Solarenergie hat Rekordergebnisse erzielt, die weit, weit über den Prognosen aus den 90er-Jahren liegen

Hans-Josef Fell

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Vor einigen Tagen wurden in Berlin mit vielen Solarfreunden und Solarfreundinnen der ersten Stunde die großen Erfolge der Solarenergie gefeiert.

In der Tat sind die Erfolge des Ausbaus der Solarenergie 2023 auf einem Niveau, welches in den 1990er Jahren und sogar noch im letzten Jahrzehnt die großen globalen Energieversorger und deren Analysten nicht für möglich gehalten hatten.

IEA lag in ihrer Solarenergie-Prognose immer viel zu niedrig

So hat die weltweit in Energiefragen dominante Internationale Energieagentur (IEA) in Paris viele Einschätzungen zum Ausbau der Solarenergie veröffentlicht, insbesondere in ihren jährlich erschienenen World Energy Outlooks (WEO).

2006 hatte die IEA im World Energy Outlook (WEO) etwa 3 Gigawatt Photovoltaik-Ausbau für 2023 prognostiziert. Im Jahr 2012 erhöhte sie diese Prognose auf etwa 25 Gigawatt für 2023 und im Jahr 2017 auf etwa 75 Gigawatt.

Tatsächlich wurden jedoch 2023 über 400 Gigawatt Photovoltaik weltweit zugebaut.

Das ist mehr, als die Atomwirtschaft in 40 Jahren zugebaut hat. Im Jahr 2023 wurde täglich 1 Gigawatt Photovoltaik neu auf der Erde installiert.

Auch Deutschland legte nach Jahren des Ausbaurückgangs unter Merkel wieder deutlich zu

2023 wurden in Deutschland 15 Gigawatt Photovoltaik-Leistung neu installiert, somit stehen insgesamt über 3,7 Millionen installierte Photovoltaik-Anlagen.

Damit liegt die deutsche jährliche Photovoltaik-Installation erstmals wieder über den Rekordjahren von 2010 bis 2012, wo etwa 7,5 bis 8,0 Gigawatt neu installiert wurden.

Die Photovoltaik-Stromerzeugung stieg mit knapp 60 Terawattstunden Solarstrom gar auf 12,3 Prozent Anteil am produzierten Strom im Jahresverlauf 2023.

In den 90er Jahren wurden wir Pioniere für verrückt gehalten, wenn wir solche exponentiellen Wachstumsgeschwindigkeiten für möglich hielten

Außer uns wenigen Pionieren im Bundestag und den engagierten Solarinitiativen glaubte in den 90er Jahren niemand, dass solche Erfolge für den Klimaschutz und die Solarenergie erreichbar wären.

In meiner unterfränkischen Kleinstadt Hammelburg (13.000 Einwohner) wurde schon im Jahr 1997 etwa 30-mal mehr Solarstrom pro Einwohner erzeugt als im Bundesdurchschnitt. Zwei Jahre lang hatten Solarpioniere in Hammelburg ein Watt pro Bürger und Jahr installiert.

Hochgerechnet auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland mit ihren etwa 80 Millionen Einwohnern hätte dies einer Installationsrate von 80 Megawatt entsprochen: mehr als die Hälfte des Weltabsatzes 1998.

1998 wurden in Deutschland jedoch gerade mal sechs Megawatt neu installiert.

Mit meiner Forderung, die deutsche jährliche Pro-Kopf-Installation in ganz Deutschland durch eine kostendeckende Vergütung für Solarstrom für alle Bundesbürger und -bürgerinnen dem positiven Beispiel Hammelburgs folgen zu lassen und 80 Megawatt jährlich zuzubauen, wurde ich von den meisten Menschen um mich herum im besten Falle mitleidig belächelt, von vielen jedoch wurde mein Vorschlag als Idiotie abgekanzelt. Mein Plan war es, ein Bundesgesetz zu schaffen, das die Erfahrungen der kostendeckenden Vergütung für Solarstrom auf kommunaler Ebene nutzt.

Auch ein solches Gesetz durch den Bundestag zu bringen, wurde als komplett unrealistisch abgetan. Dennoch machte ich mich 1999 mit meinen Mitarbeitern im Bundestagsbüro an die Arbeit, zunächst Eckpunkte und dann einen Gesetzesentwurf für ein Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu entwerfen.

Die bundesweite solare Erfolgsrally begann ab dem Jahr 2000 mit dem EEG

Doch schon im Jahr 2000 verabschiedete der Bundestag dann ohne Regierungsentwurf ein EEG nach den Grundsätzen der in Hammelburg, Aachen und Freising verwirklichten kommunalen kostendeckenden Vergütung für Solarstrom, übertragen auf alle anderen erneuerbaren Energien. Vehemente politische Durchsetzungsarbeit kam von vielen Bundestagsabgeordneten von Rot-Grün, allen voran von Hermann Scheer, Michaele Hustedt und Dietmar Schütz. Union und FDP votierten auf Geheiß von Oppositionsführerin Angela Merkel geschlossen nicht für das EEG, nur der FDP-Abgeordnete Goldmann stimmte dafür.

Das „Unmögliche“ fand nun statt: schon 5 Jahre später, im Jahr 2005, wurden in Deutschland mit 96 Megawatt neu installierter Leistung die „unmöglichen“ 80 Megawatt bereits überschritten. Noch einmal 5 Jahre später, in 2010, wurden sogar fast 100 Mal mehr, nämlich über 7.000 Megawatt (7 Gigawatt), neu installiert.

Danach wurden diese exponentiellen Wachstumsraten mit vielen EEG-Novellen unter der Kanzlerschaft Merkel jäh gebrochen. Im Jahr 2014 lag der deutsche Ausbau nur noch bei 1200 Megawatt. Schlimmer kann man einen neuen blühenden Industriezweig nicht vernichten, als es Kanzlerin Merkel mit ihren Wirtschaftsministern Sigmar Gabriel (SPD), Philipp Rösler (FDP) und Peter Altmaier (CDU) tat. Die deutsche industrielle Solarführerschaft ging grandios an China verloren.

Im Jahr 2012 hatte China das EEG im Solarbereich eingeführt. Dort ging dann der globale exponentielle Ausbau der erneuerbaren Energien weiter, der in Deutschland aktiv zugrunde gerichtet wurde.

Ich selbst war in den Vorjahren in meiner Rolle als Vorstandsmitglied der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe viel in China und warb in allen Gesprächen im Nationalen Volkskongress, beim Umweltminister und in der Parteiführung für ein chinesisches EEG, wohl wissend, dass der Klimaschutz ohne China keine Chance hätte.

Und nun noch einmal das schier Unglaubliche: 2023 sind weltweit über 400.000 Megawatt Photovoltaik installiert worden. Etwa die Hälfte davon in China. Dabei wurde die weltweite Installation zu etwa 90 Prozent mit chinesischer Solartechnik geschaffen.

Beeindruckende Kostensenkung bei der Solarstromerzeugung

Die Stadtwerke Hammelburg zahlten 1994 zwei Deutsche Mark für eine Kilowattstunde eingespeisten Solarstrom. Schon im EEG 2000 wurden nur noch 99 Pfennige pro Kilowattstunde benötigt. Die Kostensenkung durch Massenfertigung aufgrund der kommunalen Aktivitäten hatte bereits begonnen. Heutzutage produzieren Photovoltaik-Anlagen zwischen 2 Cent (in arabischen sonnenreichen Ländern) und etwa 6 bis 12 Cent pro Kilowattstunde, je nach Größe und Standort auch bei uns.

Diese erfolgreiche Kostensenkung spiegelt sich auch in den Installationskosten pro Kilowatt wider. Meine 1,8 Kilowatt Photovoltaik-Anlage, die ich 1991 mit etwa 60 Prozent staatlicher Förderung auf meinem Haus errichtet habe, kostete damals etwa 50.000 Deutsche Mark, zuzüglich etwa 10.000 Euro für die aufwändige Montage auf meinem Grasdach. Es war mir wichtig, den Beitrag meines Grasdachs zur Biodiversität und zum Hochwasserschutz (Schwammdach statt versiegelter Fläche) zu erhalten und zeigte damals schon, wie Solardächer und Gründächer vereinbar sind.

Heutzutage erhält man in Deutschland eine kleine Photovoltaik-Anlage mit 3 bis 4 Kilowatt im Schnitt für rund 1.600 bis 1.700 Euro pro Kilowattpeak (netto). Größere Anlagen mit 8 bis 10 Kilowatt sind mit 1.300 bis 1.400 Euro pro Kilowattpeak (netto) etwas günstiger.

Meine private Photovoltaik-Anlage von 1991 mit 1,8 Kilowatt würde heute also etwa 3.000 Euro statt damals 50.000 DM (25.000 Euro) kosten. Deutlicher kann der riesige Erfolg der PV-Industrialisierung nicht dokumentiert werden. Dass Solarstrom jemals die billigste Art der Stromerzeugung würde, was er heute ist, hatte damals auch niemand von den „Energieexperten“ aus der fossilen und atomaren Welt geglaubt.

Aktuell argumentieren die Atomleute immer noch mit der „kostengünstigen Atomenergie“ und behaupten, dass gerade mit kleinen und modularen Atomreaktoren (SMR) billiger Atomstrom zu erzeugen und die „teure“ Solarenergie zu ersetzen sei. Die Realität sieht jedoch anders aus: Nuscale in den USA hat jüngst wieder die Kosten pro installiertem Kilowatt ihrer SMR nach oben korrigiert: Noch 2015 lagen sie bei etwa 10.000 US-Dollar für ein Kilowatt. 2023 wurden sie auf 22.000 Dollar pro Kilowatt nach oben korrigiert.

Die Kosten der Atomenergie aus SMR sind also nicht mehr weit weg von den Kosten meiner Solaranlage aus dem Jahr 1991. Die Atomenergie ist und bleibt somit wesentlich teurer als erneuerbare Energien.

Ausblick und geopolitische Schlussfolgerungen

Was können wir aus diesen Erfahrungen des beinahe unglaublichen Photovoltaik-Ausbaus und der Kostensenkung der letzten 30 Jahre lernen, die trotz des Widerstands der fossilen und atomaren Wirtschaft erreicht wurden?

Fünf zentrale Erkenntnisse zeigen sich:

  • Alle Analysten der konventionellen Energiewirtschaft und der von ihnen beeinflussten Regierungen haben sich massiv verschätzt. Der Ausbau der Solarenergie ist viel schneller gekommen, als von ihnen vorhergesagt. Doch diese im Nachhinein als sich falsch erwiesenen Prognosen hatten wohl Methode, um das fossile und atomare Geschäft zu schützen.
  • Diese massiven Desinformationen mit den unrealistisch viel zu niedrigen Ausbauprognosen und Kostensenkungen der letzten 30 Jahre waren also Strategie der konventionellen Energiewirtschaft (insbesondere durch die IEA), und führten im einstigen rot-grünen Vorreiterland Deutschland dann unter Kanzlerin Merkel tatsächlich zu einem massiven Rückgang des Ausbaus der erneuerbaren Energien.
  • … nicht aber in China: Dort wurde der durch die Merkel-Regierung verordnete Niedergang des Ausbaus der Erneuerbaren in Deutschland weit überkompensiert. Ergebnis ist, dass die deutsche Industrie und Exportwirtschaft nun massiv unter Druck gekommen ist. Denn was bei Photovoltaik passierte, ist längst auch bei weiteren Klimaschutztechnologien erfolgt: Elektroautos, Batterien und anderem. Der Grund ist schlicht: China verfolgte seit 2010 klar eine Politik für Luftreinhaltung und eine Eroberung neuer Märkte für neue saubere Technologien. Die westliche Welt in Europa und USA stützte jedoch die verschmutzende fossile und atomare Industrie stark gegen den Ausbau der sauberen erneuerbaren Energien. Nun wird viel darüber geklagt, dass China bei Solaranlagen, Elektroautos, Batterien und anderen Technologien einen Weltmarktanteil von weit über 60 Prozent hält.
  • Die konventionelle Energiewirtschaft konnte den Ausbau der Photovoltaik, aber auch bei anderen erneuerbare Energien, gerade wegen China nicht verhindern. Das lässt hoffen, dass dies auch in Zukunft nicht der Fall sein wird. Da China auch in den kommenden Jahren den Weltmarkt dominieren wird, wird nicht nur die Photovoltaik weiterhin mit Wachstumsraten von etwa Verdopplung alle zwei Jahre wachsen.
  • Ein Segen für den weltweiten Klimaschutz, aber ein riesiges Problem für die Exportwirtschaft von Deutschland, der EU und den USA, da sie außer dem Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden kaum ernsthafte Anstrengungen unternehmen, um der Dominanz Chinas etwas entgegenzusetzen.
  • Weltweiten Klimaschutz kann es zur Abwehr einer Aufheizung auf 2 Grad Celsius erfolgreich nur mit dem Fortführen aller sauberen Klimaschutztechnologien geben, wenn dem Beispiel der industriellen Entwicklung Chinas alle Länder folgen. Die Abschottung der Märkte durch Zölle auf chinesische Importe von Solarmodulen oder Elektroautos, wie von US-Präsident Biden verordnet und von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angestrebt, ist jedoch nicht der richtige Weg. Stattdessen ist ein internationaler Wettbewerb erforderlich, der dazu führt, dass auch Europa, die USA, Indien und andere Länder besser als China werden. Nur so kann die Industriebasis in den westlichen Ländern geschützt und gleichzeitig das Ende der menschlichen Zivilisation durch den Klimawandel vermieden werden. Dies kann jedoch nicht durch den weiteren Schutz der fossilen und atomaren Wirtschaft erreicht werden.

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. http://hans-josef-fell.de —

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