Zölle: Wie ein Prozent der Solarjobs die Zukunft der 99 Prozent aufs Spiel setzen

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Das ist umso verrückter als doch das Gros der Hersteller in der ESMC selbst zum Teil im großen Maße Vorprodukte wie Ingots, Wafer, Zellen, Glas, Folien, Alurahmen, Anschlussdosen oder auch ganze OEM-Module importieren. Nach aktuellen Angaben aus der Branche machten die OEM-Module allein zirka acht bis neun Gigawatt der gesamten Modulimporte aus China aus. Sie dürften sich also in sehr vielen EU-Solarmarken finden. Welche sich dann wie ein „deutscher“ Modulhersteller nicht daran hindern lassen, ihre eigenen Vorlieferanten aus China mit Dumping- und Zwangsarbeitsvorwürfen zu überziehen. Ohne gleichzeitig darzulegen, wie der „deutsche“ Hersteller selbst mit möglicher Zwangsarbeit umgeht, um diese sicher zu verhindern. Dieses Verhalten befremdet mich sehr.

Sieht man sich dann dieses Bild aus dem brandaktuellen und sehr beeindruckenden „EU Solar Jobs 2023 Report“ von Solarpower Europe an, sieht man die Verhältnisse bei den Jobs sehr gut:

Solarpower Europe kommt für 2022 auf insgesamt beeindruckende 648.000 Solarjobs in der EU. Für 2023 wird ein sattes Wachstum auf 807.000 Solarjobs in der EU erwartet. Sieben Prozent dieser Solarjobs davon sind in der Produktion, das Gros davon ist im Bereich der „Inverter“ also Unternehmen wie die aktuell stark wachsende SMA Solar AG.

 

Grafik aus EU Solar Jobs 2023 Report der SPE.

In der unter anderem im ESMC organisierten Kette Ingot, Wafer, Zelle, Modul sind es nur 8.188 Solarjobs. Diese extrem kleine Zahl von vertretenen Solarjobs steht in einem krassen Widerspruch zu ihrem extremen Auftreten. Es ist klar, dass es weder dem Gros in der Branche noch den Medien oder der Politik bewusst ist, über welche Größenordnungen wir hier reden.

Derzeit fordert also maximal ein Prozent aller Beschäftigten in der EU-Solarbranche Maßnahmen, die 99 Prozent der Branche massiv schädigen werden beziehungsweise arbeitslos machen. Außerdem werden die Maßnahmen die Klimaschutzziele sowie der Ziele der Energiesicherheit in der EU zerstören.

Hier behauptet also quasi ein Schreiner der Schränke in kleinen Serien fertigt, dass IKEA mit seinen Schränken Dumping macht und man sofort Zölle bräuchte. Und begründet es mit unbelegten Dumpingvorwürfen. Oder behauptet noch dreister, dass es keine Skaleneffekte in der Produktion von Solarprodukten gäbe. Das macht mich sprachlos.

Mir will nicht in den Kopf, warum der kleine ESMC den anderen 99,x Prozent des Marktes, unter anderem den eigenen Kunden, hier ohne jede Abstimmung so hart entgegentritt. Zumal wir noch im Januar einen gemeinsamen Brief mit wesentlichen Akteuren aus Produktion und Markt an die Bundesregierung formuliert hatten.

In dem Brief ging es um das notwendige Handeln, wenn man eine XXXL-Produktion in der EU aufbauen will. Das geht nur mit einer langfristigen Strategie, um Innovationen und massives Wachstum zu ermöglichen. Und sehr viel Geld beziehungsweise eine entsprechende Absicherung der Investitionen in XXXL-Wachstum. Zölle gehören nicht dazu, da sie keine einzige Investition ermöglichen. Was man auch in der EU-Herstellerszene am schlechten Beispiel von Solarworld 2013-2018 gesehen haben müsste.

Die 99 Prozent des Solarmarktes (und damit der Kunden) stehen hinter der Idee, wieder wesentlich mehr wettbewerbsfähige Module  „Made in EU“ zu haben. Und zur Aufforderung an die EU, dies zu ermöglichen. Einseitige, neue Zollforderungen werden wir mit allen Mitteln bekämpfen.

— Der Autor Karl- Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv- magazine Group und die Konferenzserie „Forum Neue Energiewelt“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —

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