Kohlekraftwerke mit Profit durch 100 Prozent erneuerbare Energien ersetzen

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Der Bau und Betrieb von Wind-Solar-Batterie-Parks ist billiger als der Weiterbetrieb von wirtschaftlich abgeschriebenen Kohlekraftwerken, und zwar bei rund 90 Prozent der Kohlekraftwerke weltweit. Ein entscheidender Vorteil: die Betriebskosten für erneuerbare Energien sind günstiger als der Betrieb bestehender Kohlekraftwerke. Dadurch werden zusätzliche Gewinne erzielt. So lautet das Ergebnis der neuen „Switch Coal“-Studie von Zero Emission Think Tank und Goodfuture aus Berlin.

Diese neue Erkenntnis hat weitreichende Folgen für die Kohlewirtschaft, die mit diesen neuen ökonomischen Umständen konfrontiert ist.

  1. Die Betreiber von Kohlekraftwerken sollten umgehend damit beginnen, ihre Kohlekraftwerke bis spätestens 2030 durch zuverlässigen Strom aus Sonnen- und Windenergie sowie Großbatterien zu ersetzen. Andernfalls werden sie in den kommenden Jahren zunehmend und massiv Stromkunden verlieren, die sich mit billigerem Ökostrom selbst versorgen werden.
  2. Vor allem große Stromverbraucher, zum Beispiel Industrieunternehmen, sollten ihre Kohlestromverträge kündigen, um schnell zu deutlich günstigerem Ökostrom wechseln zu können. Nur so erhalten sie den günstigen Strom, den sie brauchen, um mit anderen Herstellern konkurrieren zu können. Dazu sind zwei Strategien möglich:
    a.) Die Industrie schließt neue Verträge mit den Betreibern von Kohlekraftwerken mit niedrigeren Strompreisen, die die Kohlebetreiber dann mit ihren neuen Ökostromerzeugungen liefern.
    b.) Große Industriebetriebe investieren selbst in eigene Anlagen, um so günstigen Industriestrom zu erhalten. Mit der Einbindung von Bürgerkapital über Bürgerenergiegemeinschaften können sie das Eigenkapital aufbringen. Die mitinvestierenden Bürgerinnen und Bürger erhalten Renditebeteiligungen und billige Strompreise, wodurch die Akzeptanz für den Bau der Ökostromanlagen in ihrer Umgebung geschaffen wird.
  3. Regierungen sollten die Umstellung auf Ökostrom unterstützen mit:
    a.) Abschaffung aller Kohlestromsubventionen. Dies würde eine massive Entlastung der weltweit überschuldeten Staatshaushalte mit sich bringen.
    b) Erlassen von Gesetzen, die eine Genehmigung der Ökostromanlagen spätestens ein halbes Jahr nach Antragstellung ermöglichen.

Die Vorteile für alle Beteiligten liegen mit einer solchen Strategie auf der Hand:

  1. Kohlekraftwerksbetreiber werden vor dem Konkurs bewahrt, da andernfalls andere Ökostromproduzenten ihnen die Stromkunden abwerben.
  2. Die Industrie und andere Stromkunden profitieren von dauerhaft niedrigen Strompreisen. Wer zuerst kommt, wird mit einem Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz belohnt.
  3. Staaten können einen erheblichen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten: durch das Beenden der Kohlesubventionen und durch neue Gewerbesteuereinnahmen durch den Betrieb der Ökostromanlagen, sowie Einkommensteuer durch den hohen zusätzlichen Beschäftigungseffekt beim Ausbau der Ökostromanlagen, wie auch durch die Sicherung der Industrieproduktion.

Der Hauptgewinner dieser unternehmerischen und rentablen Investition ist der Klimaschutz: Bis 2030 könnten weltweit etwa zehn Gigatonnen jährliche Treibhausgasemissionen vermieden werden.

Der ökonomische Vorteil von Ökostromanlagen zeigt sich bereits heute in den USA, wo allein in den letzten zehn Jahren etwa die Hälfte der Kohlekraftwerke stillgelegt wurde, und durch einen sich ebenfalls ab 2024 abzeichnenden Rückgang der Kohlekraftwerke in China.

Diese aktuellen beziehungsweise sich abzeichnenden Rückgänge der Kohleverstromung in den USA und China werden sich weiter beschleunigen und auf andere Länder ausdehnen, da in den kommenden Jahren die Erzeugungspreise von Strom aus neuen Solar- und Windkraftwerken sowie aus Großbatterien weiter fallen werden.

Weltweit sind laut der „Switch Coal“-Studie Investitionen in Höhe von fünf Billionen Dollar erforderlich, die über die dreißigjährige Lebensdauer des Systems zehn Billionen Dollar Gewinn bringen. Dies entspricht einem unverschuldeten internen Zinsfuß von sechs Prozent. Zusätzliche Gewinne in Höhe von sechs Billionen Dollar werden jedoch durch niedrigere Betriebskosten erzielt, was den internen Zinsfuß entscheidend auf zehn Prozent erhöht.

Sechs Prozent sind für entwickelte Märkte bereits ausreichend hoch. Man sollte eine kommerzielle Finanzierung für sie bekommen. Die Renditen von Staatsanleihen liegen bei etwa vier Prozent, sodass diese riskantere Investition finanziert werden kann.

In Schwellenländern können die Anleiherenditen bis zu sechs oder acht Prozent betragen, und sie haben ein geringeres Risiko als „Switch Coal“. Die erforderlichen Renditen sind eher höher, so dass eine Risikominderung durch den öffentlichen Sektor benötigt wird, zum Beispiel:

  • durch Übernahme von Erstverlustgarantien, oder
  • billige subventionierte Kredite (Bridgetown Proposal), oder
  • indem die Strompreise nicht gesenkt werden, um sicherzustellen, dass die zusätzlichen Gewinne den Kraftwerksbetreibern für die Finanzierung zur Verfügung stehen.

Weiterhin schlagen die Autoren der Switch Coal Studie vor, dass das UN-Motto „Act on climate“ nun geändert werden sollte auf „Act on climate & profit from it“, was ein neues Mindset widerspiegelt und für pragmatische und profitable Klimalösungen steht.

Der von Switch Coal beschriebene Ansatz ist tatsächlich eine realistische Chance, bis 2030 noch massiv CO2 einzusparen, wobei viele Länder davon auch noch in Milliardenhöhe profitieren. Switch Coal ist daher unverzichtbar für die Welt, um wirksamen Klimaschutz zu schaffen und ist unabhängig von allen Beschlüssen auf den UN-Klimakonferenzen, weil dies alle Marktakteure selbst wirtschaftlich rentabel tun können.

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998 bis 2013 Bundestagsabgeordneter für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. https://hans-josef-fell.de/ —

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