Normenverstoß bei Balkonsolar: Mikrowechselrichtern von Deye fehlt Schutz-Relais

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Eine Gruppe von Youtubern entdeckte die fehlende Netz- und Anlagenschutzschalter in Mikrowechselrichtern der Firma Ningbo Deye Inverter Technology. Ein wichtiges Bauteil, das dem Schutz vor Stromschlägen und Netzfehlern dient. Ohne dieses Bauteil verstoßen die Wechselrichter gegen die Norm und dürften in Deutschland nicht installiert werden.

Andreas Schmitz, auf Youtube auch als Akkudoktor bekannt, veröffentlichte ein Video zum Thema. Schmitz zufolge verfügt der „Deye SUN600G3“ – ein Mikrowechselrichter für Photovoltaik-Balkonanlage nicht über ein mechanisches Relais, einen sogenannten Kuppelschalter. Der ist aber Vorschrift laut VDE-AR-N 4105. Dem Prüfzertifikat von Intertek zufolge ist auch ein Kuppelschalter vom Typ Hongfa HF115F verbaut. Beim Öffnen des Wechselrichters fanden Andreas Schmitz und andere Youtuber diesen Schalter aber nicht.

Das Innere eines aufgeschraubten Deye Sun600 offenbart, dass ein mechanisches Relais überhaupt nicht vorhanden ist. Dieses müsste über der rechten elektromagnetischen Spule verbaut sein.

Foto: Holger Laudeley

Im schlimmsten Fall folgt daraus ein Entzug der Betriebserlaubnis: „Sofern Verbraucher Geräte betreiben, die kein beziehungsweise ein ungültiges Zertifikat zur Einhaltung der VDE-AR-N 4105 haben, dürfen diese Geräte nicht am Verteilnetz betrieben werden“, sagt Michael Reifenberg, Pressesprecher der Bundesnetzagentur. Die Behörde empfiehlt Verbrauchern, sich mit dem jeweiligen Händler oder Netzbetreiber in Verbindung zu setzen. Mögliche Sanktionsmaßnahmen seitens der Marktüberwachung könnten laut Bundesnetzagentur eine Anordnung zur Rücknahme von Produkten aus den Verkaufsregalen sein. Auch ein Rückruf von Produkten bei Endkunden sei möglich. Daneben bestünden entsprechende Bußgeldvorschriften. Auf Anfrage gab der Hersteller Deye keine Stellungnahme zu der Thematik.

Sicherheit für Netz und Nutzer

Hintergrund der Maßnahme ist die Betriebssicherheit der Geräte. „Im betreffenden Fall geht es um Spannungsfreischaltung und darum, die Gefahr eines elektrischen Schlages abzuwehren“, sagt TüV-Rheinland Pressesprecher Alexander Schneider. Wenn der Stecker eines Balkonmoduls aus der Steckdose des Hauses gezogen wird, darf das System keinen Strom mehr produzieren. Ohne diesen Schalter wirds gefährlich. „Falls eine Schutzfunktion auslöst, zum Beispiel bei einem Netzausfall, wird der Kuppelschalter vom Netz- und Anlagenschutz (NA-Schutz) angesteuert und löst automatisch aus“, sagt Schneider. Ohne diesen Kuppelschalter tritt keine Abschaltung ein. Somit kann eine Einspeisung von elektrischer Energie erfolgen. Dies berge Gefahren für das Netz.

Eine Gefahr für Endkunden gehe durch das fehlende Bauteil allerdings nicht aus, sagt Jens-Peter Eufinger. Der Youtuber vom Kanal „voltamperelux“ misst regelmäßig die elektrischen Eigenschaften von Photovoltaik-Wechselrichtern durch. Er veröffentlichte bereits Ende Mai ein Video über das betroffene Deye-Gerät. „Wenn der Stecker gezogen wird, habe ich zwar im höchsten Fall immer noch 500 Volt Gleichspannung an den Kontakten gemessen, aber weil die Kondensatoren so klein sind, steckt da nur noch eine geringe Energiemenge dahinter“, sagt der promovierte Elektrochemiker. Davon ginge nur noch ein kleiner elektrischer Schlag aus, der vergleichbar mit der statischen Aufladung durch Kleidung oder Teppich sei.

Händler fürchten hohe Kosten  

Holger Laudeley verkauft Photovoltaik-Balkonanlagen über einen Online-Shop. Die Wechselrichter von Deye seien auch in seinem Sortiment gewesen. Aktuell setze er den Verkauf aus, obwohl er noch rund 5000 Deye-Wechselrichter im Lager habe. Nicht nur der Sun600 sei betroffen. Auch in den Serien Sun 300, Sun500 und Sun1300 fehle das Relais.

An vielen anderen Stellen liefe der Verkauf aber einfach weiter. Laudeley habe bereits Drohungen von einem Shop-Konkurrenten erhalten, weil er die Modelle mit den fehlenden Kuppelschaltern auf Youtube öffentlich demonstriert. „Ich habe dann so Sachen gehört, wie 'nimm dein Video vom Netz, sonst wird dein Auto Schwierigkeiten haben'“, sagt Laudeley. Seinen wirtschaftlichen Schaden schätzt er auf eine Summe zwischen 800.000 und 900.000 Euro. Bei seiner Firma mit sechs Angestellten könne das der Untergang sein. „Wir bereiten jetzt eine Strafanzeige gegen Deye vor“, sagt Laudeley.

Auch Laurent Schüller, Inhaber von Wattmeister – ein Anbieter für Stecker-Solar-Geräten – beschloss „Deye erst einmal als Wechselrichter auszuklammern.“ Nachdem es bereits im Februar Probleme mit einer Sicherheitslücke im Wifi-Setup der Deye Wechselrichter gab, zog Schüller nun endgültig den Stecker. „Deye ist als Hersteller und Lieferant im Solarbereich bekannt und stets zuverlässig. Doch unserer Ansicht nach ist es völliger Quatsch, Kunden wissentlich einen mangelhaften Wechselrichter zu überlassen“, sagt der Händler. Er nehme alle Deye-ausgestatteten Anlagen zurück.

Weitere Hersteller betroffen

Ob Schüller sich damit genügend absichert, ist fraglich, denn Deye dürfte nicht der einzige Hersteller mit diesem Problem sein. „Der Fokus liegt gerade auf Deye, aber es gibt noch zahlreiche weitere betroffene Geräte und keiner weiß genau, welche das sind“, sagt Schmitz. Es sei nicht auszuschließen, dass dasselbe noch einmal passiert.

Anfang Juni warnte die Bundesnetzagentur vor einer Reihe von mangelhaften Photovoltaik-Wechselrichtern für Balkonanlagen, blieb aber unspezifisch.  Die Behörde nannte zu diesem Zeitpunkt keine Hersteller. Erst jetzt, nachdem die Mängel bei Deye öffentlich wurden, bestätigt die Behörde auf Anfrage, dass Deye zu der Gruppe gehört, vor der im Juni bereits gewarnt wurde.

Auch einige Mikrowechselrichter der Hersteller Bosswerk und TSUN scheiterten an der Normenkonformität, heißt es von der Bundesnetzagentur. Das heißt nicht unbedingt, dass das Relais gefehlt hat, die Experten haben auch andere Anforderungen untersucht, die die Geräte erfüllen müssen, um in der EU in Verkehr gebracht werden zu dürfen. Bosswerk habe reagiert und sein Produkt technisch so verändert, dass es im Verkauf bleiben darf.

Bei TSUN ist es komplizierter. Im Juni hat die Bundesnetzagentur im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Zoll festgestellt, dass bei den untersuchten Geräten mit der Typenbezeichnung TSOL-MS600 und TSOL-MS800 die Angaben zum Einführer gefehlt haben. „Zudem wurden messtechnische Untersuchungen aus der beim Zoll zur Einfuhr vorgestellten Solarwechselrichter durch das akkreditierte Messlabor der Bundesnetzagentur durchgeführt”, schreibt die Pressestelle. Dabei seien Überschreitungen von Grenzwerten festgestellt worden. Ein Rückschluss auf bereits im Markt befindliche Geräte vom gleichen Hersteller oder Typs sei aktuell nicht möglich.**

TSUN selbst teilt mit, dass Gespräche  mit der Bundesnetzagentur über Geräte dieser zwei Produktlinien laufen würden, die im Übrigen das geforderte Relais enthielten. Die deutschen Forschungs- und Entwicklungspartner hätten bereits eine Lösung für die kritisierten Punkte erarbeitet. Diese werde getestet und TSUN äußert sich zuversichtlich, dass das Problem bald gelöst sein würde. Alle anderen Produkte des Herstellers würden die  Anforderungen sowieso erfüllen.

Es gibt aber noch weitere Hersteller mit Problemen, heißt es von der Bundesnetzagentur. Welche das sind, lässt sie weiterhin offen. Weitere „Hersteller oder Produkte können nicht namentlich aufgeführt werden, weil bei einigen Herstellern noch Verwaltungsverfahren laufen“, sagt Reifenberg. Auf der anderen Seite „sollte es nicht Aufgabe der Händler, Endveraucher oder Youtuber sein, entsprechende Geräte aufzuschrauben.“

Ein Ärgernis findet Andreas Schmitz. „Der Verkauf der betroffenen Wechselrichter wäre ja munter so weitergegangen, wenn wir in unserer spärlichen Freizeit nicht den Job machen würden, den man eigentlich von der Bundesnetzagentur erwarten würde.“ Dass das fehlende Bauteil bei Deye erst durch die Vernetzung einzelner Youtuber, wie dem Akkudoktor, voltamperelux, Marc testet, enercab und der Kanal ans Tageslicht gekommen ist, bezeichnen die fünf „als Witz“.

Deye bietet Lösung an

Mittlerweile bietet Deye eine Lösung an, die das von der VDE-Norm verlangte Relais durch ein externes Relais ersetzen soll. Zudem betont der Hersteller, dass durch die Nachrüstung eines externen, mechanischen Relais die Lebensdauer des Systems verlängert würde, weil das Relais eigentlich nicht den hohen Betriebstemperaturen im Inneren des Mikrowechselrichters ausgesetzt sei. Unklar ist, ob dieser Lösungsvorschlag für die notwendige Normenkonformität sorgen wird. Deye bietet die Lösung dennoch bereits zur Online-Bestellung an.

„Die vorgeschlagene Korrekturmaßnahme stellt eine wesentliche Änderung des Produkts dar“, sagt Reifenberg von der Bundesnetzagentur. In Konsequenz müsse der Hersteller hierfür ein neues Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. „Hierzu fehlen der Bundesnetzagentur aktuell entsprechende Nachweise, beispielsweise von einer notifizierten Stelle, die das neue Produkt entsprechend bewertet hat“, so Reifenberg. Wenn die externe Relais-Box in der EU in den Verkehr gebracht werden soll, muss sie nicht nur ein Konformitätsverfahren durchlaufen, sondern auch als Nachweis dafür ein CE-Kennzeichen tragen.

Scarlet Schmitz 

Die Autorin Scarlet Schmitz ist freie Journalistin.
Transparenzhinweis: Scarlet Schmitz ist mit dem im Artikel zitierten Andreas Schmitz liiert.

**Anmerkung der Redaktion: Die Passagen zu TSUN wurden am 14.8. aktualisiert und korrigiert. Wir entschuldigen die missverständliche Formulierung der vorherigen Version, aus der einige Leser den Schluss gezogen haben, alle Geräte des Herstellers seien betroffen. Die Bundesnetzagentur bestätigte pv magazine, dass es sich nur um zwei Mikrowechselrichter des Herstellers handelt.

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