe in Fukushima nicht, dass die Bundesregierung etwas überstürzt gehandelt hat?

Es  ist nicht auszuschließen, dass man wird nachsteuern müssen, wenn man feststellt, dass gerade vor dem Hintergrund von Fukushima und dem Atomausstieg sich die reale Entwicklung verlangsamt. Denn eines ist wohl klar: Wenn die Energiewende erkennbar nicht relativ schnell passiert, wird die Diskussion um den Ausstieg noch einmal neu aufflammen. Man hätte sich gewünscht, dass gerade im Hinblick auf die grundlegend veränderte Situation auch verschärft solche Strategien verfolgt werden, die der Energiewende dienen.

Das neue EEG ist ja auch noch nicht mal in Kraft, muss man nicht wirklich erst mal abwarten?

Die Frage, ob man die Novellierung so stehen lässt, sollte spätestens 2012 entschieden werden. Dann zeigt sich, wie die veränderten Mechanismen wirken und ob sich die Anreizwirkung tatsächlich verlangsamt, wie teilweise befürchtet wird. Ich bin da noch nicht so sicher, ob es das wirklich eintreten wird. Aber natürlich ist das auch nicht auszuschließen, zumal die Bundesregierung – was ich für einen Fehler gehalten habe – noch nicht einmal ihr Ausbauziel für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gegenüber der Vor-Fukushima-Zeit verändert hat. Aber wenn sich herausstellt, dass wir noch nicht einmal auf diesem Pfad sind, dann sollte 2012 nachgesteuert werden.

Obwohl von Seiten der Erneuerbaren immer die Aussage kommt, wir schaffen die Energiewende auch schneller.

Na ja, dann ist natürlich eine Frage, ob es wirklich daran liegt, dass die Bedingungen nicht so sind, dass es auch schneller geht. Denn offensichtlich gehen von dem bestehenden System noch deutliche Anreizwirkungen aus. Weshalb sollte sich der Ausbau nicht duplizieren lassen, wenn doch die Bedingungen die gleichen sind.

Die Nachfrage bei der Photovoltaik ist aber in diesem Jahr merklich zurückgegangen.

Sie ist abgekühlt, das ist schon richtig. Aber erst wenn sich abzeichnet, dass es eine nachhaltige Tendenz nach unten gibt, ist der späteste Zeitpunkt ge-kommen, an dem man nachsteuern muss.

Es ist erstaunlich, dass diese Abkühlung kam, weil die Preise immer weiter fallen. Eigentlich wartet jeder darauf, dass der Markt wieder anspringt.

Ich kann nur vermuten, dass zu dieser Zurückhaltung im Moment auch die Wahrnehmung der Unsicherheiten der weiteren Entwicklung beiträgt.

Wie meinen Sie das?

Ich meine die gesamte Diskussion, die wir im Moment um die Zukunft des Euro haben, um die unsichere gesamtwirtschaftliche Entwicklung, insbesondere die Befürchtung erneuten weltweiten wirtschaftlichen Krise und das Auf und Ab auf den Aktienmärkten. Das sind sicher keine guten Voraussetzung, bei denen besonders freudige Investitionsentscheidungen getroffen werden.

Aber dann ist doch gerade Photovoltaik und überhaupt Erneuerbare doch noch ein sicheres Investment?

Ja, aber das ist dann eine Frage nach den Prioritäten. Ich würde Ihnen ten-denziell Recht geben. Ich habe auf 20 Jahre eine Verzinsung, die ich mit keinem Sparkonto schaffe. Das heißt aber auch, dass das nicht daran liegt, dass die Vergütung etwa zu gering wäre, sondern dass offensichtlich – was bei Investitionsentscheidungen durchaus auch eine Rolle spielt – Unsicherheiten doch auch darüber bestehen, ob dies alles langfristig auch wirklich halten wird.

Das definierte Ausbauziel mit Blick auf Photovoltaik liegt bei um die 3.500 Megawatt. Ist das denn ausreichend? Zumal sich 2010 gezeigt hat, dass auch deutlich mehr möglich ist.

Es ist immer eine Abwägung zwischen dem, was an Kostenbelastung kommt und was an Ausbau notwendig  ist. Ob 3.500 Megawatt nun die richtige Marke ist, darüber will ich gar nicht streiten. Man kann sicherlich auch über 4.000 Megawatt reden. Aber die Frage ist schon: Wie weit passt das ganze System dann in den Markt hinein? Wir werden irgendwann sehen müssen, ob unser Markt-Design noch stimmt. Wenn wir in Größenordnungen von 40 bis 50 Prozent Erneuerbare kommen, passt das mit der derzeitigen Marktstruktur nicht mehr so richtig zusammen.

Was müsste dann verändert werden?

Es gilt in Richtung von Kapazitätsmärkten nachzudenken. Das ist heute noch relativ unklar, wie das aussehen soll. Aus meiner Sicht gibt es bislang keinen zwingenden Vorschlag, wie man die Transformation in eine andere Marktstruktur schafft. Wir werden es sicher auf geraume Zeit noch mit einem Markt zu tun haben, wie er im Moment ist. Das bedeutet letztlich dann natürlich für die Erneuerbaren auch schon Schwierigkeiten der Marktintegratipon. Das alles macht es notwendig, möglichst rechtzeitig über den notwendigen Transformationsprozess nachzudenken und ihn dann auch umzusetzen.

In welcher Hinsicht?

Na schlichtweg in ökonomischen Hinsicht. Nehmen wir mal an, es ginge um die Vermarktung direkt am Markt. Wenn Sie dauerhaft den Ausgleich zwischen Börsenpreis und dem schaffen, was letztlich die Vergütungen sind, dann werden Sie dadurch natürlich erhebliche Spannen erzeugen, die den Zuschussbedarf auch in entsprechende Höhe bewegen würde.

Was halten Sie optionale Marktprämie?

Da muss man wirklich sehen, ob sie funktioniert, denn man hat nun noch ein Zusatzregulierungsinstrument, was ja immer etwas unliebenswürdig ist. Vom Ansatz her habe ich damit keinerlei Probleme, weil dieses Instrument geeignet ist, den notwendigen Übergang in ein marktorientiertes Handeln zumindest schon einmal zu üben. Eine andere Frage ist natürlich, ob der Betreiber einer Photovoltaikanlage nun auch selbst in den Börsenhandel einsteigen will.

Die Bundesregierung hat bei der Photovoltaik mittlerweile einen Mechanismus entwickelt, der die Kosten auch begrenzt und stärker zurückführt, je mehr zugebaut wird. Ist das ein praktikabler Weg, passt das mit der Marktsituation zusammen?

Wir haben ein Problem, bei dem sich wohl alle einig sind: Irgendwann – und das möglichst bald – sollte der Weg eines „bezuschussten“ Markteintritts abgebaut werden. Ich glaube auch, dass das gelingen kann.

Wann könnte es soweit sein?

Wann der Zeitpunkt sein wird, das ist aus meiner Sicht noch offen. Dann ist noch die Frage, von welchen Kosten wir eigentlich sprechen und welche Kostenvergleiche wir anstellen. Ich mache keinen Hehl aus meiner Meinung, dass ich das Argument, bald sei doch die Grid-Parity und damit die Konkurrenzfähigkeit erreicht, zumindest für stark interpretationsbedürftig halte. Aus meiner Sicht ist dieses Argument sachlich allenfalls für den Fall relevant, in dem ich über Offgrid-Anlagen spreche. Dann ist es Grid-Parity der richtige Vergleichsmaßstab. Wenn ich allerdings voll integriert im Netz bin, dann sind es die Erzeugungskosten und dies ist nun einmal etwas anderes als die Grid-Parity.

Was sollte das Ziel sein?

Der erste Punkt wäre, man schafft so etwas wie Grid-Parity. Der zweite Zu-stand ist dann, dass ich auch bei den Erzeugungskosten marktfähig bin und gegen Börsenpreise konkurrieren kann. Es wird die Aufgabe sein, dass wir die Kostensituation, die sich in gewisser Weise ja schon erheblich verbessert hat, noch näher an konkurrenzfähige Erzeugungskosten heranbringen.

In den vergangenen Wochen kam es wiederholt seitens des EU-Energiekommissars Günther Oettinger und auch durch die Monopolkommission erneut zu Angriffen auf das EEG. Was halten Sie davon?

Wenn die Harmonisierung in Europa so läuft wie im Moment die Diskussion um die Rettung Griechenlands, dann sollte man wirklich die Finger von jeglicher Harmonisierung lassen. Ich glaube, das kann allenfalls ein langfristiges Ziel sein. Jedenfalls kann das immer wieder in die Diskussion gebrachte Quotenmodell nun wirklich keine attraktive Alternative sein. Die mag vielleicht einmal je nach weiterer Entwicklung eine Rolle spielen. Nur würde ich es viel lieber sehen, dass wir gar kein Fördermodell mehr brauchen.

Gibt es denn Alternativen zum EEG?

Die Erfolge des EEG sind wohl unbestritten, so dass man nicht unbedingt nach einer Alternative suchen müsste. Wichtig ist allerdings ein System, dass genügend Anreize für eine deutliche Kostenreduktion schafft. Da ist, wie ich finde, schon eine Menge erreicht worden. Deshalb möchte ich auch nicht verschweigen, dass ich ausgesprochen froh bin, dass es mittlerweile viele „auswärtige“ Teilnehmer am Markt gibt, die einen frischen Wind in die Szene gebracht haben, der auch bitter nötig war.

Finden Sie andererseits, dass jetzt, wo immer mehr ausländische Wettbewerber kommen, eben gerade aus China zum Beispiel, die zu günstigeren Preisen Module anbieten können, die Bundesregierung auf diesem Gebiet hätte mehr Industriepolitik machen sollen?

Das ist eine sehr zwiespältige zu beantwortende Frage. Vielleicht würde man sie zunächst spontan bejahen. Man muss aber auch sehen, dass wir in erheblichem Umfang von unserer Position als große Außenhandelsnation profitieren. Man muss zwar aufpassen, ob ich quasi staatlich subventionierte Dumping-Aktivitäten akzeptieren will, was man dann gegebenenfalls – ob durchsetzbar sei dahingestellt – über Regelverletzungsverfahren auch noch etwas heilen kann. Dort, wo es schlichtweg Kostenvorteile bei importierten Produkten gibt, mag man dies beklagen, aber soll man dem etwa begegnen, indem es nun auch noch zusätzlich eine Förderpolitik zugunsten der einheimischen Produzenten selbst gibt? Daran habe ich erhebliche Zweifel. Lieber halte ich doch eine wirksame Anreizwirkung auf der Nachfrageseite aufrecht, denn die schafft die primär gewünschten energie- und umweltpolitisch positiven Effekte.

Aber kann die Regierung nicht auch helfen?

Wenn man für die Produktion standortbelastende Faktoren hätte, dann wären die sicher abzuschaffen. Umgekehrt sollte man natürlich günstige Voraussetzungen für Produktionsansiedlungen schaffen. Ansonsten wäre ich aber sehr vorsichtig, an diesem Punkt ein neues außenhandelspolitisch „Fass“ aufzumachen.

Dann müsste man einfach sagen, dass sich die deutschen Hersteller auch am Markt einfach beweisen müssen, wenn die Nachfrage aufrechterhalten wird?

Die deutschen Hersteller müssen deutlich machen, dass sie in die Lage sind, das Produkt zu konkurrenzfähigen Preisen und möglichst in konkurrenzloser Qualität anzubieten. Wenn das Argument, dass die importierten Produkte zwar preiswerter sind, die Qualität der einheimisch hergestellten Produkte aber, was die Lebensdauer, die Degradation und Ähnliches betrifft bei Weitem besser ist, wird sich das natürlich auch in den Investitionsentscheidungen der Nachfrager positiv niederschlagen. Wenn es diesen Qualitätsvorsprung aber gar nicht gibt, ist nur schwer gegen die preiswerteren Import zu argumentieren.

Sie nehmen als einziger nicht Berufspolitiker auf dem Forum Solarpraxis an der Diskussionsrunde „Solarenergie – Zukunftsenergie oder „finanzieller Ruin“?“ teil. Welche Forderungen werden Sie dort an die Politik stellen?

Ich erwarte, dass man sich klar zu den vereinbarten langfristigen Zielen und was zu deren Erreichen getan werden muss bekennt. Im Grunde haben wir nur zwei Strategien zur Umsetzung der angestrebten Energiewende, die miteinander realisiert werden müssen, das sind Energieeffizienz und Erneuerbare Energien (sieht man von der Suffizienz ab). Gewiss kann man die langfristigen Ziele im Energiekonzept der Bundesregierung vergessen, wenn man nicht gleichzeitig wirksam für eine weiterhin expansive Entwicklung bei den Erneuerbaren und für eine wesentliche Steigerung der Energieeffizienz sorgt. Das Bekenntnis zu den Zielen ist eben nur eine, wenn auch notwendige Seite der Medaille, gleichzeitig muss aber min-destens ebenso deutlich werden, dass man bereit ist, die zur Zielerreichung erforderlichen Politiken und Maßnahmen umzusetzen. Ich glaube, da gibt es oft ein Missverhältnis, das es aufzuheben gilt. 

Ist das eine Forderung an die aktuelle Bundesregierung oder sehen Sie da alle Parteien gleichermaßen in der Pflicht?

Da sehe ich alle in der Pflicht. Das Schöne ist, dass wir im Grunde program-matisch einen absoluten Konsens haben, was die Ziele betrifft. Es gibt zwar den einen oder anderen, der – was man ihm zugestehen muss – Zweifel hat, ob die Ziele wirklich erreichbar sind. In der Zielformulierung gibt es aber keinen richtigen Dissens. In eine politisch konfliktäre Situation läuft man nur hinein, wenn es um die Maßnahmen geht. Doch was dort passiert, ist entscheidend. Die Politik muss sich sehr klar bekennen. Wenn ich ein Ziel habe, dann muss ich auch bereit sein, die entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung zu ergreifen. Sonst macht das Ganze keinen Sinn.

Was müsste aus Ihrer Sicht auch in den nächsten Jahren passieren?

Wir müssen auf jeden Fall sicherstellen, dass wir den Zielpfad nicht verlassen, sondern dass wir auf diesem „bleiben“. Schon das ist nicht unbedingt gesichert, denn wir sind noch nicht eindeutig auf dem 40-Prozent-Zielpfad bezogen auf die Treibhausgasemissionsminderung für 2020 und schon gar nicht auf dem Pfad für 2050 mit einer Reduktion um 80 bis 95 Prozent. Wir sind eigentlich verpflichtet, in sämtlichen Sektoren noch mehr zu tun als es gegenwärtig der Fall ist. Dass wir ausreichende Möglichkeiten und Mittel haben, ist aus meiner Sicht keine Frage. Im Moment ist wohl unser Hauptproblem, dass wir die Energiewende wirklich zustande bringen. Da sind wir trotz allem erst am Beginn. Es ist offenkundig, dass wir dazu auch eine erhebliche Beschleunigung beim Ausbau der erneuerbaren Energien brauchen. Man muss sehen, ob die EEG-Novelle dieses bringt oder ob sie wirklich zu einer Verlangsamung des Ausbaus führen wird.

Das Gespräch führte Sandra Enkhardt.

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