Prüfung der Netzbetreiber ist ein Engpass: Große Photovoltaik-Anlagen in Deutschland kommen zu langsam ans Netz

ungeprüfte Photovoltaik-Anlagen nach Anzahl in den vergangenen Jahren

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Mit 139 Milliarden Euro wurden in Deutschland von 2000 bis 2023 mehr als ein Drittel aller Investitionen für erneuerbare Energien in Photovoltaik getätigt. Gemäß Bundesrechnungshof sind private Investitionen dabei essenziell für eine erfolgreiche Energiewende. Daher werden Investitionen in gewerbliche Photovoltaik-Anlagen vom Staat unterstützt, um die Risiken für den Investor überschaubar zu halten. Ein wenig betrachtetes Risiko, der zeitige Erhalt von Genehmigungen in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Anschlussnetzbetreiber, wird dabei jedoch häufig außer Acht gelassen.

Meine Erfahrungen auf diesem Gebiet als Investor in Photovoltaik-Anlagen haben mich zu einer genaueren Recherche bewegt. Auf Basis des Marktstammdatenregisters (Stand: 1. Februar 2024) habe ich ausgewertet, welche Photovoltaik-Anlagen mit einer Bruttoleistung von mindestens 700 Kilowatt Leistung noch keine Prüfung durch den zuständigen Anschlussnetzbetreiber erfahren haben.

Insgesamt befinden sich im Datensatz 864 Anlagen mit einer Bruttoleistung von insgesamt 1,92 Gigawatt, die vor 2023 in Betrieb genommen worden sind, aber noch keine Netzbetreiberprüfung erfahren haben und so trotz erfolgter Investition keine Erlöse erzielen. Nach Bundesländern liegen die meisten nicht geprüften Anlagen in Bayern (120 Anlagen, 14 Prozent). Allerdings liegen die meisten der 864 Anlagen (479 Anlagen, 55 Prozent) in den neuen Bundesländern (Top 3: 119 Anlagen (14 Prozent) in Sachsen-Anhalt, 114 Anlagen (13 Prozent) in Brandenburg und 103 Anlagen (12 Prozent) in Mecklenburg-Vorpommern).

Dabei lässt sich ein deutlicher Rückstau bei der Prüfung von Photovoltaik-Anlagen beobachten (siehe Abbildung 1): Sowohl die Zahl der ungeprüften Anlagen als auch die zugehörige Bruttoleistung ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Ein deutliches Indiz dafür, dass die Netzbetreiber dem deutlich gestiegenen Aufkommen neuer Photovoltaik-Anlagen nicht gewachsen sind. Eine Auswertung, ob sich auch die Zeit zwischen Inbetriebnahme und Netzbetreiberprüfung verlängert hat, ist nicht möglich, da im Marktstammdatenregister das Datenfeld „Datum der Netzbetreiberprüfung“ nicht in allen Fällen ausgefüllt ist.

ungeprüfte Photovoltaik-Anlagen nach Netzgebieten
Abbildung 2: Ungeprüfte Photovoltaik-Anlagen ab 700 Kilowattpeak mit Inbetriebnahme vor 2023

Grafik: Klaus Langemann

Knapp 19 Prozent der Anlagen (164 Anlagen mit einer Bruttoleistung von 347 Megawatt) befinden sich im Bereich der Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom (Mitnetz) mbH. 134 Anlagen (16 Prozent) mit einer Leistung von 517 Megawatt (30 Prozent) befinden sich im Bereich der Edis Netz (Edis) GmbH und 113 Anlagen (8 Prozent) mit einer Leistung von 113 Megawatt werden von Westnetz GmbH betreut (siehe Abbildung 2).

Setzt man eine spezifische Investition von 1200 Euro pro Kilowattpeak an, sind für den Aufbau der 1,92 Gigawatt Leistung eine Summe von rund 2,3 Milliarden Euro privates Investment gebunden, die seit mindestens einem Jahr keine Erlöse erzielen. Dies ist nicht effizient und kann dazu führen, dass private Investoren das Kapital von Photovoltaik abziehen und so die Energiewende in Deutschland verlangsamen oder sogar verhindern.

Überraschend ist, dass knapp die Hälfte, 401 Anlagen mit einer Leistung von 723 Megawatt, bereits vor 2020 in Betrieb genommen wurden aber noch immer keine Netzbetreiberprüfung erfahren haben. Sind hier Datenfehler vorhanden oder sind die Anlagen aufgeben worden?

Erste Ansätze, die Netzbetreiberprüfung zu beschleunigen, sind zu begrüßen. Bereits die „Photovoltaik-Strategie“ der Bundesregierung aus dem Jahr 2023 hat Engpässe bei den Anschlussnetzbetreibern identifiziert und und anderem bei Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung zwischen 135 und 950 Kilowattpeak ein „Anlagenzertifikat unter Auflage“ eingeführt. Auch ist mit der Annahme des sogenannten „Solarpakets I“ in der vergangenen Woche der Netzanschluss für Photovoltaik-Anlagen bis 30 Kilowattpeak und die deutliche Verschlankung und Entbürokratisierung der Erstellung von Anlagenzertifikaten bis 500 Kilowatt genehmigt worden.

Während diese Ansätze in die richtige Richtung gehen, sind sie für die hier analysierten Photovoltaik-Anlagen bislang nicht relevant. Eine weitere Verschlankung der Genehmigungsprozesse ist auch für große Photovoltaik-Anlagen erforderlich. Außerdem sollte eine adäquate Incentivierung der Netzbetreiber eingeführt werden, um Anlagen schnell ans Netz zu bringen und so die Attraktivität für private Investitionen in Photovoltaik zu steigern.

— Der Autor Klaus Langemann ist Chemiker und Data Scientist. Er hat über 20 Jahre in der Energiebranche gearbeitet und dabei vor allem auf innovative und nachhaltige Lösungen fokussiert. Seit dem Jahr 2020 ist er außerdem als Investor und Verwalter großer Photovoltaik-Anlagen aktiv. —

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