Photovoltaik-Ausbau in der Schweiz: Erwünscht, aber kein Selbstläufer

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Der Krieg in der Ukraine und die potenziell langfristigen Folgen für den Handel mit Rohstoffen aus Russland stellen in vielen europäischen Staaten erneut die Frage nach den erforderlichen energiepolitischen Maßnahmen für eine nachhaltige und sichere Stromversorgung in den Mittelpunkt. Auch für die Schweiz als Knotenpunkt des Strombinnenmarktes im Herzen Europas ist die Frage der Versorgungssicherheit und Netzstabilität hochaktuell.

Aktuell hat die Schweiz einen relativ hohen Anteil von etwa einem Siebtel des Arbeitsvolumens in Kontinentaleuropa an vorrätig, wie aus der Studie „Energieperspektiven 2050+ – Exkurs Winterstrom“ hervorgeht. Obwohl die Schweiz daraus produzierten Strom auch ins Ausland verkauft, kann Sie aufgrund eines fehlenden Stromabkommens unter anderem nicht als Standard an den gekoppelten Strommärkten – dem Day-Ahead-Markt und dem Intraday-Markt – der EU teilnehmen. Die Zunahme an ungeplanten Stromflüssen durch die Schweiz hat negative Auswirkungen auf die Netzsicherheit, weshalb Swissgrid sich eine Entscheidung zu Gunsten der Teilnahme am Europäischen Handel wünscht. Zudem wird die Schweiz laut Prognosen auch in der Zukunft von Importen im Winterhalbjahr abhängig sein, denn die Winterstromlücke wird mit dem geplanten Wegfall der Kernenergie im Land größer. Ein gezielter Photovoltaik-Ausbau kann jedoch zumindest im Sommerhalbjahr dazu führen, dass die Produktion den Eigenbedarf der Schweiz übersteigt und Exporte ermöglicht, sowie bis zu 35 Prozent des Bedarfs im Winter decken, wie die Modellierung des BFE (2021) zeigt.

Status quo beim Ausbau

Ende März machte Bundesrätin für Energie Simonetta auf der 20. Nationalen Photovoltaik-Tagung in Bern deutlich, dass „jede zugebaute Kilowattstunde Photovoltaik ist ein Stück Unabhängigkeit und ein Stück Sicherheit“ sei.  Während ihr Standpunkt die Solarbranche unterstützt, geht er dem Branchenverband Swissolar in Bezug auf die Solarförderung nicht weit genug. Letzterer fordert klare und verbindliche Photovoltaik-Zubauziele, sowie einen erhöhten Netzzubaufonds und keinen Zubaustop mit Wartelisten mehr. Der Verband befürwortet zudem eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten, für die jedoch schweizweit keine Einigung in Sicht ist. So lehnte die Schweiz erst im Dezember 2021 eine Solarpflicht bei Neubauten ab. Doch lokale Initiaitven wie die Berner Solar-Initiative streben eine Photovoltaik-Pflicht auf kantonale Ebene an. Diese fordert, geeignete Dach- und Fassadenflächen, welche mit vertretbarem Aufwand ans Stromnetz angeschlossen werden könne, möglichst vollständig für die Produktion von Solarenergie zu nutzen.

Die Photovoltaik-Stromerzeugung erzielt ihren kontinuierlich steigenden Anteil bei der Winterstromerzeugung auch dank der Installation von Photovoltaik-Fassaden. Wie eine Studie zum Solarpotenzial des BFE von 2019 zeigte, könnten diese Anlagen jedes Jahr mehr als 17,2 Terawattstunden bereitstellen. Schweizer Hausdächer und -fassaden könnten insgesamt jährlich 67 Terawattstunden Solarstrom produzieren. Inwieweit das vorhandene Solarpotenzial noch nicht ausgenutzt wird, kann man in der neuen „Storymap zur Transformation des Energiesystems in Gemeinden und Kantonen“ sehen.

Die Karte zeigt das bisher augenutzte Solarpotenzial in Gemeinden und Kantonen.

Quelle: BFE (2022): Verfügbar auf https://www.uvek-gis.admin.ch/BFE/storymaps/DO_Energiereporter/

Die häufig auf Eigenverbrauch optimierten Lösungen auf Dächern und an Fassaden führen zudem nicht zu maximaler Produktion und bestmöglicher Ausnutzung des vorhandenen Potenzials. Könnte die Produktionskapazität durch höhere oder zumindest einheitliche Tarife für die Rückeinspeisung ins Netz auf Produktionskapazität und nicht nur auf Eigenverbrauch optimiert werden?
Nach einem aktuellen Vergleich einer gleitenden Marktprämie mit einem Festpreis, welcher über die Endverbraucher finanziert wird, geht der Fachverband VESE aktuell davon aus, dass letzterer die vorteilhafteste Lösung für Produzenten und Konsumenten wäre. Große Energieversorger wie die CKW würden eine gleitende Marktprämie bevorzugen. Für beides wäre jedoch eine zentrale Abnahmestelle nötig, wofür sowohl SSES, VESE, als auch VSE plädieren.

Neuerungen bei der Solarförderung

Ein weiteres Werkzeug, um den Ausbau zu fördern, sind die Plattformen www.sonnendach.ch und www.sonnenfassade.ch des Bundesamtes für Energie, welche Eigentümern einer Liegenschaft zeigen, inwiefern ihre Gebäudeflächen zur Solarenergienutzung geeignet sind. Nach Angaben des Ministeriums besteht eine hohe Nachfrage nach Fördergeldern. Die Revision der Energieförderungsverordnung (EnFV) ab Anfang 2023 zielt exakt auf die Nutzung dieser Flächen ab: Die sogenannte hohe Einmalvergütung (EIV) für Anlagen  bis 150 Kilowatt Leistung will Anlagen ohne Eigenverbrauch. Es ist jedoch möglich, zusätzlich eine Förderung für eine zweite Anlage für den Eigenverbrauch auf demselben Dach zu . Des Weiteren soll die Wartezeit bei Anträgen über Pronovo, dem öffentlichen Portal zur Förderung von Photovoltaik-Anlagen in der Schweiz, in Zukunft idealerweise nur einen Monat betragen, um ein Stop-and-Go im Anlagenbau durch Verzögerungen zu vermeiden. Damit hofft die Schweiz, den Zubau an Photovoltaik weiter zu steigern. Mit einer erzeugten Solarstrommenge von 11,4 Terawattstunden sind im vergangenen Jahr die Erwartungen bereits übertroffen worden.

Weitere Änderungen betreffen den „Ort der Produktion“, insofern dass Grundstücke für Eigenverbrauch nicht mehr zusammenhängend sein müssen. Das Verbot der Benutzung des Verteilnetzes für Eigenverbrauch bleibt allerdings bestehen. Bei Produktion für den Eigenverbrauch sollen auch Mieter vor zu hohen Strompreisen geschützt werden. Daher wird für einen Preis entsprechend 80 bis 100 Prozent des Standardstromproduktes ein Kostennachweis erforderlich , was für günstigere Preise nicht notwendig ist.

Anlagen auf Gebäuden haben laut BFE in der Schweiz weiterhin Priorität, da Solarstrom relativ günstig im Flachland an Gebäuden zu erzeugen ist. Dennoch wird die bevorstehende Revision Raumplanungsverordnung zum 1.Juli 2022 eine Erleichterung von Baubewilligungen für PV-Anlagen auf länger bestehenden Strukturen und jene, die an Bauzonen angrenzen, zur Folge haben. Künftig werden auch Freiflächenanlagen zumindest auf „vorbelasteten Flächen“ errichtet werden können.

Neuer Lehrberuf gegen Fachkräftemangel

Der Ausbau von Erzeugungskapazitäten hakte jedoch nicht nur auf der Seite der Förderungen und Bewilligungen. Als Fachverband kann Swissolar einige Erfolge im Hinblick auf kritische Punkte für den Ausbau der Solarenergie verzeichnen. Das beste Beispiel könnte die Einführung eines eidgenössisch anerkannten Lehrberufs mit Fokus Solarmontage ab 2024 sein. Swissolar zufolge beklagen aktuell rund 41 Prozent der Betriebe, dass sie weniger als 60 Prozent ihrer offenen Stellen besetzen können.

Häufig wird auf Installateure zurückgegriffen, die nach einer Weiterbildung die Montage der Photovoltaik-Anlagen vornehmen. Jedoch läuft diese Weiterbildung auf Kosten der Betriebe und ist als Beruf in der Schweiz nicht anerkannt, weshalb sich Swissolar erfolgreich für eine anerkannte Ausbildung stark gemacht hat. Das Mandat für die Erarbeitung dieses neuen Lehrberufes wurde an Polybau, den Schweizerischen Dachdeckermeister-Verband, übergeben. Polybau bietet Swissolar Ressourcen, Erfahrung und das nötige Netzwerk zur Erarbeitung eines Lehrberufs für Solarinstallateure sowie einer Qualifikation für Quereinsteiger. Swissolar wird das fachliche Know-how einbringen. Die genaue Berufsbezeichnung ist noch nicht festgelegt, doch wird dieser Schritt der Branche ermöglichen, die fehlenden Fachkräfte zumindest teilweise zu rekrutieren

Swissolar fordert verbindliche Ziele

Swissolar fordert klare und verbindliche Ziele für erneuerbare Energien mit  einem Zielwert von mindestens 30 Terawattstunden im Jahr 2035  sowie mindestens 50 Terawattstunden im Jahr 2050. Dafür, dass nicht nur auf Eigenverbrauch ausgelegte Anlagen attraktiv sein dürfen, ist mit der Revision der EnFV ein erster Schritt getan ist. Außerdem sollen Zusammenschlüsse für den Eigenverbrauch (ZEV) gefördert werden. Dieser Zusammenschluss ermöglicht es Besitzern von Zweck- und Wohnbauten seit dem 1. Januar 2018, ihren selbst produzierten Solarstrom den Bewohnern und Nutzern zum Eigenverbrauch zur Verfügung zu stellen. Swissolar unterstützt diese gemeinschaftlichen Projekte in der Schweiz durch einen Leitfaden. In Zukunft soll außerdem die bisher als Betaversion verfügbare Plattform www.elektroform.ch helfen, durch die Vernetzung von Installateuren, Gemeinden, Verteilnetzbetreibern und von Pronovo die Abwicklung von Solarprojekten zu erleichtern.

Während Swissolar in einem „11-Punkte-Plan“ seine Vision für die Entwicklung der Solarenergie in der Schweiz darlegt, tun sich die anderen Akteure schwer, diesen Weg zu beschreiten. Einzelne Energieversorger schwanken zwischen der Forderung nach einer gleitenden Marktprämie und weiterhin niedrigen, aber stabilen Mindestpreisen für Solarstrom. Die Kantone sind sich bezüglich einer „Solarpflicht“ uneinig. Die Politik fördert nach Möglichkeit, will jedoch aufgrund von des Gegenwinds keine weitergehenden Forderungen stellen, während der Netzbetreiber Swissgrid mit den täglichen Herausforderungen im Netzbetrieb zurechtkommen muss und sich zumindest theoretisch ein Abkommen mit der EU wünscht, um kritische Situationen zu vermeiden.

Die Solarstromproduktion in der Schweiz steht oder fällt in diesem Moment mit engagierten Bürgern und Investoren, die an die Rolle der Technologie in der zukünftigen Stromproduktion glauben und die unabhängige, kostengünstige Stromversorgung mit Solarstrom als notwendigen Teil einer Zukunft zugewandten Stromwirtschaft betrachten. (Hannah Bergler)

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