Europa, unattraktivster Standort für Photovoltaik-Produktion?

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„Die erneuerbaren Energien leisten bisher noch keinen Beitrag zur Energiesouveränität Europas, weil 90 Prozent der dafür nötigen Infrastruktur aus dem Ausland und vor allem aus China importiert wird.“ Mit diesem Statement von Gunther Erfurt, CEO des Schweizer Technologiekonzerns Meyer Burger begann die Paneldiskussion unter dem Titel „Coming home: Renaissance der europäischen Solarindustrie?“ am vergangenen Freitag in der Schweizer Botschaft in Berlin.

Erwartbar und kalkuliert forderte er mit dieser Ansicht Widerspruch heraus, legte aber gleichzeitig einen Finger in die Wunde. Wie kann es Europa gelingen, sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu lösen, ohne sich dabei noch tiefer in die Abhängigkeit von China zu begeben?

Die weiteren Teilnehmer des Panels, Gerd Lippold, Sächsischer Staatssekretär für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, Walburga Hemetsberger, CEO, Solarpower Europe, und Rolf Wüstenhagen, Professor of Management of Renewable Energies, Universität St.Gallen, sahen zwar deutliche Fortschritte, woran es aber nach wie vor fehle, sei das deutliche Bekenntnis der EU zum Wiederaufbau eigener Produktion und eines europäischen Marktes.

Deutlich werde das vor allem im direkten Vergleich mit China. Im Gegensatz zu Europa habe die chinesische Regierung die Bedeutung der Technologie erkannt und in die Ziele für „Made in China 2025“ aufgenommen. Auch die USA hätten inzwischen mit dem gerade verabschiedeten Inflation Reduction Act nachgezogen. Zusammen mit den Anstrengungen in Indien, die eigene Solarindustrie zu fördern und zum Selbstversorger zu werden, sei Europa inzwischen der unattraktivste Standort für die Photovoltaik-Produktion, so Erfurt.

Die Teilnehmer des Panels v.l.n.r: Gerd Lippold, Walburga Hemetsberger, Gunther Erfurt, Rolf Wüstenhagen und die Moderatorin Melinda Crane

Foto: Cornelia Lichner

Dabei sei es schon aus Nachhaltigkeitsgründen wichtig, Solarmodule vor Ort zu produzieren. Der Nachteil der europäischen Produktion gegenüber der asiatischen Konkurrenz betrage einer Studie von Wood Mackenzie zufolge nur 0,3 Cent pro produzierter Kilowattstunde, sagte Erfurt. Ein wichtiges Problem sei aber, dass europäische Hersteller für Komponenten aus Nicht-EU-Staaten wie Glas oder Aluminium Einfuhrzölle zahlen müssen, die das Endprodukt um 3 bis 7 Prozent verteuern. Auf fertig gebaute Photovoltaik-Module, inklusive aller Komponenten, fallen Einfuhrzölle jedoch nicht an. Er plädiere deshalb dafür, dass ein „barrierefreier Marktzugang“ europäische Hersteller nicht benachteiligt.

Dass Solarmodule für Europa in Europa hergestellt werden müssen, sei das zwingend notwendig, stimmte ihm Lippold zu. Darüber hinaus müssten auch Zellen, Wafer und Silizium in Europa produziert werden. So sei der größte Fehler gewesen, dass Europa und hier insbesondere Deutschland seine damals weltweit führende Solarindustrie nicht geschützt, sondern bewusst zerstört habe, erläuterte er. Eine klare Unterstützung der, mit viel Fördergeld aufgebauten Branche, hätte die „Dumping-Strategie“ der chinesischen Führung ins Leere laufen lassen. So wie die EU inzwischen erkannt habe, dass ihre Souveränität von eigener Raumfahrttechnik und Mikroelektronik abhängig sei, so wichtig sei auch die strategische Kompetenz in der künftigen Energieversorgung. Nur wer die Technologie des Basiselementes, der Solarzelle beherrscht und weiterentwickelt, sei nicht von der Lieferfähigkeit und Lieferbereitschaft Chinas abhängig und könne auch die Innovation in der Hand behalten.

Produktion in Europa als Versicherung betrachten

„Outscourcing betrifft alle Branchen, weil es die Preise senkt“, analysierte Rolf Wüstenhagen, „aber es hat auch seinen Preis, weil es die Risiken verschiebt.“ Die Produktion in Europa sei wie eine Versicherung. Sie sei erst einmal teuer, bis etwas schief geht. Und wie schnell etwas schiefgehen könne, hätten die letzten zwei Jahre gezeigt. Schon ein festgeklemmter Frachter im Suez-Kanal führte zu Einbußen, umso mehr die Pandemie und der Ukraine-Konflikt. Allerdings sei eine Abhängigkeit bei Photovoltaik-Investitionen nicht vergleichbar, mit der Abhängigkeit von Brennstoffen, wie bei russischem Gas. Der Aufbau einer europäischen Industrie sollte somit nicht zu Protektionismus führen.

Er erläuterte den etwa 90 Zuhörern aus Politik, Wirtschaft und von anderen Botschaften die Möglichkeiten der Industrieförderung und arbeitete die Unterschiede zwischen der EU und dem Gastgeber des Forums, der Schweiz heraus. Typisch sei, dass die Schweizer eine direkte Förderung einzelner Industriezweige vermeiden, stattdessen setzten sie darauf Hemmnisse abzubauen. Die bevorzugte Option, Investitionen anzukurbeln, sei dabei günstiges Kapital bereitzustellen.

In der EU gebe es auch hier Hemmnisse, sagte Erfurt. Zwar könnten sich private Unternehmen mit einem überzeugenden Konzept Marktkapital organisieren. Allerdings können sie nur organisch wachsen und nur Geld, das sie verdienen, reinvestieren. Sollen sie schneller wachsen, benötigten die Unternehmen mehr Unterstützung, zum Beispiel von der europäischen Investitionsbank. Diese investiere aber vor allem in Photovoltaik-Projekte, nicht jedoch in Hersteller, wohl wegen der Verluste der Vergangenheit.

Hier müsste die Bank ihre Strategie ändern, fordert Hemetsberger. Solarpower Europe sei bereits mit einem Aktionsplan, einer Art Top-Runner-Programm auf die EU zugegangen. Langfristig könne ein regional ausgewogener Mix aus Photovoltaik und Windkraft die Versorgung sicherstellen, insbesondere wenn sich die europäischen Staaten gegenseitig unterstützten. Selbst kurzfristig könnte ein entschlossenes Repoweringprogramm bis zu 10 Gigawatt zusätzlichen Zubau ermöglichen. Sie erwartet, dass sich der Zubau in Europa in diesem Jahr bereits verdoppelt, von 20 Gigawatt in 2021 auf 39 Gigawatt. Bis 2030 sei ein jährlicher Zubau von einem Terawatt möglich.

Dass Europa dafür nicht auf Lieferungen aus China setzen könne, sei klar, da das Land schon in diesem Jahr die Hälfte der Produktion von 240 Gigawatt selbst nutze. Positiv bewerteten die Teilnehmer die deutsche Forschungsförderung und in der EU das Instrument der IPCEI-Projekte. „Die EU hat mit Abstand die beste Technologiebasis“, sagte Erfurt. Auch die duale Ausbildung in Deutschland und in der Schweiz und die hohe Kompetenz der Installationsfirmen seien ein wichtiger Pluspunkt. Für einige der Zuhörer ging die Diskussion noch nicht weit genug. Es sei nicht die Frage, ob Europa oder China die meisten Solarmodule herstellen, äußerte beispielsweise Karl-Heinz Remmers, Gründer der Solarpraxis im Anschluss. Die Produktion müsse insgesamt um Größenordnungen wachsen, um den weltweiten fossilen Energieverbrauch zu senken und die Strategie dafür fehle bislang.

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