Anstehender Photovoltaik-Boom braucht Bürgerbeteiligung

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Es hagelt derzeit gute Nachrichten für die Photovoltaik: Das Bundesverfassungsgericht verlangt ambitioniertere Klimaschutzmaßnahmen, die Große Koalition plant in diesen Tagen eine Verdreifachung der Photovoltaik-Ausschreibungsmengen für große Photovoltaik-Anlagen auf 6 Gigawatt im Jahr 2022, die Grünen fordern von der Bundesregierung einen jährlichen Photovoltaik-Zubau von 10 bis 12 Gigawatt und Markus Söder kündigt an, die Photovoltaik massiv ausbauen und dafür unter anderem die Flächenkulisse für Solarparks auszuweiten zu wollen. Kurzum: Alle reden von der Solarenergie. Und es ist zu erwarten, dass der Zubau der Photovoltaik und insbesondere der Freiflächenanlagen in den kommenden Monaten rasant an Fahrt aufnehmen wird.

So weit, so gut. Gleichzeitig muss alles dafür getan werden, dass diese Entwicklung nachhaltig sein wird. Denn was wir nicht brauchen können, ist ein schneller Boom, dem ein neuer Photovoltaik-Lockdown folgt. Die Erfahrung der derzeitigen Windkrise zeigt dabei, wie wichtig es ist, von vornherein auf Akzeptanz zu setzen. Denn ohne die Unterstützung der lokalen Bevölkerung wird es schwierig werden, die sich derzeit gegenseitig übertreffenden Zielsetzungen der Politik zu erreichen.

Eine kluge Akzeptanzpolitik, die einen beschleunigten Zubau der Photovoltaik ermöglicht, muss dabei proaktiv auf viele Aspekte setzen. Das beginnt bei einer chancenbetonten und begeisternden politischen Erzählung über die vielen Vorteile der Energiewende und reicht hin bin zur Beachtung von Natur- und Anwohnerschutz. Im Kern ist zudem maßgeblich, dass die Menschen vor Ort in der Veränderung ihrer Kulturlandschaft auch einen wirtschaftlichen Mehrwert erleben. Sie wollen beteiligt werden und sie wollen die Solarparks auch als Mittel der lokalen Wertschöpfung.

Akzeptanz ist schon heute das Hauptmotiv der Beteiligung

Als Partner von Projektentwicklern, die deutschlandweit Wind- und Solarparks errichten, stellen wir seit längerer Zeit eine höhere Nachfrage nach Beteiligungsmodellen fest. Wir haben in ganz Deutschland mehrere hundert Bürgerbeteiligungen von Projektierern, Stadtwerken und Genossenschaften begleitet. Daher kennen wir die Motivationen und Erwartungshaltungen beim Thema Beteiligung genau. Gerade im Umfeld von Photovoltaik-Freiflächenanlagen verlangen Kommunen vermehrt auch eine Einbindung der Anwohnerinnen und Anwohner. Die Motivation ist dabei vielfältig. In den meisten Fällen geht aber nicht um die Generierung von Kapital aus der Bevölkerung. Im Gegenteil: Die Projekte sind in der Regel durchfinanziert, egal ob über eine EEG-Vergütung oder mittels Power Purchase Agreements. Vielmehr sehen wir, dass das Thema Akzeptanz derzeit der eigentliche Grund ist, warum Bürgerbeteiligung projektspezifisch angeboten wird.

Lokale Belange unterscheiden sich

Der sichtbare Trend, lokale Beteiligung mit der Errichtung von Solarparks zu verknüpfen, bedeutet aber nicht, dass es eine Blaupause oder ein Schema F für die Umsetzung gibt. Vielmehr geht es um regional zugeschnittene Beteiligungsmodelle, die auf die spezifischen Aspekte vor Ort eingehen. Meist beginnt der Prozess mit einer frühen und transparenten Information der Bürger über die Projekte. Zudem hilft die Erhebung der lokalen Bereitschaft und Nachfrage, sich zu beteiligen. Hier kann es von Dorf zu Dorf und Region zu Region große Divergenzen geben. Digital erhobene Interessensbekundungen helfen, bei der entsprechenden Ermittlung des Beteiligungswunsches und auch bei der Ausgestaltung des Beteiligungsmodells auf die spezifische Erwartungshaltung vor Ort.

Auf die lokale Verankerung kommt es an

Damit der Gedanke der regionalen Wertschöpfung funktionieren kann, muss die Bürgerbeteiligung mit dem Projekt und dessen Initiator in direkter Verbindung stehen. Denn Akzeptanz entscheidet sich vor Ort. Nur so kann der Interessensausgleich vor Ort erfolgreich sein. Crowdfunding-Plattformen, die überregional Geld sammeln, können wenig zur lokalen Identität beitragen. Greenovative oder Gold Solar Wind hingegen stehen als Beispiele für dutzende Entwickler, die bereits über eigene Beteiligungsplattformen lokal zugeschnittene Bürgerbeteiligungen umsetzen, wenn sie Solarparks bauen. Sogar die große EnBW macht dies. Der Erfolg gibt ihnen recht. Diese Projektierer bieten beispielsweise durchgehende Informations- und Beteiligungsprozesse für die Anwohnerinnen und Anwohner an. Wer möchte, kann teilnehmen und an weiteren Optionen Interesse bekunden, etwa an einer Schwarmfinanzierung. Die qualifizierte Einbindung und die aktive Partizipation helfen dabei, die Menschen vor Ort vollumfänglich mitzunehmen. Damit hat der Projektentwickler sein bestmögliches getan. Und da bei einer Schwarmfinanzierung keine Prospektpflicht besteht, kann diese Form der Bürgerbeteiligung bei Bedarf auch wirtschaftlich dargestellt werden.

Für einen nachhaltigen Photovoltaik-Zubau

Wir können es uns in Deutschland nicht mehr erlauben, beim Thema Akzeptanz nachlässig zu agieren. Auch weil die Projekte in der Regel nicht von Haus aus in Bürgerhand sind. Projekte aus der Bürgerschaft, wie von Genossenschaften vor Ort, gibt es immer weniger. Umso mehr liegt der Ball liegt bei den überregional tätigen Entwicklern. Bürgerbeteiligung muss bei Projektierungsunternehmen zum Standard werden, wenn der zu erwartende Photovoltaik-Boom der kommenden Monate und Jahre nicht auf Verschleiß im Sinne einer gereizten Bevölkerung erfolgen soll.

—- Der Autor Josef Baur ist Gründer und Geschäftsführer der Eueco GmbH, dem Dienstleister für Bürgerbeteiligung und Bürgerfinanzierung. Das Unternehmen mit Sitz in München bietet Dienstleistungen rund um die Strukturierung, Umsetzung, Vermarktung und automatisierten Abwicklung von Bürgerfinanzierungen an. Josef Baur ist diplomierter Kaufmann und Volkswirt und berät Stadtwerke, Projektierer, Kommunen und Genossenschaften bei der nachhaltigen Umsetzung von Bürgerfinanzierungsmodellen. https://www.eueco.de/

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