Netzanschluss per gerichtlichem Eilverfahren durchsetzen

Strommast

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Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg sowie auch das OLG Frankfurt am Main haben sich in den vergangenen Monaten mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen Anlagenbetreiber ihren Anspruch auf Netzanschluss per Eilverfahren durchsetzen können. Die zwei Gerichtsentscheidungen geben Kriterien an die Hand, um den Anschluss von Anlagen vorantreiben zu können.

  1. Verzögerungen beim Netzanschluss – 2025 eines der bestimmenden Themen

Die Stromnetze müssen den eingespeisten Strom aus der Vielzahl von neu installierten Anlagen aufnehmen. Die Netze kommen regional an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit und werden daher umgebaut, verstärkt, optimiert und ausgebaut. Die Anstrengungen sind enorm sowohl auf Seiten der Übertragungsnetzbetreiber als auch der Verteilnetzbetreiber.

Die Netzbetreiber müssen die hinzukommende Erzeugungskapazität an das Netz anschließen, und zwar unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern. Der eingespeiste Strom muss in das Netz aufgenommen und verteilt werden. Das Gesetz verpflichtet die Netzbetreiber dazu mit detaillierten Vorgaben und speziellen Fristläufen (vor allem § 8 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 EEG).

Eine große Herausforderung und daher wird das Thema Netzanschluss eines der bestimmenden Themen im Jahr 2025 bleiben.

  1. Besondere Rechtschutzmöglichkeiten

Das Gesetz spricht dem Anschlussbegehrenden nicht allein die genannten Ansprüche zu, sondern auch besondere Rechtsschutzmöglichkeiten, insbesondere, sofern der Netzanschluss verzögert wird oder der Netzbetreiber untätig sein sollte. Das OLG Brandenburg und das OLG Frankfurt am Main haben die Rechte von Anschlussbegehrenden gestärkt (Urteil vom 13.06.2024, Az. 6 U 40/24; Beschluss vom 16.07.2024 – 11 U 12/24).

Die Erfahrungen zeigen, dass den Projektentwicklern und Anschlussbegehrenden die besondere Rechtschutzmöglichkeiten des EEG (§ 83) oft nicht bekannt und bisher häufig ungenutzt sind. Mit dem speziellen Eilverfahren kann der Netzbetreiber bereits vor der vollständigen Errichtung einer Anlage durch gerichtliche Verfügung zum vorläufigen Netzanschluss, zur Erteilung von Auskünften, zur Optimierung, Verstärkung oder zum Ausbau des Netzes, zur Abnahme von Strom und auch zu Abschlagszahlungen verpflichtet werden. Die nachgelagerte Problematik von fehlenden Abrechnungen für neu angeschlossene Anlagen wird von der Regelung ebenso erfasst, ist jedoch nicht Gegenstand der Entscheidungen.

Die Entscheidungen zeigen, dass das EEG durchaus Möglichkeiten bietet, den Anspruch auf Netzanschluss effektiv durchzusetzen.

  1. Kriterien nach den Entscheidungen

Mit den Entscheidungen, insbesondere der des OLG Brandenburg, liegen nun entscheidende Kriterien für den Umgang mit der Regelung des einstweiligen Rechtschutzes als auch mit den weitergehenden Regelungen zum Netzanschluss auf dem Tisch. Anhand der Kriterien wird eine Prognose möglich, ob ein Vorgehen erfolgsversprechend sein könnte.

In beiden Fällen ging es um den Anschluss von Photovoltaikanlagen, wobei das Verfahren in Frankfurt eine Dachanlage und das Verfahren in Brandenburg eine Freiflächenanlage zum Gegenstand hatte. Die Entscheidungen werden im Folgenden in der gebotenen Kürze analysiert, wobei besondere Augenmerk auf der Entscheidung in Brandenburg liegt:

Das OLG Brandenburg hat den Netzbetreiber zur Vorlage eines Zeitplans mit allen erforderlichen Arbeitsschritten für die unverzügliche Herstellung des Netzanschlusses und eines Kostenvoranschlages verurteilt. Die Richter haben ebenso festgehalten, dass, sofern Netzausbaumaßnahmen vor dem Anschluss notwendig werden, der vom Netzbetreiber zu übermittelnde Zeitplan diese Ausbaumaßnahmen berücksichtigen und im Einzelnen aufführen muss.

Anhand der Entscheidungen lässt sich ableiten, welche konkreten Umstände der Anschlussbegehrende glaubhaft zu machen hat (siehe a.) und wann von der für die Eilentscheidung erforderlichen Dringlichkeit auszugehen ist (siehe b.).

a. Glaubhaftmachung des Anspruchs

Das Ziel ist es, mit dem Verfahren nach § 83 EEG die gerichtliche Anordnung konkreter Maßnahmen zu erreichen. Dazu ist der Anspruch auf unverzüglichen Netzanschluss glaubhaft zu machen.

Das Gericht hat die folgenden Kriterien für die Glaubhaftmachung genügen lassen:

  • Übermitteltes Netzanschlussbegehren. Das Anschlussbegehren muss übermittelt sein. Bestenfalls sind mit dem Begehren die nummerierten sogenannten “E-Formulare”, die der VDE-Anwendungsregel entstammen, mit zu übersenden.
  • Ernsthaftes Planungsinteresse. Nachzuweisen ist ein ernsthaftes Planungsinteresse. Dies ist anhand zumutbarer Projektfortschritte je nach Stadium der Planung zu messen. Eine “nicht mehr unverbindliche Planung” reicht aus. Die Kriterien liegen vor, wenn ein Ingenieurbüro mit der Planung beauftragt ist. Ohne weiteres stehen dem Anlagenbetreiber nach den Kriterien des OLG Brandenburg jedenfalls die Ansprüche auf Informationserteilung und Herstellungsmaßnahmen zu, wenn eine gesicherten Kabeltrasse, ein fortgeschrittenes Bauleitplanverfahren, Bauanträge, die Bestellung des Trafos und die Beauftragung des Generalunternehmers nachweisbar auf den Weg gebracht sind. Demgegenüber braucht es keine bereits vorliegende Genehmigung, den Nachweis der Genehmigungsfähigkeit des Projekts oder die Vorlage von Finanzierungszusagen.
  • Verzögerung des Netzbetreibers. Die Netzanschlussherstellung muss verzögert sein. Die Verzögerung ist anhand der Überschreitung der in § 8 Abs. 5 und Abs. 6 EEG geregelten Sofort-Frist, spätestens jedoch nach Ablauf von 8 Wochen begründet. Die Fristläufe werden in der Regelung durch die Übermittlung des Netzanschlussbegehrens und der erforderlichen Informationen, die im Wesentlichen mit den“E-Formularen” bereitgestellt werden, ausgelöst. Was es nicht braucht, um den Rechtschutz zu beanspruchen, ist eine Weigerung des Netzbetreibers oder eine drohende Aufgabe des Projekts.

b. Gesetzlich vermutete Dringlichkeit

Der einstweilige Rechtsschutz setzt eine Dringlichkeit voraus, die es rechtfertigt, dass anstatt eines Klageverfahrens das Eilverfahren betrieben wird.

Bereits vor den genannten Entscheidungen hatten Gerichte festgehalten, dass für den Erfolg in dem Eilverfahren nach § 83 EEG die Dringlichkeit nicht aufwändig glaubhaft gemacht werden muss, sondern vermutet wird.

Es obliegt also dem Netzbetreiber, die vermutete Dringlichkeit zu widerlegen, es sei denn, die Anschlussbegehrende widerlegt die Dringlichkeit durch eigenes Verhalten. So verhielt es sich im Sachverhalt der weiteren vorgenannten Entscheidung des OLG Frankfurt am Main: Danach ist die Dringlichkeit der Anschlussbegehrenden widerlegt, wenn das Netzanschlussbegehren nachlässig behandelt und “liegengelassen” wird.

Im Sachverhalt zur Entscheidung hatte die Anschlussbegehrende im März 2023 das Anschlussbegehren übermittelt, dieses Ende August 2023 durch Anwaltsschreiben weiterhin verfolgt und schließlich erst im Januar 2024 den Antrag auf Durchführung des Eilverfahrens bei Gericht eingereicht. Nach der Auffassung des Gerichts hat die Antragstellerin damit gezeigt, dass ihr die Angelegenheit selbst nicht eilig war.

Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, den Netzbetreiber regelmäßig zum Netzanschluss aufzufordern und dies schriftlich zu dokumentieren.

c. Gerichtliche Anordnung

Mit dem Vorliegen des glaubhaft gemachten Anspruchs und der nicht widerlegten Vermutung der Dringlichkeit wird das Gericht den vorläufigen Netzanschluss anordnen können oder auch die Verpflichtung gegenüber dem Netzbetreiber, Abschlagszahlungen vorzunehmen. Liegen Kriterien vor und verfolgt der Anschlussbegehrende ohne eigenes Zögern die Anschlussherstellung, kann sich der Netzbetreiber seiner Verpflichtung zum Handeln nicht entziehen.

Das Gericht kann auch anordnen, dass der Netzbetreiber das weitere Vorgehen (Anschlussherstellung, Netzausbau) detailliert mit Zeitplänen aufzuschlüsseln hat. Vom Netzbetreiber zu liefernde Zeitpläne müssen tag-, zumindest jedoch wochengenau sein. Bei Vorliegen der vom Anlagenbetreiber geforderten Informationen muss die Übermittlung des Zeitplans unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von acht Wochen mitsamt dem Ergebnis der Netzverträglichkeitsprüfung folgen. Die Netzdaten können auch angefordert werden.

  1. Fazit

Die Durchführung des Eilverfahrens sollte die Ultima Ratio bleiben. In erster Linie wird durch die sachgerechte Kontaktaufnahme mit dem Netzbetreiber und die Übermittlung von konkreten Projektfortschritten die Anschlussherstellung erreicht werden. In einzelnen Fällen kann das Eilverfahren erforderlich werden.

Dieses bietet mit den Ansprüchen auf Herstellung des Netzanschlusses, auf Informationserteilung (§§ 83, 8 Abs. 1, Abs. 5 und Abs. 6 EEG) und auch auf Abschlagszahlungen ein in der Ausübung überschaubares und in der Konsequenz effizientes Instrument, um Transparenz mit Blick auf den zeitlichen Ablauf der Netzanschlussherstellung und auch des möglicherweise zwischenliegenden Netzausbaus zu schaffen. Die Durchsetzung der Ansprüche kann auch ein bestimmtes Vertrauen bei Investoren in das Vorhaben bewirken. Denn die gerichtlichen Anordnungen sind vollstreckbar.

— Die Autoren Viktoria Gott und Maximilian Grett sind Rechtsanwälte bei der Kanzlei orka in Berlin und begleiten in der von Margarete von Oppen geführten Praxisgruppe Energierecht Projektentwickler von Anlagen sowie Batteriespeichern in erster Linie beratend, aber auch in der prozessualen Durchsetzung der Herstellung von Netzanschlüssen sowie ordnungsgemäßen Abrechnung der Marktprämien. —

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