Ein „Domestic Renewable Energy Production“-Standard für Photovoltaik-Installationen in Europa

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Angesichts des drohenden katastrophalen Klimawandels und der immer deutlicher werdenden wirtschaftlichen Vorteile ist es ratsam, ja sogar unerlässlich, unser gesamtes Energiesystem so schnell wie möglich auf ein nachhaltiges, auf erneuerbaren, regenerativen Energien basierendes System umzustellen. Die beiden Hauptpfeiler unseres zukünftigen Energiesystems werden dabei die Stromerzeugung aus Photovoltaik und Windkraft sein. Detaillierte Studien beispielsweise von Fraunhofer-ISE zeigen, dass ein Energiesystem mit 100 Prozent Erneuerbaren möglich, sicher und preisgünstig sein wird, aber wir benötigen für eine stabile Versorgung mindestens rund 300 Gigawatt an Photovoltaik und eine ebenso große Menge an Windkraft allein in Deutschland.

Alle wichtigen Akteure in Politik und Wirtschaft sind unzufrieden mit der Tatsache, dass wir derzeit bei wichtigen Elementen der Photovoltaik-Wertschöpfungskette zu fast 100 Prozent von Importen abhängig sind, hauptsächlich aus China oder von chinesisch dominierten Unternehmen in Südostasien. Hinzu kommen die jüngsten Entwicklungen sowohl in den USA als auch in Europa, die darauf abzielen, die Einfuhr von Waren zu unterbinden, die im Verdacht stehen, unter sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen, mit ‘forced labor‘ hergestellt worden zu sein. Auch der CO2-Fußabdruck importierter Waren soll in Zukunft durch eine Ausgleichsabgabe berücksichtigt werden. Hinzu kommen geostrategische Überlegungen, insbesondere nach den überraschenden Erfahrungen mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine, dass wir uns nicht für alle Zeiten auf die Sicherheit von Importen aus autoritären, politisch aggressiven Ländern verlassen sollten.

Es wird daher immer deutlicher, dass ein großes Interesse daran besteht, die Wertschöpfungskette kritischer Produkte wie Solarmodule und Windgeneratoren zumindest teilweise durch inländische Produktion abzudecken. Das Ziel, was politisch aktuell diskutiert wird, auch bereits von der EU Kommission, sind 40 Prozent bis 2030.

Ich werde mich im Folgenden auf den Fall der Photovoltaik-Module konzentrieren, obwohl viele Argumente auch auf den Windenergiesektor übertragbar sind.

Die Preise für Solarmodule auf dem Weltmarkt sind in den vergangenen Monaten wieder drastisch gesunken, es werden aktuell Preise bis zu elf Cent pro Watt genannt, obwohl viele Studien zeigen, dass selbst in China die reinen Produktionskosten für gute c-Si-Module bei mindestens 20 Cent pro Watt liegen dürften. Es ist jedoch sicher falsch, all diese Notverkäufe als ‚Preisdumping‘ zu bezeichnen, denn sie sind wahrscheinlich weniger das Produkt einer besonders hinterhältigen Politik zur Ausschaltung des Wettbewerbs, sondern einfach das Ergebnis großer Überproduktionsmengen, insbesondere angesichts der US-Importbeschränkungen für Photovoltaik-Module, bei denen der Verdacht besteht, dass sie Teile oder Materialien enthalten, die mit ‘forced labor‘ hergestellt wurden.

Gleichzeitig erleben wir den Versuch einer Renaissance der heimischen Photovoltaik-Produktion in Europa: Angeregt durch die beiden Industrieverbände ESMC und Solarpower Europe wurde mit Unterstützung der EU-Kommission eine European Solar Industry Alliance ESIA gegründet, die etwa zehn ernsthafte Projekte zum Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Silizium-Rohstoff bis zu Wafern, Zellen und Modulen, einschließlich der erforderlichen Glasindustrie sowie der notwendigen Leistungselektronik, zusammenführt.

Es gibt zwei grundsätzliche Herausforderungen für diese Renaissance, die sich an den Cap-Ex- und Op-Ex-Kosten ablesen lassen.

Als Cap-Ex bezeichnen wir das für den (Wieder-)Aufbau dieser Industrie erforderliche Kapital. Solche Beiträge aus lokalen, nationalen und europäischen Quellen sind bekannt und für den Aufbau vieler High-Tech-Produktionsstätten unerlässlich. Im Einzelfall sind die europäischen Wettbewerbsregeln zu prüfen und Ausnahmen zu erklären, etwa indem bestimmte Technologien zu „wichtigen Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse“ (IPCEI) erklärt werden. Solche Überlegungen sind bereits auf vielen Ebenen im Gange, und es ist damit zu rechnen, dass im nächsten Jahr attraktive Angebote für die Ansiedlung der Photovoltaik-Produktion in verschiedenen Regionen der EU vorliegen werden.

Schwieriger ist die Situation bei der Op-Ex-Förderung: Selbst wenn die Investitionskosten zu 100 Prozent durch öffentliche Mittel gedeckt würden, scheitern diese neuen Industrien, wenn ihre Produkte nicht auf dem Markt abgesetzt werden können angesichts der Niedrigpreisprodukte aus Asien, die, wie oben besprochen, teilweise sogar unter den Herstellungskosten angeboten werden. Um dieses Problem zu lösen, lohnt es sich, über Op-Ex-Subventionen und Prämien für heimische Produkte nachzudenken, und es gibt derzeit eine Vielzahl von Ideen, die in diese Richtung gehen.

Sie haben jedoch zwei Nachteile: Erstens belasten sie den Staatshaushalt, der bereits die Investitionskosten tragen muss, und zweitens lässt sich nur schwer vorhersagen, welche Höhe der Prämien und Subventionen wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt schaffen wird. Grenzsteuern wie Zölle bringen den EU-Mitgliedsstaaten zwar Einnahmen, verteuern aber die Photovoltaik-Technologie, deren Kosten gerade in den letzten Jahren durch unsere herausragenden technologischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte auf das aktuelle, attraktive Kostenniveau gesenkt werden konnten.

In den USA jedoch gibt es ein erfolgreiches Instrument, das sich in dieser Situation als wirksam erweisen könnte: Als es darum ging, die Einführung erneuerbarer Energien in den USA zu fördern, wurden in vielen Bundesstaaten die Energieversorger durch „Renewable Energy Portfolio Standards“ (REPs) gesetzlich verpflichtet, einen bestimmten, jährlich steigenden Anteil ihrer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bereitzustellen, mit klar definierten Strafen bei Nichteinhaltung. Dies hatte zur Folge, dass selbst konservative Stromerzeuger plötzlich auf dem Erneuerbaren-Markt aktiv wurden, um sicherzustellen, dass sie in den Folgejahren den gesetzlich vorgeschriebenen Anteil an regenerativen Energien in ihrem Strommix hatten.

Daher scheint es in unserem Fall naheliegend, den Installateuren von Großanlagen “Domestic Renewable Energy Production“ (DREP)-Standards, also heimische Produktionsstandards für erneuerbare Energien aufzuerlegen, die leicht an das erklärte Ziel der EU-Kommission angepasst werden können, 40 Prozent der europäischen Photovoltaik-Anlagen bis 2030 aus EU-Produktion zu errichten. Ein solcher „DREP-Standard“ könnte beispielsweise vorschreiben, dass bis 2026 bereits 10 Prozent der Anlagen im Inland produziert werden müssen: Ein großes Installationsunternehmen wüsste, dass es im Jahr 2026 die zehnfache Menge seiner inländischen Solarmodule insgesamt installieren kann. Bis 2030 sollte dieser DREP-Anteil dann vorhersehbar auf 40 Prozent ansteigen. Die immer wieder zitierten Schwierigkeiten mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO gäbe es sicher auch bei den anderen, Zuschuss-basierten Modellen zur Förderung heimischer Produktion.

Dieser Vorschlag zur Einführung dieses neuen Standards hätte mehrere deutliche Vorteile: Er erfordert keinen einzigen Euro an staatlichen Unterstützungszahlungen, er ist völlig transparent und vorhersehbar. Selbst wenn die inländische Produktion zu Beginn deutlich teurer sein sollte als importierte Module, hat dies nur geringe Auswirkungen auf den Durchschnittspreis, da der Anteil der inländischen Produktion zu Beginn gering ist. Bis 2030 ist zu erwarten, dass der Preisunterschied zwischen der inländischen Multi-Gigawatt-Photovoltaik-Produktion und der importierten Produktion gering geworden sein wird. Irgendwann nach 2030, zum Beispiel 2035, kann auf diesen Standard verzichtet werden.

Die Nachfrage nach inländischer Photovoltaik-Produktion würde nach der Einführung dieser DREP-Standards sprunghaft ansteigen, aber natürlich trotzdem den Wettbewerb innerhalb der inländischen Produktion nicht aufhalten.

Dieses Modell ist im Wesentlichen dasselbe, wie es bereits vom ESMC und anderen für die Umsetzung des 40 Prozent-Ziels der EU-Kommission für 2030 vorgeschlagen wurde. Neu ist allerdings die Erkenntnis, dass diese Art der Förderung uns schon bei der Einführung der damals teuren erneuerbaren Energien geholfen hat, und uns auch in diesem Jahrzehnt wertvolle Dienste leisten kann.

Foto: Eicke Weber

— Eicke Weber ist Physiker, ausgewiesener Wissenschaftler auf dem Gebiet der Halbleiter-Materialforschung. Er war 2006-16 Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg mit zuletzt über 1200 Beschäftigten, davor Professor im Department of Materials Science and Engineering der University of California, Berkeley. Nach seiner Pensionierung in Deutschland leitete er 2017/18 das Forschungszentrum ‚BEARS‘ der UC Berkeley in Singapur. Heute ist er Co-Chair des European Solar Manufacturing Councils ESMC und engagiert sich besonders für die Wieder-Ansiedlung einer konkurrenzfähigen Solarindustrie in Deutschland und Europa. Er ist auch Mitgründer der Firma MCPV, die plant, bis 2030 insgesamt 15 Gigawatt Solarzell- und Modulproduktion basierend auf modernster Produktionstechnik in Europa aufzubauen. —

 

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