Das ist umso verrückter als doch das Gros der Hersteller in der ESMC selbst zum Teil im großen Maße Vorprodukte wie Ingots, Wafer, Zellen, Glas, Folien, Alurahmen, Anschlussdosen oder auch ganze OEM-Module importieren. Nach aktuellen Angaben aus der Branche machten die OEM-Module allein zirka acht bis neun Gigawatt der gesamten Modulimporte aus China aus. Sie dürften sich also in sehr vielen EU-Solarmarken finden. Welche sich dann wie ein „deutscher“ Modulhersteller nicht daran hindern lassen, ihre eigenen Vorlieferanten aus China mit Dumping- und Zwangsarbeitsvorwürfen zu überziehen. Ohne gleichzeitig darzulegen, wie der „deutsche“ Hersteller selbst mit möglicher Zwangsarbeit umgeht, um diese sicher zu verhindern. Dieses Verhalten befremdet mich sehr.
Sieht man sich dann dieses Bild aus dem brandaktuellen und sehr beeindruckenden „EU Solar Jobs 2023 Report“ von Solarpower Europe an, sieht man die Verhältnisse bei den Jobs sehr gut:
Solarpower Europe kommt für 2022 auf insgesamt beeindruckende 648.000 Solarjobs in der EU. Für 2023 wird ein sattes Wachstum auf 807.000 Solarjobs in der EU erwartet. Sieben Prozent dieser Solarjobs davon sind in der Produktion, das Gros davon ist im Bereich der „Inverter“ also Unternehmen wie die aktuell stark wachsende SMA Solar AG.
Grafik aus EU Solar Jobs 2023 Report der SPE.
In der unter anderem im ESMC organisierten Kette Ingot, Wafer, Zelle, Modul sind es nur 8.188 Solarjobs. Diese extrem kleine Zahl von vertretenen Solarjobs steht in einem krassen Widerspruch zu ihrem extremen Auftreten. Es ist klar, dass es weder dem Gros in der Branche noch den Medien oder der Politik bewusst ist, über welche Größenordnungen wir hier reden.
Derzeit fordert also maximal ein Prozent aller Beschäftigten in der EU-Solarbranche Maßnahmen, die 99 Prozent der Branche massiv schädigen werden beziehungsweise arbeitslos machen. Außerdem werden die Maßnahmen die Klimaschutzziele sowie der Ziele der Energiesicherheit in der EU zerstören.
Hier behauptet also quasi ein Schreiner der Schränke in kleinen Serien fertigt, dass IKEA mit seinen Schränken Dumping macht und man sofort Zölle bräuchte. Und begründet es mit unbelegten Dumpingvorwürfen. Oder behauptet noch dreister, dass es keine Skaleneffekte in der Produktion von Solarprodukten gäbe. Das macht mich sprachlos.
Mir will nicht in den Kopf, warum der kleine ESMC den anderen 99,x Prozent des Marktes, unter anderem den eigenen Kunden, hier ohne jede Abstimmung so hart entgegentritt. Zumal wir noch im Januar einen gemeinsamen Brief mit wesentlichen Akteuren aus Produktion und Markt an die Bundesregierung formuliert hatten.
In dem Brief ging es um das notwendige Handeln, wenn man eine XXXL-Produktion in der EU aufbauen will. Das geht nur mit einer langfristigen Strategie, um Innovationen und massives Wachstum zu ermöglichen. Und sehr viel Geld beziehungsweise eine entsprechende Absicherung der Investitionen in XXXL-Wachstum. Zölle gehören nicht dazu, da sie keine einzige Investition ermöglichen. Was man auch in der EU-Herstellerszene am schlechten Beispiel von Solarworld 2013-2018 gesehen haben müsste.
Die 99 Prozent des Solarmarktes (und damit der Kunden) stehen hinter der Idee, wieder wesentlich mehr wettbewerbsfähige Module „Made in EU“ zu haben. Und zur Aufforderung an die EU, dies zu ermöglichen. Einseitige, neue Zollforderungen werden wir mit allen Mitteln bekämpfen.
— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Neue Energiewelt“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —
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Der Hauptgrund für die chinesischen ‚Dumpingpreise‘ liegt m.E. nicht !! in der Direktförderung, sondern in der länger zurückliegenden EEn Förderung durch die chinesische Politik. So können eben jetzt die Firmen in China mit Hilfe von EEn aus ihrer Nähe viel billiger produzieren! Die USA haben das kapiert, nur die EU ist der Wirtschaftshanswurst des reinen ‚freien Marktes ‚
Es ist wahrscheinlich sinnlos, in der chinesischen Wirtschaftspolitik irgendwelche klugen Schachzüge sehen zu wollen. Der Erneuerbaren-Anteil an der Stromversorgung ist in China jedenfalls noch wesentlich geringer als bei uns. Die Chinesen sind einfach noch nicht so saturiert wie wir. Die Löhne sind geringer, Urlaub machen sie nur kurz im eigenen Land, und die Altersstruktur ist eine andere.
Außerdem hat China aus den vergangenen Jahrzehnten riesige Devisenreserven in Dollar angehäuft. Mit diesem Geld können sie auch vorübergehende Ungleichgewichte abpuffern. Ständig kommen irgendwelche Horrormeldungen über zusammenbrechende Immobilienunternehmen mit astronomischen Schadenshöhen, aber außerhalb Chinas ist davon nichts zu merken.
Wenn China qualitativ zu den Industriestaaten aufschließt, und danach sieht es zur Zeit aus, dann werden auch dort die Löhne steigen. Mit den Arbeitnehmerrrechten wird es vielleicht auch etwas besser, aber über amerikanischen oder japanischen Standard (zwei Wochen Urlaub im Jahr) wird das nicht hinausgehen. Wir werden unsere Errungenschaften so nicht halten können. Unser Vorsprung bestand vor allem in höherer Produktivität, aber der schmilzt dahin. Dann heißt es entweder: Mehr arbeiten oder Wohlstandsverzicht. Wird sicher schwer werden, für den ein oder anderen. Das Zauberwort in der Generation Z(ahlungsfähig) heißt doch „Work-Life-Balance“. Die sehen das glaube ich realistischer als ihre Alten.
Die Argumentation von Herrn Remmers scheint sich einseitig gegen die Produktion von Solarkomponenten wie Wechselrichtern, Modulen und Zellen zu richten. Dazu kommen noch Gestelltechnik und Arbeitsplätze in Forschung bei den einschlägig bekannten Instituten. Daneben sind auch Arbeitsplätze in der kaum noch vorhandenen Zulieferindustrie (Solarglas, Drähte) zu nennen. All diese Arbeitsplätze sind aktuell akut gefährdet. Der Grossteil der Arbeitsplätze in Installation und Handel ist nicht gefährdet und auch eine Reglementierung die von den Herstellern aus China Produktion ohne Zwangsarbeit verlangt stellt keine Gefährdung der Arbeitsplätze und der Ausbauziele in der EU dar!
Die Argumentation gegen ein gemeinsames Vorgehen der Europäischen Solarbranche ist meiner Meinung nach unbegründet und wird den Entwicklungs- und Produktionsstandort EU in jedem Fall stärken und gleichzeitig China zwingen die Zwangsarbeit zumindest zu überdenken wenn nicht sogar einzuschränken! Ein gemeinsames Vorgehen der westlichen Demokratien wie den USA und der EU dagegen ist nun wirklich negatives!
Ich bin sehr für einen xxxl- Ausbau der Modulwertschöpfungskette in der EU- daran mitzuarbeiten hat schon viel meiner Zeit in Anspruch genommen und u.a. ist daraus die Brief von (Modul-) Herstellern und Systemhäusern, etc. entstanden:
https://www.remmers.solar/2023/03/22/den-450-mrd-euro-markt-fuer-solarmodule-mit-einer-ambitionierten-eu-solarindustrie-erschliessen/
Die Hersteller von Wechselrichtern hatten übrigens den extremen Schaden von der Zölle zugunsten der dennoch gescheiterten Firmen rund um Solarworld. Gerade SMA Solar ist trotz dieses massiven Angriffs aus den eigenen Reihen heute größer und stärker denn je zuvor. Bei knallhartem Wettbewerb aus China und ohne Protektion.
Das Gro der Abnehmer die ich kenne achten übrigens sehr genau auf Ihre Lieferkette in Hinblick auf mögliche Zwangsarbeit.
JEDE neue abrupte Veränderung der Lieferketten würde wie 2013-18 in der EU hunderttausende Jobs kosten und den Klimaschutz brutal ausbremsen. Der Beweis dafür ist leidvoll erbracht worden:
https://www.pv-magazine.de/2023/09/18/totales-desaster-wie-solar-zoelle-zehntausende-arbeitsplaetze-und-existenzen-in-deutschland-vernichteten/