Legitimation und Wettbewerb treiben bürgergeführte Photovoltaik-Initiativen in Deutschland an

Bürgerwerke Energiegenossenschaft

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Die Forscher unter der Leitung der Technischen Universität Darmstadt wollten herausfinden, welche Kräfte die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von bürgergeführten Solarinitiativen in Deutschland beeinflussen. Mit Solarinitiativen meinen sie Vereine und Genossenschaften, die kollektive Photovoltaik-Projekte realisieren.

„Solarinitiativen und andere Organisationen, wie beispielsweise gewinnorientierte Unternehmen, stellen unterschiedliche Arten von Organisationen dar und werden wahrscheinlich unterschiedliche Nischen besetzen“, erklärten die Wissenschaftler. „Private, gewinnorientierte Investoren sind in der Regel bestrebt, die wirtschaftliche Rendite ihrer Investitionen zu maximieren. Im Gegensatz dazu sind bürgergeführte Initiativen und Genossenschaften dafür bekannt, dass sie wirtschaftliche Aktivitäten ausüben, ohne sich auf wirtschaftliche Gewinne als einziges oder vorrangiges Ziel zu konzentrieren.“

Die Gruppe stützte sich bei ihrer Analyse auf die Theorie der Organisationsökologie, eine Theorie der Soziologie, die die Dynamik von Organisationen innerhalb ihres spezifischen sozialen und natürlichen Umfelds untersucht.

Nach dieser Theorie wird die Entstehung verschiedener Organisationsarten zum Teil durch die Wechselwirkung zwischen Legitimität und Wettbewerb bestimmt. Während sich erstere auf den Einfluss der sozialen oder institutionellen Legitimität auf die Organisation bezieht, bezieht sich letztere auf den Wettbewerb zwischen Organisationen. „Im Falle des bürgerschaftlichen Engagements in der Photovoltaik kann sich die Suche nach Mitgliedern oder in der Verfügbarkeit geeigneter Dachflächen für Anlagen als Schwierigkeit herausstellen“, so die Forschungsgruppe.

Auswertung zu mehr als 1000 Vereinen und Genossenschaften

Für ihre Arbeit wandten die Wissenschaftler die Theorie der Organisationsökologie mit räumlichen Analysen an. Sie nutzten Daten über bürgergeführte Solarinitiativen in Deutschland aus den Jahren 2006 bis 2018, in denen sie 268 Vereine und 804 Genossenschaften fanden, die Photovoltaik-Anlagen betreiben. Sie konzentrierten sich auf mittelgroße Anlagen von 20 bis 100 Kilowatt, die in der Regel auf den Dächern gewerblicher und öffentlicher Gebäude installiert sind.

„Um unsere Hypothesen zu den Legitimations- oder Wettbewerbseffekten der Photovoltaik-Anlagendichte auf das Entstehen von Solarinitiativen zu testen, erheben wir Daten zu Photovoltaik-Anlagen aus dem Marktstammdatenregister und leiten daraus die aggregierte Anzahl der installierten Anlagen pro Quartal auf Kreisebene ab“, erklären sie. „Die Systeme der Solarinitiativen in unserer Stichprobe machen 0,46 Prozent der Gesamtzahl der installierten kleinen und mittleren Photovoltaik-Anlagen in Deutschland aus.“

Verteilung Solarinitiativen und mittelgroße Photovoltaik-Anlagen
Eine hohe Dichte an den mittelgroßen Photovoltaik-Anlagen führt nicht automatisch zu mehr Gründungen von Solarinitiativen. Eher das Gegenteil ist der Fall, so die Forscher in ihrer Studie.

Quelle: First come, first served' or ‘the more, the merrier'? Organizational dynamics of citizen-led solar initiatives and the presence of photovoltaic installations in Germany"

Ihren Ergebnissen zufolge gehen Legitimationseffekte von bestehenden Solarinitiativen aus. Sie fanden eine positive Korrelation zwischen dem Aufkommen von Solarinitiativen in einem Bezirk und der Dichte bestehender Solarinitiativen im selben Bezirk. Allerdings haben sie auch herausgefunden, dass eine große Verbreitung der mittleren Photovoltaik-Anlagen einen negativen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Gründung einer Solarinitiative hat.

„Unsere Studie liefert daher keinen Beweis für das Argument der technologischen Verwandtschaft“, fügten sie hinzu. „Vielmehr stellen wir fest, dass Solarinitiativen dort entstehen, wo die Installationsrate eines bestimmten Typs von Photovoltaik-Anlagen, nämlich mittelgroße Photovoltaik-Anlagen, hinterherhinkt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Nachbarschafts- und Peer-Effekte, über die in der Literatur über Photovoltaik-Anlagen für Wohngebäude berichtet wird, nicht die Ursache für das Entstehen von Solarinitiativen sind. Vielmehr scheint es, dass räumliche Beschränkungen hinsichtlich der verfügbaren Dachfläche ein wichtiger limitierender Faktor für das Engagement der Bürger sind“.

Abschließend stellten die Wissenschaftler fest, dass weder „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ noch „je mehr, desto besser“ als Analogie für die Situation in Deutschland geeignet sind, sondern eher ein „Wir machen es selbst“-Aktivismus. „Dieser Gedanke steht im Einklang mit Bürgern, die aus einem Gefühl der Notwendigkeit und Dringlichkeit heraus handeln, anstatt einfach zu kopieren, was andere bereits getan haben“, erklärten sie.

Ihre Ergebnisse „‚First come, first served‘ or ‘the more, the merrier‘? Organizational dynamics of citizen-led solar initiatives and the presence of photovoltaic installations in Germany“ sind im Journal of Cleaner Production veröffentlicht worden. Zum Forschungsteam gehörten auch Wissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg und der norwegischen Western Norway University of Applied Sciences.

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