Serie – Wahlprogramme fit für die Energiewende: SPD

Nina Scheer, vor rotem Grund

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Die SPD verspricht stabile Strompreise durch Änderungen bei Netzentgelten, Stromsteuer und CO₂-Preis; was soll da konkret verändert werden?  

Nina Scheer: Neben der Senkung des Strompreises wollen wir den beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien und deren Ausbau, denn sie steht für die bleibend günstigste Form der Energiegewinnung. Hierfür müssen wir zudem Flexibilisierung ins System bringen. Damit werden zum einen Spitzen abgefangen, die andernfalls preistreibend wirken, Angebot und Nachfrage zusammen gebracht, womit der Aufbau von Überkapazitäten für die Abdeckung von Spitzenlast reduziert wird und auch der Netzausbaubedarf reduziert. Auch dies senkt Preise. Preissenkend wirkt sich auch die Sektorkopplung aus, die wir weiter anreizen wollen. Wir setzen uns für eine Entfristung des Stromsteuersatzes ein, eine Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß, und wir wollen in einem ersten Schritt eine Deckelung aller Netzentgelte auf drei Cent je Kilowattstunde. Die Transformationskosten im Netzaus und -umbau sind zudem eine akute gesellschaftliche Kraftanstrengung, von der noch viele Generationen profitieren werden. Deswegen sollten die Transformationskosten aus den Strompreisen „herausgeschnitten“ und staatlich finanziert werden. Wir sind für die Beibehaltung des gesetzlich beschlossenen Rahmens von 55 Euro pro Tonne CO₂ im Jahr 2025 und maximal 65 Euro im Jahr 2026. Mit einem Klimageld, das wir sozial gerecht ausgestalten wollen, sollen Überforderungen abgefangen werden. Das Klimageld ersetzt dabei keine Förderrahmen zur Energiewende. 

Plant die SPD auch den europäischen CO₂-Preis noch einmal anzufassen?  

Es wird Haushalte geben, die werden von den steigenden Preisen für CO₂ besonders belastet und können nicht aus eigener Kraft umsteigen, weil sie keine Wahl haben. Das finden wir ungerecht. Ein Preis auf den Ausstoß von CO₂ für private Haushalte und kleine Unternehmen kann für uns immer nur ein ergänzendes Instrument sein. Der bereits gesetzlich beschlossene CO₂-Preis pro Tonne von 55 Euro im Jahr 2025 und maximal 65 Euro im Jahr 2026 gilt. Wenn ab 2027 die europäische Regelung in Kraft tritt, muss durch geeignete Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene (zum Beispiel Klimageld) dafür Sorge getragen werden, dass niemand überfordert wird. Wir wollen CO₂-preisbedingte Verlagerungen von Produktionen ins Ausland (Carbon Leakage) verhindern und wollen etwa den CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) durch Exportförderungen und Local-Content Regelungen ergänzen. 

Die Stromsteuer querfinanziert aktuell die gesetzlichen Rentenkassen mit rund sieben Milliarden Euro im Jahr und soll laut SPD auf ein europäisches Mindestmaß gesenkt werden. Wie soll das Loch in den gesetzlichen Rentenkassen gestopft werden?

Die Finanzierung unserer Rentenkassen ist eine zentrale Herausforderung, der wir uns mit einem umfassenden Konzept stellen:

  • Erweiterte Beitragsbasis: Wir wollen alle Erwerbstätigen – auch Selbstständige und Freiberufler – in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen.
  • Steuerzuschüsse: Der Bund wird weiterhin durch gezielte Zuschüsse die Rentenkassen unterstützen.
  • Erhöhung der Beitragssätze: Wir prüfen eine moderate Anhebung der Beitragssätze, um die Stabilität zu gewährleisten.
  • Förderung der Erwerbsbeteiligung: Durch Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote werden mehr Beiträge generiert.
  • Alternative Finanzierungsquellen: Wir entwickeln innovative Finanzierungsmodelle, die nicht ausschließlich die Arbeitnehmer:innen belasten.

Unser Ziel ist es, das Rentensystem generationengerecht und sozial ausgewogen zu finanzieren. Wir werden dabei transparent und verantwortungsvoll vorgehen.

Bei den Netzentgelten plant die SPD eine Förderung durch Bundesmittel, um die Netzentgelte für Verbraucher zu senken. 2024 wurde die Förderung der Netzentgelte gestrichen. Warum war das damals die richtige Entscheidung und warum ist es heute anders? 

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021, der auch ein Loch von 60 Milliarden Euro in den Klimatransformationsfonds riss, war eine bereits getroffene Verständigung über gesetzlich geregelte Zuschüsse von 5,5 Milliarden Euro zu Netzentgelten nicht mehr umzusetzen, da sich die Ampel-Koalition aufgrund der Verweigerung seitens der FDP auf keine Reform der Schuldenbremse infolge der neuen rechtlichen Lage einigen konnte. So konnten weitere staatliche Entlastungen nicht mehr gewährt werden, die wir aber SPD-seitig für notwendig befunden hatten und auch nach wie vor für notwendig erachten (vgl. oben). Schließlich sind niedrige Energiepreise – und damit auch Netzentgelte – entscheidend für unseren Wirtschaftsstandort, zumal mit Blick auf verzerrende wettbewerbliche Rahmenbedingungen wie den Inflation Reduction Act der USA, künftige Zölle oder auch auf Marktverdrängung ausgerichtete Subventionen Chinas.

Die Netzentgelte sollen bundesweit einheitlich auf drei Cent pro Kilowattstunde fallen. Wie viele Milliarden Euro Förderung sind dafür notwendig?

Nach den Berechnungen im SPD-Regierungsprogramm sind für die bundesweite Deckelung der Netzentgelte auf drei Cent pro Kilowattstunde umfangreiche Finanzmittel erforderlich. Konkret werden dabei Investitionen in Höhe von etwa 14-16 Milliarden Euro über die nächsten Jahre angesetzt. Diese Mittel könnten vorrangig über den Deutschlandfonds finanziert werden.

Die Stromkosten für nicht-energieintensive Industrie lagen 2024 bei 16,99 Cent. Inflationsbereinigt betrachtet so niedrig wie seit 2017 nicht mehr. Warum sind jetzt Milliardenzuschüsse für den Strompreis notwendig? 

In Betrachtung der Strompreise dürfen auch weitere Rahmenbedingungen nicht übersehen werden:

  • Internationaler Wettbewerb: Deutsche Unternehmen müssen im globalen Markt konkurrenzfähig bleiben
  • Transformationskosten der Energiewende: Der Umbau auf erneuerbare Energien erfordert Infrastrukturinvestitionen, für die wir eine Reform der Schuldenbremse benötigen
  • Regionale Unterschiede, wenngleich es hier bereits spürbare Entzerrungen gibt: Netzentgelte belasten regional unterschiedlich stark

Das Instrument der „reduzierten Netzentgelte“ für Unternehmen ohne Flexibilitätspotenziale soll erhalten bleiben. Wer stellt nach welchen Maßstäben fest, ob ein Unternehmen Flexibilitätspotenziale hat? 

Flexibilitätspotenziale können durch folgende Instanzen und Kriterien festgestellt werden: 

  • Prüfende Instanzen: Bundesnetzagentur, Wirtschaftsministerium, unabhängige Energieexperten, aber auch Verbändekonsultationen und die Einbeziehung von Gewerkschaften. 
  • Maßstäbe für Flexibilitätspotenziale: Lastmanagementfähigkeiten, Möglichkeiten zur Stromabnahme außerhalb von Spitzenlastzeiten, technische Anpassungsfähigkeit der Produktionsprozesse, arbeitnehmerschutzbezogene Erwägungen, Vorhandensein von Energiespeichermöglichkeiten, Regulierbarkeit unter wettbewerblichen Aspekten. 

Unser Ziel ist es, eine faire wie transparente Bewertung zu gewährleisten, die zu keinen zusätzlichen bürokratischen Belastungen führt, keine direkten oder indirekten Benachteiligungen von KMU auslöst und der Energiewende förderlich ist.

 Wie plant die SPD, Flexibilitätspotenziale bei Unternehmen, die das könnten, zu heben? 

Die SPD plant einen umfassenden Ansatz zur Hebung von Flexibilitätspotenzialen in Unternehmen:

Fördermaßnahmen:

  • Investitionsprämie für Unternehmen, die in flexible Energiesysteme investieren
  • Steuerliche Anreize für Investitionen in Energieflexibilisierungstechnologien
  • Finanzielle Unterstützung durch den Deutschlandfonds

Konkrete Unterstützungsmaßnahmen:

  • Beratungsprogramme zur Identifikation von Flexibilitätspotenzialen
  • Förderung von Weiterbildungen für Mitarbeiter:innen im Bereich Energiemanagement
  • Entwicklung von Transformations-Clustern für technologische Unterstützung

Unser Ziel ist es, Unternehmen bei der Energiewende aktiv zu unterstützen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Nach meiner Überzeugung sind Anreize, die nicht nur kurzfristig Investitionssicherheit vermitteln und für verlässliche Rahmenbedingungen zur Generierung eines Markthochlaufs stehen, die am besten geeigneten Instrumente. Eine Orientierung bietet hierbei das EEG. Das Einspeisevergütungssystem vermittelt eben diesen Investitionsrahmen, der sich auch auf den Hochlauf von Flexibilitäten und etwa auch auf Wasserstoff übertragen lässt. 

Die SPD wirbt mit einer Strompreis-Kompensation für die Industrie: Wie will die SPD sicherstellen, dass eine Kompensation nicht zur Falle für solche Industrien wird, die dann nicht mehr angehalten sind, über den Abschluss von PPAs die Nachfrage nach günstigem und sauberem Strom sicherzustellen?

Erneuerbare Energien stehen richtigerweise seit dieser Legislaturperiode im gesetzlich verankerten überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Alle energierelevanten regulatorischen oder Anreiz-setzenden Maßnahmen müssen sich dieser Vorrangigkeit erneuerbarer Energien unterordnen. In Bezug auf die Strompreis-Kompensation gilt es, diese Maßgabe in Anreize zu übersetzen, die die betreffenden Unternehmen veranlassen, in erneuerbare Energien zu investieren.

Anreizmodell statt reiner Kompensation:

  • Die Strompreis-Kompensation wird an konkrete Bedingungen geknüpft
  • Unternehmen müssen nachweisen, dass sie aktiv Power Purchase Agreements (PPAs) abschließen
  • Gestaffelte Kompensationsmodelle, die Investitionen in grüne Energieinfrastrukturen belohnen

Dynamische Förderkriterien:

  • Jährliche Überprüfung der Kompensationsvoraussetzungen
  • Kontinuierliche Nachweispflicht für Investitionen in erneuerbare Energien
  • Sanktionsmechanismen bei Nichteinhaltung

Unser Ziel ist es, Unternehmen nicht nur zu kompensieren, sondern sie aktiv in die Energiewende einzubinden und ihnen diese Einbindung auch vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs zu ermöglichen.

Für Haushalte wirbt die SPD mit dem Schlagwort „Soziales Wärmepumpen-Leasing“. Was darf man sich darunter vorstellen? 

Greift die Pflicht zum Einbau einer Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien nach Paragraf 71 GEG, ist dies bei den Haushalten trotz der bestehenden Förderung mit vergleichsweise hohen Investitionskosten verbunden. Zwar bewahrt der Umstieg auf erneuerbare Energien die betreffenden Haushalte vor möglichen Preisanstiegen im fossilen Sektor und hiermit verbundenen ökonomischen Überforderungen. Gleichwohl muss den Haushalten die Investition selbst ökonomisch möglich sein. Um mögliche Überforderungen durch diese gesetzlich intendierte anfängliche Mehrbelastung zu vermeiden und auch Haushalten mit wenig frei verfügbaren Finanzmitteln den Zugang zu Wärmepumpen dennoch zu ermöglichen, stellt das Wärmepumpen-Leasing eine Variante dar. Es wird nicht der Kauf einer Wärmepumpe, sondern das Leasing gefördert. Mit dem sozialen Leasing kann in Deutschland der Zugang zu Wärmepumpen auch dort und dann ermöglicht werden, wo und wenn deren Kauf investitionsseitig trotz Förderungen ökonomisch nicht möglich ist.

Das soziale Wärmepumpen-Leasing ist ein innovatives Konzept der SPD, das bezahlbare Klimaneutralität für alle Haushalte ermöglichen soll. Hier die wichtigsten Details:

Kernidee:

  • Wärmepumpen für einkommensschwache Haushalte finanziell zugänglich machen
  • Ermöglicht den Umstieg auf klimafreundliche Heizungstechnologie ohne hohe Anfangsinvestitionen
  • Speziell für Haushalte gedacht, die sich eine Wärmepumpe nicht selbst leisten können

Konkrete Vorteile des Modells:

  • Monatliche Leasingraten, die unter den bisherigen Heizkosten liegen
  • Staatlich gefördertes Programm mit günstigen Konditionen
  • Entlastung von Haushalten bei Anschaffungs- und Installationskosten
  • Aktiver Beitrag zum Klimaschutz auch für Menschen mit geringem Einkommen

Unser Ziel ist es, Klimaschutzinstrumente sozial gerecht zu gestalten. Mit dem sozialen Wärmepumpen-Leasing schaffen wir eine Lösung, die Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbindet.

Die SPD will den Ausbau des Wasserstoffnetzes aus dem Deutschlandfonds bezahlen. Es existiert doch bereits ein Finanzierungsbeschluss für das Wasserstoffkernnetz. Warum soll dieser abermals neu verhandelt werden? 

Der Ausbau des Wasserstoffnetzes betrifft auch die Verteilnetzstruktur. Der Finanzierungsbeschluss in Form des Amortisationskonto-Modells betrifft hingegen das Wasserstoffkernnetz. Insofern stellen die Finanzierungsansätze für den Aus- und Umbau des Wasserstoffnetzes, zu denen auch Transformationsaufgaben in Bezug auf heutige Gasnetze zählen, keinen Widerspruch zum Finanzierungsbeschluss des Wasserstoffkernnetzes dar. 

Unser Ziel ist es, Wasserstoff als Baustein für die erneuerbare Energiewelt nutzbar zu machen. Dabei legen wir die Annahme zugrunde, dass im Zuge der Energiewende ein Teil der heutigen Erdgasbedarfe durch Verstromung auf Basis erneuerbarer Energien ersetzt werden kann, dass aber andere Teile auch weiterhin auf Moleküle angewiesen sein werden. Dies müssen erneuerbare Moleküle werden; hierfür muss erneuerbares beziehungsweise grüner Wasserstoff verfügbar gemacht werden.

Die Fragen stellte Marian Willuhn 

Außerdem stellten wir unsere Fragen noch an die Linke, CDU, die Grünen und FDP. Die Antworten veröffentlichen wir nach und nach, in der Woche vor der Bundestagswahl.

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