„Die Vorgaben zur Direktvermarktung sind für kleinere Photovoltaik-Anlagen völlig überzogen“

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pv magazine: Bisher ist die Direktvermarktung nur für Anlagen ab 100 Kilowatt verpflichtend. Wäre es nicht auch sinnvoll, kleinere Photovoltaik-Anlagen in die Direktvermarktung einzubeziehen?

David Krehan (Foto): Die Vorgaben zur Direktvermarktung sind für kleinere Photovoltaik-Anlagen völlig überzogen und entstammen einer Zeit, in der ein förderfreier Ausbau in weiter Ferne schien. Heute ist zuverlässige Technik zur Messung und Bilanzierung der Anlagen vorhanden und ermöglicht neue Vermarkungsformen und Quartierslösungen. Wir halten aber nichts davon, die Direktvermarktung von kleineren Photovoltaik-Anlagen jetzt gesetzlich vorzuschreiben. Neben dem konsequenten Abbau bürokratischer Hürden braucht es stattdessen einen offenen und flexiblen Vermarktungsrahmen, der den Raum für Innovation und Wettbewerb öffnet.

Welche Vorteile hätte es, wenn solche kleinen Anlagen in die Direktvermarktung einbezogen würden?

Anlagenbetreiber wären dadurch unabhängig von den Einspeisevergütungen im EEG und könnten ihren Solarstrom an der Börse vermarkten. Dort kann sowohl der Wert des erzeugten Stroms als auch der Beitrag zum Klimaschutz honoriert werden. Seit gut einem Jahr übersteigen die hohen Marktwerte für Photovoltaik-Strom die die im EEG festgeschriebenen Vergütungshöhen. Das zeigt sich nicht zuletzt am prall gefüllten EEG-Konto. Ein attraktiver Rahmen für die Direktvermarktung von dezentralen Anlagen ebnet außerdem den Weg in den förderfreien Ausbau auch im Kleinanlagensegment.

Gäbe es zusätzliche Erlösoptionen für die kleinen Anlagen, wenn sie in die Direktvermarktung könnten?

Ja, 90 Prozent der rund 11 Millionen solarfähigen Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland warten auf den klimaneutralen Fuel Switch. Zusätzliche Erlösoptionen über die reine Direktvermarktung hinaus sind ein wichtiger Treiber, um dieses Potenzial schnellstmöglich zu aktivieren. Über Herkunftsnachweise für grünen Strom könnten die Anlagenbetreiber zusätzliche Einnahmen generieren oder von einer Anrechnung der Treibhausgasminderungen ihrer solarbetriebenen Elektroautos profitieren. Die derzeitigen Rahmenbedingungen stehen dem aber noch entgegen.

Was muss sich bei den Herkunftsnachweisen für den Solarstrom konkret ändern?

Das heutige System der Herkunftsnachweise  ist auf Großanlagen zugeschnitten und lässt mittlere und kleine Photovoltaik-Anlagen außen vor. Die Größe eines Herkunftsnachweises ist momentan auf eine Megawattstunde festgelegt. Allein die Kosten für die Registrierung übersteigen derzeit oftmals die Erlösmöglichkeiten für kleine Anlagen. Das liegt auch an unverhältnismäßig hohen Anforderungen an die Zertifizierung. So müssen die Angaben im Herkunftsnachweis durch einen externen Umweltgutachter bestätigt werden. Kompliziert wird es auch, wenn Anlagenbetreiber die Vermarktungsform wechseln möchten. Hier braucht es dringend einfachere und unbürokratische Regeln für kleinere Photovoltaik-Anlagen. So sollten Anlagen unterhalb einer Schwelle von 100 Kilowatt Leistung von der Registrierungsgebühr freigestellt werden und die Pflicht einer externen Begutachtung entfallen. Hilfreich wäre auch, wenn einzelne Anlagenbetreiber ein gemeinsames Herkunftsnachweis-Konto führen können, um diese zu vermarkten und den Aufwand zu senken.

Und wie könnten Photovoltaik-Anlagenbetreiber dann auch stärker von den THG-Quoten profitieren?

Solarstrom, der in privaten Ladesäulen für Elektroautos genutzt wird, kann aktuell nur pauschal als Beitrag zur Treibhausgasminderung geltend gemacht werden. Die tatsächlichen Strommengen, die direkt von der Photovoltaik-Anlage für das Beladen genutzt werden, fallen unter den Tisch. Diese Ungenauigkeit sollte beseitigt werden, denn es geht mittels moderner und intelligenter Messeinrichtung heute viel präziser. Anlagenbetreiber können dann selbst entscheiden, ob sie entweder einen Pauschalwert für ihre Beiträge zur THG-Reduktion anrechnen oder den tatsächlich gemessenen Verbrauch des Elektroautos beim nicht-öffentlichen Laden geltend machen. Die Bundesregierung hat diese Schwäche schon erkannt und im Entwurf des Masterplan Ladeinfrastruktur II eine entsprechende Maßnahme vorgeschlagen. Jetzt muss das Umweltministerium zügig die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen.

Wären damit auch neue Geschäftsmodelle verbunden?

Ja. Stromerträge aus dezentralen Erneuerbaren-Anlagen können künftig vollautomatisiert an der Strombörse vermarktet werden und im Verbund virtueller Kraftwerke Systemdienstleistungen erbringen. Neue Vermarktungsformen wie Peer-to-Peer-Handel mit Blockchain, Quartierslösungen, lokale und regionalen Energiegemeinschaften und Micro-Grids werden dann für einen neuen Solarboom sorgen. Die Unternehmen stehen in den Startlöchern. Aber die Potenziale für die Energiewende vor Ort können nur entfesselt werden, wenn einheitliche Standards geschaffen werden und die Digitalisierung endlich vorankommt.

Apropos Digitalisierung… Bisher hieß es immer, dass die notwendigen Voraussetzungen, also Zähler- und Messkonzepte, zu aufwändig sind und sich bei kleinen Anlagen eher nicht lohnen. Wie wollen Sie das lösen?

Jahrelang wurden kleinteilige Vorgaben für den Ausbau der Photovoltaik gemacht. So steht im EEG nach wie vor die sinnfreie Anforderung der Steuerbarkeit von dezentralen Photovoltaik-Anlagen. Was bei großen Anlagen wichtig ist, verhindert hier förderfreie Vermarktungskonzepte bei Kleinanlagen, wie sie in anderen EU-Staaten bereits etabliert sind. Die Vorgaben zur Direktvermarktung von Kleinanlagen bis 30 Kilowatt sollten sich daher auf die Messung und Bilanzierung der erzeugten Strommengen beschränken, die Sichtbarkeit der Anlagen reicht aus. Die Technik ist also nicht das Problem. Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen, Elektroautos, Speicher lassen sich schon heute voll digital steuern.

Was muss noch geschehen, damit die dezentrale Direktvermarktung gestärkt wird?

Wir brauchen energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen, die Energiewende-Technologien in den Mittelpunkt stellen. Was fehlt, sind Standards, digitale Schnittstellen und Transparenz im Zusammenspiel mit Netzen. Hier klaffen noch erhebliche Lücken, die geschlossen werden müssen. Wir haben in unserem Positionspapier aufgezeigt, was dafür getan werden muss.

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