Wahlen in der Schweiz: Energiepolitik im Windschatten der Lebenshaltungskosten

Straße in der Schweit Fähnchen

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Die Schweiz hat sich in der Herbstsession 2023 ehrgeizige Ziele gesetzt, um den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und den Energieverbrauch zu senken. Unter anderem wird es für bestimmte Standorte einen Vorrang gegenüber dem Naturschutz geben, und eine Senkung des Energie- und Elektrizitätsverbrauchs um 53 Prozent pro Kopf bis 2050 angestrebt. Die Förderinstrumente werden bis 2035 verlängert und somit auf den gesetzlichen Zielwert abgestimmt. Im Hinblick auf die Wahlen am Sonntag ist die Förderung erneuerbarer Energien zentral: Die verschiedenen Parteien sind sich einig, dass der Ausbau von Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen weiter vorangetrieben werden muss, um den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch zu erhöhen. Mit der Wasserkraft gibt es seit langem einen starken erneuerbaren Energieträger. Trotz des kürzlich erzielten Kompromisses gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie der Ausbau von erneuerbarer Energien gehandhabt werden soll.

Neue Rahmenbedingungen für die Planung von Energieanlagen

Ende September verabschiedete das Parlament nach einer rund zweijährigen Beratung den sogenannten Mantelerlass. Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien hat politische und wirtschaftliche Konsequenzen: Die bisherige Selbstversorgungsfähigkeit der Schweiz soll erhalten bleiben und Importe im Winterhalbjahr 5 Terawattstunden nicht überschreiten. Neben dem angestrebten Zubau der erneuerbaren Stromproduktion sollen zusätzliche 2 Terawattstunden Kapazität insbesondere für die Wintermonate mittels Wasserkraft bis 2050 erreicht werden. Exklusive Wasserkraft betragen die Zielwerte für erneuerbare Energien nun 35 Terawattstunden bis 2035 und 45 Terawattstunden bis 2050.

Zur Erreichung der Ausbauziele wird zudem eine gleitende Marktprämie eingesetzt werden. Die Vergütung für Elektrizität aus erneuerbaren Energien richtet sich nun nach dem vierteljährlich gemittelten Marktpreis zum Zeitpunkt der Einspeisung, um Großanlagen zu fördern. Anlagen Bis zu einer Leistung von 150 Kilowatt erhalten eine Vergütungsgarantie zum Gebotspreis. Steigt der Preis für die bereitgestellte Energie über denselben, gehen die Gewinne zurück in den Netzzuschlagsfonds. Der Bundesverband Swissolar begrüßte insbesondere die Einführung dieser garantierten minimalen Abnahmevergütung.

Weichen werden in Richtung Energiezukunft gestellt

Laut SRG SSR Wahlbarometer vom Oktober 2023 liegen aktuell die Schweizerische Volkspartei (SVP) und  Sozialdemokratische Partei (SP): prozentual anhand der geäußerten Wahlabsichten vorne. Die befragten WählerInnen nennen als wichtigste politische Herausforderungen die Krankenkassenprämien, den Klimawandel, die Zuwanderung und die soziale Sicherheit und Lebenshaltungskosten. Die Versorgungs- und Energiesicherheit folgt an vierter Stelle. Dabei vertreten die sechs verschiedenen Parteien unterschiedliche Standpunkte zur Förderung erneuerbarer Energien. Alle Aussagen beziehen sich auf die über die Websiten der Schweizer Parteien verfügbaren Wahlprogramme.

  • Die SVP ist skeptisch gegenüber einer übermäßigen Förderung erneuerbarer Energien durch den Staat und spricht von einer akuten Gefährdung der Schweiz durch eine Strommangellage. Sie betont die Wichtigkeit einer sicheren und kostengünstigen Energieversorgung und die Rolle der Wasserkraft. Zudem sieht sie die Kernenergie, inklusive des Baus neuer Atomkraftwerke, als eine Übergangslösung, bis erneuerbare Energien wirtschaftlich tragfähig sind.
  • Die SP unterstützt den Ausbau erneuerbarer Energien, verfolgt dabei aber eine Cleantech-Strategie und fordert die effizientere Energienutzung und Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen. Sie verfolgt das langfristige Ziel, den Gesamtenergieverbrauch der Schweiz ausschließlich aus erneuerbaren Energien zu speisen.
  • Die FDP setzt auf marktbasierte Lösungen betont die Notwendigkeit einer international verknüpften Lösung. Dass fehlende Stromabkommen mit der EU ist schon lange ein strategisches Thema für die Schweiz, denn die Versorgungssicherheit der Schweiz baut auf die Vernetzung zum europäischen Stromnetz. Die FDP will erneuerbare Energien rasch ausbauen, aber auch bestehende Kernkraftwerke weiterbetreiben.
  • Die Grünen betonen die Bedeutung der Elektrifizierung zum Zweck der Reduktion des Primärenergieverbrauchs, und zugleich die Rolle von Energiesparmaßnahmen und Energieeffizien Sie setzen sich für den Abbau von Verfahrenshürden für den Bau von Solaranlagen ein.
  • Die Mitte betont die Bedeutung einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung aus dem Inland. Sie unterstützt den Ausbau erneuerbarer Energien und will Versorgungssicherheit durch pragmatische Lösungen gewährleisten, setzt jedoch auch auf eine effiziente Nutzung von Energie.
  • Die Grünliberale Partei (GLP) setzt nach wie vor auf finanzielle Anreize um mehr Energieeffizienz zu erreichen und positioniert für eine Öffnung gegenüber der EU. Parallel zum Ausbau der Erneuerbaren verlangt sie eine Investitionsoffensive in Energiespeichertechnologien.

Erneuerbare Energien für mehr Versorgunssicherheit

Aktuell liefern die erneuerbaren Energien bereits einen konkreten Beitrag an die Versorgungssicherheit – die Schweiz hat 2022 erstmals mehr als ein Gigawatt Photovoltaik-Leistung neu installiert. Der Ausbau findet allerdings fast ausschließlich auf Dächern statt. In Zukunft werden Grundversorger als Standard ein Produkt anbieten müssen, das insbesondere auf der Nutzung von inländischen erneuerbaren Energien beruht. Das Potenzial von Photovoltaik-Anlagen auf bestehender Infrastruktur wird laut VESE auf etwa 60 Terawattstunden geschätzt und das von Freiflächenanlagen in alpinen Gebieten auf gut 5 Terawattstunden. Damit die Schweiz ihre Ziel bei Erneuerbaren erreicht, müssen auch neue leistungsstarke Photovoltaik-Freiflächenanlagen gebaut werden.

Nettostromerzeugung in der Schweiz 2023 basierend auf Daten von ENTSOE
Nettostromerzeugung in der Schweiz 2023 basierend auf Daten von ENTSOE.

Quelle: Swiss Energy Charts

Schließlich hat die Schweiz hat bereits Maßnahmen ergriffen, um den Einsatz von Elektrofahrzeugen zu fördern, wie zum Beispiel Steuervergünstigungen und den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Vor den Wahlen wird darüber diskutiert, wie diese Maßnahmen weiter ausgebaut werden können. Konkret hat Swissgrid gerade die letzte Tranche der Wasserkraftreserve für den Winter 2023/24 gemäß der Verordnung über die Errichtung einer Stromreserve (WResV) vom Januar 2023 beschafft. Es bleibt zu hoffen, dass das Schweizer Parlament auch in der neuen Legislaturperiode dem Ausbau der erneuerbaren Energien zugewandt bleibt und ihn weiterhin aktiv voranbringt. (Hannah Bergler)

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