Niedersachsen führt Akzeptanzabgabe für Solar- und Windparks von 0,3 Cent pro Kilowattstunde ein

Windpark, Niedersachsen

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Der Landtag in Niedersachsen hat am Mittwoch das neue „Windgesetz“ verabschiedet. Damit soll regionale Gerechtigkeit beim weiteren Ausbau der Windenergie im Land geschaffen werden. SPD und Grüne hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, die Flächen für Windenergie auf mindesten 2,2 Prozent der Landesfläche zu verdoppeln, potenziell geeignet wären unter Beachtung des Naturschutzes sogar 6,2 Prozent. „Gemäß der Einigung mit den Kommunalen Spitzenverbänden und zur faireren räumlichen Verteilung wird kein Landkreis überfordert“, so Energie- und Klimaschutzminister Christian Meyer (Grüne). Vielmehr würden die regionalen Teilflächen „solidarisch umverteilt“.

Doch in dem Gesetz, dessen vollständiger Titel „Gesetz zur Steigerung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land und von Freiflächen-Photovoltaikanlagen sowie zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften“ lautet, geht es nicht nur um die Windräder. Mit dem Gesetz macht die niedersächsische Landesregierung die im EEG auf freiwilliger Basis verankerte kommunale Abgabe von bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde verbindlich für alle Anlagenbetreiber. So werden diese verpflichtet, eine sogenannte Akzeptanzabgabe von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Kommunen zu zahlen.

Doch das ist nicht alles: Die Betreiber müssen dem Landesenergieministerium zufolge mit im Schnitt weiteren 0,1 Cent pro Kilowattstunde die Menschen im Umfeld von 2,5 Kilometern der Anlage direkt profitieren lassen. „Diese direkte Beteiligung der Menschen vor Ort ist neu und bundesweit einzigartig“, erklärte Meyer. Sie sei zusätzlich zur kommunalen Abgabe zu leisten. Dafür seien verschiedene Möglichkeiten an Ausschüttungen für die Anwohner gegeben: dauerhaft niedrige Strompreise, eine Direktzahlung an die rund um die Anlage wohnenden Menschen oder die Beteiligung an Bürgerenergiegenossenschaften, Anteilsscheinen, Energiesparbriefen oder Schwarmfinanzierung und Crowdfunding. Wenn den Bürgern Anteile an der Anlage angeboten werden, müssten dies mindestens 20 Prozent der gesamten Anteile sein, bei Direktausschüttungen sind es 0,1 Cent pro Kilowattstunde.

Im Fall von Photovoltaik-Kraftwerken und Windparks in der EEG-Förderung können sich die Anlagenbetreiber zumindest 0,2 Cent pro Kilowattstunde von den Verteilnetzbetreibern erstatten lassen. Das Land Niedersachsen hofft derweil auf Millioneneinnahmen für die Kommunen und eine Stärkung der Akzeptanz für Windräder und Solarparks im Land.

Die niedersächsische Landesregierung hat extra eine „Task-Force Energiewende“ zur Steigerung der Ausbau- und Genehmigungszahlen eingesetzt. Im ersten Quartal hätten die Kommunen bereits 504 Megawatt an Windenergie genehmigt. Das Ziel für das Gesamtjahr liegt bei 1500 Megawat. Auch bei der Photovoltaik geht es in Niedersachsen voran. Im vergangenen Jahr sei der Zubau auf 1411 Megawatt mehr als verdoppelt worden gegenüber 2022. „Bei der Photovoltaik ist das der größte jährliche Zuwachs bisher, also ein Rekordzubau. Mit dem Solarpaket der Bundesregierung wird es weitere Erleichterungen etwa für Balkonkraftwerke und PV auf Unternehmensdächern geben“, so Meyer weiter.

Beim Landesverband Erneuerbare Energie (LEE) Niedersachsen zeigt man sich mit dem Gesetz zufrieden, allerdings nicht rundum glücklich. „Wir sind erleichtert, dass es uns im Gesetzesverlauf gelungen ist, die kommunale und Bürgerbeteiligung durch unsere Vorschläge erheblich zu entschlacken“, erklärte die Vorsitzende Bärbel Heidebroek. Der LEE Niedersachsen hatte sich mit eigenen Vorschlägen am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Einige, jedoch nicht alle seien berücksichtigt worden.

Kritisch sieht der Verband, dass die Regelung nun von denen in anderen Bundesländern abweicht. „Um ein regulatorisches Durcheinander auf Länderebene zu vermeiden, wäre uns allerdings eine bundeseinheitliche Lösung lieber gewesen“, sagt daher Heidebroek. Zumal viele Anlagenbetreiber die freiwillige kommunale Abgabe bereits jetzt zahlten. „Wir bedauern, dass Wind- und Solarenergieanlagen, die über unterschiedliche Modelle Gewerbebetriebe oder die Industrie bilanziell oder direkt versorgen, nur in einem sehr engen Rahmen von allen Beteiligungspflichten ausgenommen werden sollen. Die vorgesehene Beteiligung bei nicht durch das EEG geförderten Projekten verteuert direkt den Strompreis und erstickt dieses sich gerade entwickelnde Geschäftsfeld im Keim“, so Heidebroek.

Auch die Einbeziehung der Photovoltaik-Freiflächenanlagen aus Ausschreibungen sieht sie skeptisch. So zeigten die Ergebnisse, dass nur wenige Zuschläge überhaupt für Photovoltaik-Projekte in Niedersachsen erteilt würden. Mit der verbindlichen Akzeptanzabgabe werde sich diese Situation wohl kaum ändern, fürchtet der LEE Niedersachsen. Allerdings hätten Parlament und Landesregierung zugesagt, die Wirkung des Gesetzes zu evaluieren und gegebenenfalls auch kurzfristig Änderungen vorzunehmen.

Auf Nachfrage von pv magazine erklärte der LEE Niedersachsen, welche seiner Vorschläge noch Eingang in das Gesetz gefunden haben. Dazu zählen der Abbau bürokratischer Hemmnisse, etwa durch den Wegfall von Wirtschaftsprüfung in jedem einzelnen Projekt oder die einmalige öffentlichkeitswirksame Bekanntmachung der Beteiligungsmöglichkeiten anstatt betroffene Bürger einzeln anzuschreiben. Zudem ist es Zudem sei eine einfach darzustellende Beteiligungsmöglichkeit im Sinne einer „pauschalen“ Zahlung von zusätzlich 0,1 Cent pro Kilowattstunde in das Gesetz aufgenommen worden. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Bemessungsgrundlage von 20 Prozent Beteiligung vor, die häufig aufwändig und nicht so einfach für jedes Projekt darzustellen ist, wie der LEE Niedersachen weiter erklärte. Auch gebe es nun eine größere Flexibilität bei der Wahl der Beteiligungsmodelle. Zuvor waren nur wenige Beteiligungsmodelle vorgesehen, nun geht es hauptsächlich darum, dass die 0,1 Cent pro Kilowattstunde an die Anwohner fließen. Überdies reicht es, wenn ein entsprechendes Angebot an die Gemeinden und Bürger gemacht wird. Es muss keine Einigung mit diesen Vorliegen, um das Projekt zu realisieren. Ausnahmen seien auch noch im Gesetz definiert worden. Dies gilt besonders für Anlagen, die zur Eigen- oder Direktversorgung gebaut werden, so der LEE Niedersachsen.*

*Anmerkung der Redaktion: Den letzten Absatz haben wir nach der Rückmeldung des LEE Niedersachsen noch in den Artikel aufgenommen.

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