Der solare Roll-out hat erst begonnen

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Die Photovoltaik legt in Deutschland und in Europa ordentlich zu: Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. wurden 2020 in Deutschland bereits 9 Prozent des Stroms durch Solaranlagen produziert. In Europa soll die Photovoltaik dazu beitragen, die Treibhausgase bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Dafür soll der Anteil des Solarstroms auf 36 Prozent wachsen – 2018 deckte die Photovoltaik 4,3 Prozent des europäischen Strombedarfs ab. Kaum eine andere Energieform birgt so großes Innovationspotenzial: Floating-, Agri- oder Carport-Photovoltaik sind nur einige der aktuellen Beispiele hierfür. Das Marktpotenzial ist also enorm und verzeichnet große Zuwachszahlen: Laut der Marktanalyse von Solarpower Europe wurden im Jahr 2019 16,7 Gigawatt an zusätzlichen Anlagen in Europa zugebaut, was einer Steigerung von 104 Prozent gegenüber 2018 entspricht. Allerdings geht der Ausbau – zumindest in Deutschland – noch nicht schnell genug voran. Denn ohne einen massiven Aus- und Zubau von mindestens 15 Gigawatt an Solarleistung pro Jahr werden die deutschen Klimaziele, also ein Anteil der erneuerbaren Energien von 65 Prozent am Stromverbrauch bis 2030, und der „European Green Deal“ nicht mehr erreicht werden.

Trends und Entwicklungen bei Photovoltaik-Komponenten und Anlagensystemen werden dafür sorgen, dass die Solarindustrie in Deutschland weiter wachsen wird. Unsere zentrale Aufgabe als Großhändler ist es, diese Innovationen marktfähig zu machen. Und genau dafür setzen wir uns ein.

Trend 1: Die dezentrale Energiewende als Teil des Ganzen

Spätestens seit der Fridays-For-Future-Bewegung sind Klimaschutz und Energiewende in der Gesellschaft so präsent wie nie zuvor. Das sieht man zum einen an den neuesten Wahlergebnissen. Ein Umdenken und steigendes Umweltbewusstsein erkennen wir aber auch bei den Privathaushalten. Den besten Beweis für diesen Trend liefert die Verdoppelung der Zubauzahlen im Kleinanlagensegment, bei sogenannten „residential“ Solaranlagen, im Jahr 2020:  151.700 Photovoltaik-Anlagen unter 10 Kilowatt Leistung wurden im Vorjahr neu installiert, 2019 waren es noch 77.100 Anlagen.

Photovoltaik hat sich zu einer Zukunftstechnologie entwickelt, die ihr einstiges Nischendasein längst hinter sich gelassen hat. Und es zeichnet sich mehr und mehr ab, dass die Stärken und Vorzüge von Solarstrom im Bewusstsein der Verbraucher angekommen sind.

Strom aus Solar- und Windenergieanlagen ist zum großen Teil heute schon günstiger als Strom aus fossilen Kraftwerken. Der Bau von Kohle- und Atomkraftwerken ist längst unwirtschaftlich. Außerdem sind der Kohle- und Atomausstieg beschlossene Sache und wir sind auf dem richtigen Kurs, denn die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen nimmt prozentual stetig zu. Die niedrigen Kosten der erneuerbaren Energien sind ein wesentlicher Treiber dafür. Die Studie des Fraunhofer-ISE (Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme) aus dem Jahr 2018 untersuchte und bestätigte diese Kostenentwicklung. Zudem geht der Bericht davon aus, dass die Gestehungskosten von Photovoltaik-Anlagen bis 2035 und darüber hinaus deutlich weiter sinken werden.

Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass nicht nur Großanlagen, sondern auch Kleinanlagen wirtschaftlich immer attraktiver werden. Die Gesellschaft drängt darauf, Strom umweltbewusster, unabhängiger und kostengünstiger zu beziehen – Solarstrom macht das möglich.

Generell lässt sich demnach sagen: Die Vorteile von Solarenergie sind bei den Verbrauchern angekommen. Die Nutzung ist gut für das Klima und der Strom wird genau dort erzeugt und gespeichert, wo er verbraucht wird – auf dem eigenen Dach beziehungsweise in den eigenen vier Wänden. Vermehrtes Arbeiten im Homeoffice hat sicherlich auch nochmals zu einer Bewusstseinssteigerung für den eigenen Stromverbrauch beigetragen.

Die breite Akzeptanz in der Bevölkerung ist auch durch Zahlen belegbar. In einer weiteren Studie des Fraunhofer ISE beispielsweise haben fast 50 Prozent der Teilnehmer zugestimmt, dass der Fokus beim Ausbau von Erneuerbaren Energien auf Solaranlagen auf dem Dach liegen sollte. Außerdem hätten 77 Prozent kein Problem damit, in der Nähe eines Solarparks zu wohnen. Damit gliedert sich die dezentrale Energieerzeugung als festen Bestandteil in die Energieversorgung der Zukunft ein – und genau das muss langfristig gefördert werden.

Trend 2: Elektromobilität als Treiber für die Solarenergie

In Deutschland kommen immer mehr Elektroautos auf die Straße – laut Statista gab es 2020 über 136.000 Zulassungen (Stand 2019: 83.175). Dieser Trend wird sich fortsetzen, auch dank öffentlicher Förderungen, und dies wird sich auch auf den Solarmarkt auswirken. E-Autofahrer werden ihren Wagen vorzugsweise zuhause oder im Büro auftanken wollen, da Sie hier sowieso längere Zeit mit ihrem Wagen parken. Und was wäre besser für Gewissen und Geldbeutel, wenn der Strom für die Tankstelle auf dem eigenen Hausdach oder Firmendach produziert wird?

Zugleich gewinnt durch die zunehmende Elektromobilität das Thema Stromversorgung beziehungsweise Eigenstromverbrauch generell mehr Aufmerksamkeit. Bislang war Strom für viele eine Art unsichtbare Kraft aus der Steckdose, derer man sich ohne viel Nachdenken bedient. Das ändert sich, der eigene Energieverbrauch wird sichtbarer und namentlich für die Photovoltaik-Anlagenbesitzer zu einem Gut, das sie ein Stück weit eigenständig managen können.

Trend 3: Zunahme und Entwicklung von Speicherlösungen

Zugute kommt der Photovoltaik-Branche nicht zuletzt auch die Forschung, die in die Entwicklung von Batterielösungen, zum Beispiel in der Automobilindustrie gesteckt wird, denn die Erkenntnisse lassen sich in vielen Teil auf Heim- und Gewerbespeicher übertragen.

Stromspeicher übernehmen bei der dezentralen Energiewende eine wichtige Funktion, da sie die Energie für mehrere Minuten, Stunden oder Tage zwischenspeichern können. In ihnen liegen in der erneuerbaren Stromversorgung enorme Potenziale. Bereits heute werden die meisten kleinen Photovoltaik-Anlagen unter 10 Kilowatt mit Batteriespeicher gebaut. Neben den etablierten Heimspeichern setzen sich aber auch zunehmend die größeren Gewerbespeicher durch. Speichersysteme sind gerade in den Zeiten steigender Strompreise immer wirtschaftlicher, sowohl im Privat- als auch im Gewerbebereich.

Großer Beliebtheit erfreuen sich beispielsweise Lösungen, die skalierbar sind und wachsende Kapazitäten abdecken können. Die Möglichkeit, ein Speichersystem langsam zu erweitern, hilft auch bei zunächst begrenztem Budget – klein anfangen und bei Gelegenheit ausbauen. Das Thema hat großes Potenzial und ist auch in der Regierung teilweise angekommen: Das Bundesland Thüringen unterstützt beispielsweise Verbraucher und fördert Photovoltaik-Anlagen, die entweder mit Speicher neu gebaut werden oder wenn alte Anlagen mit einem Speicher entsprechend nachgerüstet werden.

Speicherlösungen erhöhen bei den Endkunden die positive Einstellung gegenüber Solarstrom und der eigenen Stromerzeugung. Sie wird sichtbar, steuerbar und greifbar. Unterstützt wird dieser Trend durch Home-Energie-Management-Lösungen.  Durch die Visualisierung des eigens produzierten Stroms entsteht ein persönlicher Bezug. Ob Hausbeleuchtung, Haushaltsgeräte, oder das eigene Elektroauto – ein proaktiver, konkreter Beitrag für die Umwelt wird möglich und sichtbar gemacht.

Fazit

Der Photovoltaik-Markt hat großes Potenzial und ist ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige und emissionsfreie Zukunft. Diesem Umstand muss die Politik Rechnung tragen. Die letzte EEG-Novelle ist dafür ein erster Schritt, leider kein sehr mutiger. Der Ausbaupfad für die Photovoltaik ist nach wie vor viel zu gering, vor allem in Anbetracht des steigenden Stromverbrauchs, der über die nächsten Jahre aufgrund der Kopplung von Strom, Wärme und Mobilität zu erwarten ist. Um die europäischen und deutschen Klimaziele 2030 noch zu erreichen, braucht es in Deutschland einen Zubau von mindestens 15 Gigawatt pro Jahr im Photovoltaik-Bereich. Die Kapazitäten, Möglichkeiten und jede Menge Ideen sind dafür auf jeden Fall vorhanden – diese sollten wir jetzt beherzter nutzen. Die komplette Photovoltaik-Branche muss bürger- und verbrauchernah gestaltet werden, um zu Neuinvestitionen zu ermutigen. Die Rahmenbedingungen für den Eigenverbrauch müssen klar entbürokratisiert werden. Und für eigenerzeugten Strom sollten keine Umlagen und Abgaben mehr fällig sein. Die Attraktivität, die durch die günstigen Kosten und die Batteriespeicherlösungen zunimmt, gilt es in positive, marktgerechte Rahmenbedingungen einzubetten, um das Potenzial der Photovoltaik auch in Zukunft voll auszunutzen. Wir stehen an einem Wendepunkt und haben noch knappe zehn Jahre, um aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Diese Zeit sollten wir nutzen – und dafür Taten sprechen lassen, die bedeutender sind als bloße Absichtserklärungen.

— Der Autor Alexander Schütt war von 1998 bis 2006 beim Handelshaus Celadon LLC in New York tätig – zuletzt als Leiter Einkauf und Vertrieb. 2008 wechselte der studierte Betriebswirt und Wirtschaftsingenieur zur Baywa re Solar Energy Systems GmbH. Nach Stationen im Produktmanagement und Einkauf übernahm er 2013 die Geschäftsführung des Großhändlers. —

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