Lieferkettengesetz: Was Unternehmer jetzt beachten müssen

Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel / phototek.net

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Der Deutsche Bundestag hat das Lieferkettengesetz in dritter Lesung verabschiedet. Kurz darauf winkte es auch der Bundesrat durch. Das umstrittene Gesetz tritt nun ab 2023 in Kraft. Arbeitgeber- und Industrieverbände kritisieren den Vorstoß und monieren einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen am Weltmarkt. Zivilgesellschaftliche Verbände hingegen verweisen darauf, dass das Gesetz durch starken Lobbyeinfluss verwässert wurde und kaum Abhilfe schaffen wird.

Zunächst betrifft das Lieferkettengesetz nur Unternehmen mit Sitz oder Zweigansiedlung in Deutschland, die mehr als 3.000 Mitarbeiter beschäftigen. Ab dem Jahr 2024 soll das Gesetz auch für Unternehmen, ab 1000 Mitarbeitern gelten. Für die Photovoltaik-Branche in Deutschland bedeutet das erst mal, dass nur sehr wenige Unternehmen auch per Gesetz verstärkt ihren bisher freiwilligen Sorgfaltspflichten nachkommen müssen. Anträge der Fraktionen der Grünen und Linken, die Mindestanzahl der Angestellten herabzusetzen, beziehungsweise andere Parameter wie Bilanz und Umsatz mit zu berücksichtigen, hat die Regierungskoalition abgelehnt.

Unmittelbare Zulieferer zuerst

Die von dem Gesetz in die Pflicht genommenen Unternehmen müssen nun eine Risikomanagementabteilung einrichten. Diese neue Abteilung soll sich darum kümmern, die unmittelbaren Zulieferer systematisch und grundsätzlich auf Risiken hinsichtlich der Sorgfaltspflichten aus den Leitprinzipien für die Vereinbarkeit von Wirtschaft und Menschenrechten der Vereinten Nationen, auch UNGP genannt, zu überprüfen. Diese Risikoanalysen sollen jährlich durchgeführt werden. Eine Überprüfung der mittelbaren Zulieferer ist nur anlassbezogen, bei „substantiierter“ Kenntnis über Risiken notwendig. Nach Aussagen der Initiative Lieferkettengesetz, die sich aus mehr als 125 zumeist caritativen, kirchlichen, und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenstellt, bleibt das Lieferkettengesetz dadurch hinter den Präventionsansprüchen der Leitprinzipien der Vereinten Nationen zurück, da die meisten Verletzung vom menschenrechts- und Umweltauflagen gerade weiter oben in der Lieferkette zu erwarten wären. Dieser Teil der Lieferkette ist durch das Gesetz aber nur mäßig erfasst.

Außerdem regelt das Gesetz, dass bei der Einhaltung der Sorgfaltspflicht auch internationale Übereinkommen, wie die POP-Konvention zur Vermeidung von langlebigen Schadstoffen, das Minamata-Abkommen zu Quecksilber-Emissionen und das Basler Übereinkommen zur Verminderung von gefährlichen Abfällen eingehalten werden. Interessant für die Solarbranche dürfte hier vor allem, das Basler Übereinkommen sein, da es auch die Handhabung von Elektroschrott regelt. Darüber hinaus erfasst das Gesetz auch die Schutzgüter Boden, Wasser und Luft bezüglich menschenrechtlicher Risiken. Explizite Schutzgüter bezüglich des Klimas wurden in dem Gesetz nicht erfasst.

Das Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle (BAFA) wurde mit der Umsetzung und Kontrolle zur Einhaltung beauftragt. Dem Gesetz zufolge können Angestellte von mittelbaren Zulieferern, die sich Risiken durch die Verletzung der Sorgfaltspflichten ausgesetzt sehen, dies gegenüber dem zuständigen Bundesamt mitteilen. Dies muss dann tätig werden. Allerdings gibt es auch hier Kritik seitens der Zivilgesellschaft. Da in der jetzigen Fassung eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen ausgeschlossen ist, haben Betroffene von Ungerechtigkeiten kaum eine Chance Unternehmen vor deutschen Gerichten anzuklagen. Auch Schadenersatzforderungen und Wiedergutmachungen kommen laut der Initiative Lieferkettengesetz sehr kurz und sind kaum anwendbar. Besteht keine Chance auf Schadenersatz, liegt die Motivationsschwelle für Betroffene tätig zu werden relativ hoch. Betroffene müssen immerhin nicht selber tätig werden und Prozesskosten tragen. Nach dem Gesetz dürfen auch Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften bestehende Klagewege für Betroffene bestreiten. Das kann auch zivilrechtliche Klagewege beinhalten. Das geht allerdings nur dann, wenn ein Fall besonderer Schwere vorliegt und die mit dem Klageweg beauftragte Gewerkschaft oder Organisationen, eine dauerhafte Präsenz in dem betroffenen Staat unterhält, sich aber nicht gewerbsmäßig für den Schutz der Menschenrechte einsetzt.

Keine Haftung

Da zivilrechtliche Haftbarkeiten ausgeschlossen wurden, gelten für die Unternehmen nur Bußgelder, im Sinne einer Ordnungswidrigkeit, wenn sie ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen. Dafür wurde ein Katalog für die einzelnen Ordnungswidrigkeiten eingerichtet. Die Bußgelder können bis zu mehreren hunderttausend Euro reichen. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro können sogar bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes fällig werden. Unternehmen die ein Bußgeld von mehr als 175.000 Euro erhalten, können für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Es sei auch gesagt, dass Verstöße seitens der Zulieferer gegen die Menschenrechte, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen oder Umweltauflagen nicht unbedingt eine Ordnungswidrigkeit darstellen müssen. Die Unternehmen müssen lediglich nachweisen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht im Sinne der Risikoanalyse nachgekommen sind. Sollte während der Risikoanalyse ein Verstoß auffallen, so reicht es auch aus, ein Konzept samt Zeitplan zur Minimierung des Missstands gemeinsam mit dem Zulieferer zu erstellen. Einmal im Jahr soll dann geprüft werden, ob sich der Missstand verbessert. Erst wenn das nicht geschieht, droht ein Ende der Geschäftsbeziehung mit dem Zulieferer. Aber selbst das Ende der Geschäftsbeziehung würde immer noch keine Ordnungswidrigkeit darstellen. Der Bundesverband nachhaltige Wirtschaft spricht bei dem Lieferkettengesetz deshalb von einer „Bemühungspflicht“ und nicht von einer „Erfolgspflicht“.

“Im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Lieferketten sind wir noch lange nicht am Ziel, aber seit heute endlich am Start,“ kommentierte Johanna Kusch, Koordinatorin der Initiative Lieferkettengesetz den Beschluss. Eine Lobbyschlacht, die ihresgleichen sucht, sei der Entscheidung vorausgegangen, so die Koordinatorin. Besonders dem Bundeswirtschaftsministerium und einigen Unions-Abgeordneten wird vorgeworfen, das Gesetz unter dem Druck der Wirtschaftslobbyisten an entscheidenden Stellen stark abgeschwächt zu haben. Die Initiative Lieferkettengesetz, die als zivilgesellschaftlicher Hauptakteur im Gesetzgebungsprozess agierte, hält sich offen den Verbund der beteiligten 125 Organisationen aufrecht zu erhalten, um weiterhin für ein effektives Lieferkettengesetz zu streiten.

Ob das Gesetz nach der Bundestagswahl unter einer neuen Regierungskonstellation nochmals überarbeitet wird, bleibt abzuwarten. Obwohl die Grünen zahlreiche Änderungsanträge einreichten, die alle abgelehnt wurden, stimmte die Fraktion geschlossen dafür. Dennoch könnte dies nicht das letzte Kapitel eines Lieferkettengesetzes sein, da es zurzeit auch auf europäischer Ebene Bemühungen um ein solches Gesetz gibt.

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