Diskussion um Brandschutz für Photovoltaik-Anlagen auf Industriegebäuden

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Die Versicherungswirtschaft sieht Handlungsbedarf bei der Installation von Photovoltaik-Anlagen auf Industriehallen und wird noch im Dezember die VdS Richtlinie 6023 veröffentlichen. Das kündigt Lutz Erbe, Sachverständiger bei VGH Versicherungen, auf der 6. Photovoltaik und Sicherheitstagung an. Sie wird von Conexio PSE in Kooperation mit der DGS in Berlin veranstaltet und ging am Freitag zu Ende.

Ein Anlass für die neue Richtlinie ist das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg aus dem Jahr 2019, bei dem eine Versicherung einen Installationsbetrieb verklagte, der auf einem Gebäude mit brennbarer Dachhaut eine Photovoltaik-Anlage errichtet hatte. Eine Photovoltaik-Anlage müsse so installiert werden, dass eine „sichere Trennung zwischen den elektrischen Komponenten als Zündquellen und der Dachoberfläche als Brandlast“ gewährleistet sei, urteilten die Richter.

Abgesehen von Qualitätsmängeln, von denen Erbe angibt in seiner täglichen Arbeit viele zu sehen, bestehe auch bei fachgerecht gebauten Anlagen ein Brandrisiko. Lichtbögen könnten zu Schmelzen von Modulteilen führen, diese tropften auf das Dach. Es sei schwer vorhersehbar, wann dieses dann anfangen zu brennen. Unter anderem fordere daher die angekündigte VdS-Richtlinie serielle Lichtbogenerkennung, wie sie bereits in vielen Wechselrichtern integriert sei, und eine Lösung bei brennbaren Dachdämmungen. Das Dach zu tauschen sei keine Alternative, da damit die Photovoltaik unwirtschaftlich werde. Denkbar sei, unter dem Modulfeld eine zusätzliche Abdeckung aufzubringen, etwa aus nicht brennbare Mineralwolle und einer PVC-Dachbahn. „Das halte ich für realistisch“, sagt Erbe.

Jede zusätzliche elektrische Installation auf einem Dach birgt ein Restrisiko, insofern auch jede Photovoltaik-Anlage. Wichtig sei, dass man mit Maßnahmen das Risiko zu minimiere. Das Urteil aus Oldenburg sei nämlich zu relativieren. Es habe Bezug genommen auf einen Übersetzungsfehler in der VDE 0100-100. Dort habe es in der deutschen Übersetzung zunächst geheißen, dass kein Risiko zur Entzündung von brennbaren Materialien bestehen dürfe. Inzwischen sei der Satz dahingehend korrigiert worden, dass das Risiko „nur“ minimiert werden müsse, wie es auch im englischen Original steht.

Kritik aus der Solarbranche

Dass man sich auf ein Gerichtsurteil beziehe, das auf einer inzwischen korrigierten Norm und einer anderen inzwischen zurückgezogenen Norm beruht, war nur einer der Kritikpunkte von Maria Roos, Referentin für Technik beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar), am Vorgehen der Versicherungswirtschaft.

Roos bemängelt unter anderem, dass die Versicherungswirtschaft in diversen Veröffentlichungen sinngemäß schreibe, dass Photovoltaik-Anlagen grundsätzlich ein hohes Schadenspotenzial bergen. Roos kontert mit der Frage, ob die Versicherungswirtschaft den erforderlichen Ausbau der Photovoltaik behindere. Gerade im Segment auf Industrie – und Gewerbebetrieben bestehe ein Potenzial von 100 Gigawatt Photovoltaik-Leistung. Roos hätte sich gewünscht, dass die Versicherungswirtschaft mit dem BSW-Solar, der Solarbranche und den bei der Tagung anwesenden Gutachtern zusammen daran gearbeitet hätte, um die Sicherheit zu erhöhen, statt jetzt erst zur Kommentierung des Entwurfs einzuladen.

Ein Teilnehmer der zweitägigen Konferenz äußert die Verwunderung, dass die Versicherungswirtschaft ein Risiko minimieren wolle, was sie gar nicht kennt. Denn Statistiken oder Zahlen zu Bränden und Brandursachen legt sie keine vor. Dem Gesamtverband der Versicherungswirtschaft war es bisher zu aufwendig, Brandstatistiken für Photovoltaik-Anlagen zu erstellen. Bei den großen Industriebauten werde allerdings keine Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt bewertet, sagt Erbe. Es gebe zu wenig Objekte, um das Risiko statistisch zu betrachten. Gutachter einer Versicherung stellten daher nur fest, ob ein Objekt versichert werde oder eben nicht.

Inhaltlich sieht es so aus, dass die Lichtbogenerkennung vom anwesenden Fachpublikum generell als sinnvoll akzeptiert wird. Ob grundsätzlich eine zusätzliche nicht-brennbare Abdeckung unter Photovoltaik-Anlagen nötig ist, oder ob es nicht eine ausreichende Maßnahme wäre, generell eine hohe Installationsqualität sicherzustellen, ist aber umstritten.

Auch für Lutz Erbe sind die zukünftigen Anforderungen nicht in Stein gemeißelt. Wichtig sei, dass an Photovoltaik interessierte Unternehmer im Bewertungsprozess mit den Versicherungen ins Gespräch kommen und die Bereitschaft zeigen, das Risiko durch eine Photovoltaik-Anlage auf ihrem Dach zu minimieren. „Die Lichtbogenerkennung hilft enorm“, sagt er. Im Übrigen, auch die angekündigte Richtlinie werde nach der Veröffentlichung kontinuierlich weiterentwickelt werden. An die Solar-Sachverständigen im Tagungsraum richtete er den Hinweis, dass man sich mehr Gehör verschaffen könne, wenn man seine Mitarbeit anböte.

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