ISE-Studie beschreibt „klimaneutrales Deutschland“

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„Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem – Bundesländer im Transformationsprozess“ heißt eine am Mittwoch (13. November) vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE vorgelegte Studie. Sie beschreibt, „wie auf der Ebene der Bundesländer die Transformation des Energiesystems hin zur Klimaneutralität im Jahr 2045 technologisch aussehen könnte“. 2045 ist das von der Bundesregierung angestrebte Jahr für Netto-Treibhausgasneutralität.

Für die Studie wurde das am Fraunhofer ISE entwickelte Energiesystemmodell REMod genutzt, das sektorenübergreifend die kostenoptimierte strukturelle Transformation von Energiesystemen analysiert und beschreibt. REMod bildet das deutsche Energiesystem einschließlich Importen ab und berechnet auf dieser Grundlage Transformationspfade. Die für die Studie in der räumlichen Auflösung auf Bundesländer-Ebene erstellten Berechnungen berücksichtigen dabei nach Angaben des Instituts auch „aktuelle Entwicklungen wie eine veränderte Nachfrage, geopolitische Unsicherheiten und Infrastrukturplanungen wie den Stromnetzausbau und das Wasserstoffkernnetz“.

Die Studie vergleicht vier Szenarien. Im Szenario »Technologieoffen« liegt der Schwerpunkt auf direkter Elektrifizierung, zentrale Technologien sind hierbei Wärmepumpen und batterieelektrische Fahrzeuge. Im Szenario „Effizienz“ wird die Transformation nochmals „durch ambitionierte, politische Maßnahmen beschleunigt und Energie durch Verhaltensänderungen eingespart“. Dies würde eine Übererfüllung der Klimaziele ermöglichen.

Die Wende kostet halb so viel wie das Weihnachtsgeschäft

Das Szenario „Beharrung“ hingegen ist durch eine lang andauernde Nutzung fossiler Technologien gekennzeichnet, es werden über mehrere Jahre „weiterhin verstärkt Gaskessel installiert, Autos mit Verbrennungsmotor neu zugelassen und der Ausbau der Windenergie an Land ausgebremst“. Das Szenario „Robust“ berücksichtigt „verschiedene geopolitische Unsicherheiten und Klimaveränderungen“, denen durch einen verstärkten Ausbau der Windenergie und eine höhere Elektrifizierung in der Industrie entgegengewirkt wird, um geopolitische Abhängigkeiten etwa bei der Verfügbarkeit von Import-Wasserstoff oder von Photovoltaik-Komponenten zu verringern. In allen Szenarien „werden die deutschen Klimaziele einschließlich Klimaneutralität im Jahr 2045 erreicht und die Energieversorgung wird zu jeder Stunde in allen Verbrauchssektoren sichergestellt“.

Für die kostenmäßige Betrachtung der vier Szenarien dient das heutige Energiesystem als Grundlage: Würde es unverändert weiterbetrieben und lediglich durch Ersatzinvestitionen instandgehalten, ergäbe dies eine ähnliche Energienachfrage und ähnliche CO2-Emissionen wie heute. Im Vergleich hierzu würde das Szenario „Technologieoffen“ im Schnitt der nächsten 25 Jahre jeweils 52 Milliarden Euro an Mehrkosten verursachen, das entspräche 1,2 Prozent des heutigen Bruttoinlandprodukts oder, wie das Fraunhofer ISE anführt, „rund der Hälfte des Umsatzes des Weihnachtsgeschäfts 2023“. Diese Kosten ließen sich im Szenario „Effizienz“ vor allem durch die geringere Energienachfrage auf rund 22 Milliarden Euro drastisch reduzieren. Im Szenario „Robust“ wären sie hingegen mit rund 70 Milliarden Euro deutlich höher. Ein längeres Festhalten an fossilen Technologien, wie es im Szenario „Beharrung“ postuliert wird, verursacht mit durchschnittlich 82 Milliarden Euro pro Jahr im Endeffekt die höchsten Kosten. Wesentliche Gründe hierfür sind die in diesem Szenario deutlich höheren Importe synthetischer Energieträger und der erforderliche Umfang des Einsatzes von Negativemissionstechnologien, also CO2-Abscheidung und Speicherung. Zwar sind diese Technologien in allen Szenarien vorgesehen, dies aber in deutlich geringerem Umfang.

Der Norden wird zum Elektrolyse-Schwerpunkt

Eine Art Exkurs unternimmt die Studie in Sachen Atomkraft: Hierfür wurde angenommen, dass ab 2035 in vier Bundesländern jeweils 2,5 Gigawatt Leistung installiert werden und dabei – relativ optimistische – Investitionsausgaben (CAPEX) von 9.000 Euro je Kilowatt zugrunde gelegt. Die Nutzung von Atomkraftwerken würde Flexibilitäten, also zum Ausgleich der volatilen Wind- und Solarstromproduktion erforderliche Erzeuger und Speicher einsparen, aber bei weitem nicht in dem zum Ausgleich der Kosten neuer Reaktoren erforderlichen Ausmaß. Deshalb, so die Studie, lägen die Transformationskosten mit Atomkraft deutlich höher also ohne.

Den Umfang der erforderlichen Flexibilitäten beziffert die Studie im „Technologieoffen“-Szenario auf 96 Gigawatt an Wasserstoffkraftwerken sowie 33 Gigawatt aus Gaskraftwerken, wobei letztere mit synthetischem und Biomethan betrieben würden. Der für Kraftwerke und vor allem für industriellen Bedarf nötige Wasserstoff würde zu rund zwei Dritteln (244 Terawattstunden) importiert, aber auch in großen Mengen (126 Terawattstunden) in Deutschland produziert. Windstrom wäre hierfür die Basis, die Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern wären Schwerpunkte der heimischen Wasserstoff-Elektrolyse. In den übrigen Bundesländern mit ihrem proportional höheren Photovoltaik-Anteil würden hingegen vermehrt Batteriespeicher eingesetzt. Das „Technologieoffen“-Szenario erfordert hier eine Kapazität von rund 350 Gigawattstunden, die von stationären Speichern, aber auch durch Batterien von Elektroautos (Vehicle to Grid) bereitgestellt werden könnten.

Grundlage einer erfolgreichen und kosteneffizienten Transformation ist in jedem Fall ein großer Umfang direkter Elektrifizierung: „Wärmepumpen sind 2045 die dominierende Heiztechnologie, im Individualverkehr werden fast ausschließlich batterie-elektrische Fahrzeuge eingesetzt, und der Elektrifizierungsgrad in der Industrie steigt auf rund 70 Prozent“, fasst das Fraunhofer ISE in seiner Mitteilung zusammen. All dies ist auch der Grund für den erforderlichen starken Ausbau insbesondere der Windkraft auf bis zu 308 und der Photovoltaik auf bis zu 471 Gigawatt: Der deutsche Stromverbrauch würde, je nach Szenario, im Jahr 2045 zwischen 1.150 und 1.650 Terawattstunden liegen, also rund zwei- bis dreimal höher als heute.

Die Studie steht zum kostenlosen Download bereit.

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