Neuer Vorschlag für Abschöpfverfahren der Übergewinne mit Wahlmöglichkeiten

Teilen

Nach dem ersten Konzept aus dem Bundeswirtschaftsministerium und einem Papier aus dem Kanzleramt ist nun ein neuer Vorschlag in Umlauf gebracht worden, wie die Mehrerlöse der Betreiber am Spotmarkt abgeschöpft werden sollen. Es enthält ein „Abschöpfungsverfahren und Wahlmöglichkeiten“. So soll je nach Bestandsverträgen unterschieden werden – also ob bestehende anlagenspezifische Vermarktungsverträge (PPAs) vorliegen oder eben nicht. Dabei gilt für alle Anlagen das gleiche System und diesselben Wahlmöglichkeiten. Die Mehrerlöse werden jedoch nur bei Anlagen ab einem Megawatt abgeschöpft. Bei Anlagen, die vor dem 1. November 2022 einen PPA abgeschlossen haben, haben zudem einmalig die Wahl, für die Laufzeit des Vertrags in die Abschöpfung nach tatsächlichen Erlösen zu wechseln, wie es in dem pv magazine vorliegenden Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt. Dort werde eine eher geringe Sicherheitsmarge von 10 Euro pro Megawattstunde gewährt. Diese Option sei auch bei Direktvermarktungsverträgen gegeben, für die aber wegen der eher höheren Marge mehrheitlich das Standardmodell attraktiver sein dürfte.

Im Standardmodell erfolgt nach dem Papier in Schritt 1 die „Abschöpfung ach Spot-Benchmark“ und wahlweise Schritt 2 „Hedging-Korrektur mit Sicherheitsmargen“. Im ersten Schritt würden damit die Erlöse basierend auf dem Benchmark berechnet, die sich bei einer reinen Spot-Vermarktung ergeben würden. Grundlage für die Berechnung soll die physische Einspeisung und der Day-Ahead-Spotpreis sein. Der Benchmark entspricht in der Regel den tatsächlichen Erlösen. In diesem Modell wird eine Sicherheitsmarge von 30 Euro pro Megawattstunde plus 4 Prozent des Monats-Basepreises kalkuliert.

Im zweiten Schritt stehe es dem Anlagenbetreiber dann frei, die Abrechnung nach Spot-Benchmark um das Hedging-Ergebnis zu korrigieren, so der neue Vorschlag. Diese werde sich im aktuellen Marktpreis „meist abschöpfungsreduzierend“ auswirken, da bei hohen Spotpreisen und tiefen Terminmarktpreisen eher Verluste aus dem Hedging entstehen.

Eine spezielle Regelung ist für ungeförderte Neuanlagen enthalten. Ihnen werde einmalig die Anrechnung eines neuen, nach dem 1. November 2022 geschlossenen PPAs ermöglicht. Für diesen stehe ihnen auch die Möglichkeit der Spitzabrechnung offen. „Auf dieses Weise bleiben geplante PPA-Abschlüsse von Neuanlagen möglich, ohne Verluste zu riskieren. Dies ist eine Begünstigung von neuen Anlagen im Vergleich zu Bestandsanlagen. Derzeit wird geprüft, ob diese Begünstigung rechtlich begründbar ist“, heißt es in dem Konzept.

Neuer Stichtag für die Abschöpfung von Übergewinnen soll nun der 1. November 2022 sein, vorher waren für den Spotmarkt noch der 1. März und 1. September im Gespräch. Spätestens seit der Veröffentlichung des Eckpunkepapiers aus dem Kanzleramt sei klar gewesen, dass es ein entsprechendes Vorgehen geben werde. Die betreffe alle Börsenprodukte, also auch individuelle PPAs von Erneuerbaren-Anlagen. „Das heißt: Vergangenheitsbezogen sieht das Konzept der Bundesregierung eine Ist-Anrechnung von Termingeschäften vor. In die Zukunft gerichtet wird hingegen ein Benchmarkt-Ansatz verfolgt, der sich nach Standard-Terminverträgen (überwiegend Konventionelle) und individuellen PPAs (überwiegend Erneuerbare) unterscheidet“, so das aktuelle Papier.

Bei Standard-Terminverträgen könnten so selbstgewählte Benchmarks angewendet werden. Zudem können Anlagenbetreiber künftige Terminvermarktungsgeschäfte geltend machen und es zukunftgerichtet eine Hedging-Quote nennen, die bei der Abschöpfung berücksichtigt wird. Bei PPAs würden tatsächliche Preise und Mengen umfänglich berücksichtigt, wenn sie vor dem 1. November 2022 geschlossen wurden. Stammen die PPAs aus der Zeit nach dem 1. November dann greife die Abschöpfung nach Spot-Benchmark.

Ein Vorschlag aus der Branche, die erzielten Erlöse aus dem Termingeschäft im Nachhinein zu melden und als Basis für die Abschöpfung zu nutzen, sieht die Bundesregierung kritisch. „Eine Ist-Abschöpfung auf Grundlage von Handelsgeschäften, nach Bekanntwerden des Abschöpfungsinstruments eingegangen wurden, würde zu einer signifikanten Reduktion der staatlichen Einnahmen führen“, so die Begründung. Dieser Vorschlag eröffne Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Abschöpfung.

Technologiespezifische Referenzkosten

Bei den Technologien, deren Mehrerlöse abgeschöpft werden sollen, hat sich nichts geändert. Die Liste umfasst alle Erneuerbaren außer Biomethan, Abfall, Kernenergie, Raffinerie-Rückstände und Braunkohle. Nicht abgeschöpft werden die Übergewinne unter anderem bei Speichern, Steinkohle und Erdgas.

Weiterhin soll die Festlegung von technologiespezifischen Referenzkosten erfolgen sowie ein Sicherheitszuschlag für Spot- oder Terminmarkt gewährt werden. Gleichzeitig werde noch ein 10-prozentiger Vermarktungszuschlag oberhalb der Erlösobergrenze erzielten Erlöse eingeräumt. Am Ende sollen 90 Prozent des abschöpfbaren Betrags auch wirklich an den Staat fließen. „Einbehalt von 10 Prozent der Erlöse ist wichtig, um effiziente Anreize für Dispatch und Verfüg-barkeit oberhalb der technologiespezifischen Erlösobergrenze zu erhalten“, so die Aussage im Papier.

Als Referenzkosten werden bei EEG-Anlagen mit anzulegendem Wert konkret diese angenommen. Wenn die Erneuerbaren-Anlagen keinen anzulegenden Wert haben – also förderfrei entstanden sind – liegen die Referenzkosten bei 10 Cent pro Kilowattstunde. Bei Anlagen aus den Innovationsausschreibungen wird noch die fixe Marktprämie auf die 10 Cent pro Kilowattstunde addiert. Wegen der Berücksichtigungen von Unschärfen liegt der Sicherheitszuschlag am Spotmarkt höher mit den 3 Cent pro Kilowattstunde und bei Photovoltaik sowie Windkraft noch zusätzlich 4 Prozent des Base-Monatspreises, die auch höheren Direktvermarktungskosten Rechnung tragen sollen. Am Terminmarkt sind teilweise keine Sicherheitszuschläge oder nur eher geringe vorgesehen.

BEE: Kernproblem bleibt bestehen

„Der überarbeitete Entwurf aus dem Bundesministerium für Wirtschaft- und Klimaschutz enthält zwar Verbesserungen, das Kernproblem bleibt jedoch bestehen: Ein komplexer, fehleranfälliger Mechanismus zur Abschöpfung von Erlösen anstatt von Gewinnen riskiert gravierende Verwerfungen in der Erneuerbaren-Branche“, kommentierte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). „Die geplanten Eingriffe in bestehende Vermarktungs- und Geschäftsmodelle sorgen bereits jetzt für massive Verunsicherung und die Stornierung von Projekten. Allein bei der Bioenergie wurden rund eine halbe Milliarde Euro an notwendigen Investitionen nicht getätigt. Auch 92 Prozent der Projektierer von Photovoltaik-Anlagen rechnen damit, dass ihre Projekte mit der angekündigten Abschöpfung unrentabel werden.“

„Nicht nur liegen die Kostenstrukturen bei den Erneuerbaren Anlagen immer noch allzu nah oder gar deutlich über den aktuell in der Diskussion befindlichen Erlösgrenzen, auch Marktsegmente wie zum Beispiel der PPA-Markt oder der Terminmarkt würden von dem geplanten Eingriff massiv gestört, was zu erheblichen Verwerfungen am Strommarkt führen könnte“, so Peter weiter. Sie warnte, dass Anreize zur Bereitstellung von Flexibilitäten im Markt fehlten oder könnten völlig unterlaufen zu werden könnten. „Durch die Rückabwicklung von Verträgen drohen eine Vielzahl juristischer Auseinandersetzungen und ein Milliardenschaden, der auch die Gefahr von Insolvenzen in sich birgt. Den weiter vorgesehenen Treppenansatz sieht die Branche – bestätigt durch das Gutachten der Kanzlei Raue – als nicht EU-rechtskonform an.“

Der BEE forderte die Prüfung einer steuerlichen Lösung. „Diese ist europarechtlich zulässig, einfach und effizient. Ansonsten droht der weitere Ausbau erneuerbarer Energien massiv ausgebremst und der Weiterbetrieb vieler Bestandsanlagen riskiert zu werden“, erklärte Peter.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.