EEG-Osterpaket: Solarturbo oder Rohrkrepierer?

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Jetzt ist es schon ein paar Wochen her, dass die deutsche Bundesregierung das lange angekündigte sogenannte Osterpaket verabschiedet hat. Es handelt sich um eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mit weitreichenden Änderungen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland beschleunigen sollen. Viele Institutionen und Verbände haben sich bereits öffentlich dazu geäußert, die Maßnahmen gelobt oder Kritik geübt. Insgesamt überwiegt aber das Lob, denn es sind viele Verbesserungen und Vereinfachungen für zukünftige Investoren und Betreiber enthalten -zumindest in der Theorie.

Das Paket sieht unter anderem den Ausbau der Solarenergie in Deutschland von aktuell installierten etwa 60 Gigawatt auf 215 Gigawatt im Jahr 2030 vor. Dazu müssten pro Jahr aber durchschnittlich 22 Gigawatt neuinstallierter Leistung hinzukommen. Die Vergütungssätze werden dazu wieder etwas angehoben, die monatliche Degression soll bis Anfang 2024 ausgesetzt und ab dann durch eine halbjährliche Degression ersetzt werden. Am 1. Juli 2022 entfiel auch endlich die EEG-Umlage. Die dadurch erwirkte Senkung des Strompreises soll auf die Verbraucher umgelegt werden. Die Finanzierung der Einspeisevergütung soll künftig über den Bundeshaushalt abgesichert werden. Schluss ist auch mit der erzwungenen Drosselung der effektiven Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Photovoltaik-Leistung, zumindest bei Anlagen bis zu einer Größe von 25 Kilowattpeak.

Neben den Verbesserungen bei den Vergütungssätzen sollen auch bürokratische Hürden sukzessive abgebaut werden. Dafür sollen das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und einiger Passagen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) novelliert sowie die Ausschreibungsmechanik geändert werden. Zu guter Letzt soll es auch Vereinfachungen im Steuerrecht, insbesondere für kleine bis mittlere Anlagengrößen geben. Insgesamt umfasst der verabschiedete Gesetzentwurf fast 600 Seiten. Alle Details dazu sind bitte in entsprechenden Veröffentlichungen nachzulesen.

Die für uns wichtigste Frage dazu ist natürlich: was bedeutet das nun für die zukünftige Entwicklung der Photovoltaik-Branche?

Jeder, der die aktuelle Situation im Markt kennt, fragt sich nach der ersten Begeisterung über die beschlossenen Maßnahmen sofort: Wie soll das denn mit dem schnellen Ausbau der Erneuerbaren überhaupt gelingen? Wir kämpfen ja jetzt schon mit einem wachsenden Fachkräftemangel und einer schlechten Verfügbarkeit wichtiger Komponenten. Eine jährlich neuinstallierte Photovoltaik-Leistung von 22 Gigawatt entspräche einer Vervierfachung der Installationszahlen von 2021. Dabei ist die Nachfrageentwicklung auf europäischer und weltweiter Ebene noch gar nicht berücksichtigt. Leider besteht mittlerweile bei der Materialversorgung in fast allen Bereichen, angefangen bei den Solarzellen und Modulen über Wechselrichter, Energiemanagement bis hin zu den Batterieeinheiten eine hohe Abhängigkeit von China. Dort existiert aber ebenfalls ein schnell wachsender Markt, der in diesem Jahr möglicherweise größer als 100 Gigawatt sein wird.

Auch in den USA wächst der Photovoltaik-Markt kontinuierlich, wobei dort viel höhere Preise für Solarinstallationen bezahlt werden als bei uns. Die knapp verfügbare Ware geht aber bekanntlich immer dahin, wo sie am gewinnbringendsten verkauft werden kann. Europa rangiert dabei relativ weit hinten – dank der niedrigen Preise im internationalen Vergleich sowie der hohen Transportkosten, die bei den vorwiegend aus Asien stammenden Produkten hinzugerechnet werden müssen. Es ist also zu befürchten, dass der schnelle Umstieg auf erneuerbare Energien, insbesondere auf photovoltaikbasierte Erzeugungssysteme, am Zugang zu den benötigten technischen Komponenten scheitern könnte. Das dürfte vielen Politikern noch gar nicht bewusst sein, aber ein schnelles Erstarken der europäischen Solarindustrie ohne fremde beziehungsweise staatliche Hilfe ist nahezu ausgeschlossen.

Damit das Projekt Energiewende und der vollständige Umstieg auf Erneuerbare bis 2035, 2040 oder bis wann auch immer nicht zum Scheitern verurteilt ist, sind neben Änderungen im EEG, GEG oder EnWG auch dringend flankierende Maßnahmen in der Arbeitsmarkt- und Industriepolitik notwendig. Der Zugang zu ausländischen Fachkräften, erst recht aber zu Risikokapital muss deutlich erleichtert werden. Dass das EU-Parlament das Greenwashing von Investitionen in Atomkraft oder Gasstromerzeugung gebilligt und die neue Taxonomie durchgewinkt hat, ist dabei das komplett falsche Signal. So fließen Gelder aus Rentenfonds und anderes Anlegerkapital weiter in die fossil-atomare Energieerzeugung und fehlen beim schnellen Aufbau einer von Russland und China unabhängigen Energiewirtschaft.

Wer aber weiß schon, wie lange uns noch Zeit bleibt, um eigene Produktionskapazitäten für Polysilizium, Ingots und Wafer oder aber Solarglas aufzubauen. In diesen Bereichen sind wir in Europa blank – bis zu 95 Prozent der Materialien für die Zell- und Modulfertigung kommen mittlerweile aus Asien. Man stelle sich nur einmal folgendes Schreckensszenario vor: Chinas Regierungschef Xi Jingping fühlt sich durch Putins vermeintliche Erfolge in der Ukraine, sofern bei ihm die russische Propaganda greift, und die Niederschlagung der Proteste in Hongkong bestärkt, sein Herzensprojekt anzugehen, nämlich die Eroberung und Eingliederung Taiwans. Sollte dies passieren, steht die europäische Sanktionspolitik vor einer neuen Zerreißprobe, und die Solarwirtschaft mit ihr. Ohne die Produkte aus China hätten wir auf absehbare Zeit erst recht keinerlei Chancen, die Energiewende umzusetzen.

Momentan läuft es für viele Akteure in der Solarbranche ja noch relativ gut, die Nachfrage ist höher als das Angebot. Die Montagekapazitäten und die Materialverfügbarkeit halten sich in etwa die Waage. Es schien sich in den vergangenen Wochen sogar so etwas wie Preisstabilität bei Solarmodulen einzustellen, da viele Projekte aufgrund der verzögerten Auslieferung der übrigen Komponenten ins Stocken gerieten. Diese Situation scheint nun aber überwunden zu sein und die Preise ziehen wieder an. Schuld daran sind unter anderem die steigenden Polysiliziumpreise und einmal mehr der schwächelnde Euro. Dollarpreise müssen mittlerweile 1:1 umgerechnet werden, was die importierten Komponenten massiv verteuert. Dies konnte in der Vergangenheit nicht immer auf die Käufer abgewälzt werden, was so manchem Hersteller Kopfzerbrechen bereitet. Für neue Lieferverträge werden mittlerweile ganz andere Maßstäbe angelegt.

Einige Modulhersteller kalkulieren ihre zukünftigen Angebotspreise für Europa bereits auf einem Niveau, bei dem ein Dollar mehr wert ist als ein Euro. Niemand mag aktuell prognostizieren, ob sich der negative Wechselkurstrend umkehrt oder weiter verschärft. Andere wollen sich gar nicht festlegen und bauen allerlei Preisgleitklauseln in ihre Verträge ein, flexibilisieren demnach die Angebotspreise. Vertragsverhandlungen für großvolumigere Abnahmemengen sind auf dieser Basis jedoch denkbar schwer, kann man diese Flexibilisierung doch selten auf die geplanten Photovoltaik-Projekte anwenden und mit ihnen in Finanzierungsgespräche gehen. So müssen große Sicherheitsreserven eingeplant werden, was die Vorhaben schnell unwirtschaftlich erscheinen lässt. Aktuell stehen die Zeichen also eher auf Rohrkrepierer als auf Solarturbo. Vielleicht passiert aber ein Wunder und der Politik geht doch noch ein Licht auf!

Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im Juli 2022 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 19.07.2022):

— Der Autor Martin Schachinger ist studierter Elektroingenieur und seit über 25 Jahren im Bereich Photovoltaik und Regenerative Energien aktiv. 2004 machte er sich selbständig und gründete die international bekannte Online-Handelsplattform pvXchange.com, über die Großhändler, Installateure und Servicefirmen neben Standardkomponenten auch Solarmodule und Wechselrichter aus Restbeständen beziehen können, welche nicht mehr hergestellt, aber für die Instandsetzung defekter Photovoltaikanlagen dringend benötigt werden. —

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