Corona-Pandemie macht es möglich: Deutschland erreicht CO2-Klimaziel 2020

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Es zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab. Am Dienstag bestätigten nun Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium, Deutschland hat sein CO2-Minderungsziel für 2020 doch noch erreicht. Gegenüber 1990 gingen die Treibhausgasemissionen um 40,8 Prozent zurück – das Ziel lag bei 40 Prozent. Allein im vergangenen Jahr habe es eine Minderung um 8,7 Prozent oder auch 70 Millionen Tonnen gegeben. Dies ist dem Bericht zufolge der stärkste Rückgang in einem Jahr seit 1990.

Alle Sektoren hätten dazu beigetragen, besonders aber die Energiewirtschaft, heißt es weiter. Die verfügbaren Daten zeigten dabei, dass mehr ein Drittel der Minderungen 2020 auf die Folgen der Bekämpfung der Corona-Pandemie zurückzuführen sei. Im Klartext: Aufgrund des Lockdowns sank die Industrienachfrage im vergangenen Jahr drastisch, hinzu kam eine hohe Einspeisung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen, die zu einem deutlichen Rückgang der Kohleverstromung führte. Auch die CO2-Emissionen im Verkehrssektor fielen aufgrund der zeitweise stark eingeschränkten Mobilität deutlich geringer aus als noch in den Vorjahren.

Dennoch versucht die Politik die Fortschritte auf ihr Konto zu verbuchen. „Natürlich machen sich in diesem besonderen Jahr auch Pandemie-Effekte bemerkbar, besonders im Verkehrssektor. Aber mir ist wichtig, dass sich auch strukturelle Veränderungen zeigen beim Umbau unserer Volkswirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Wie Klimapolitik wirkt, sieht man vor allem im Energiesektor, wo der Kohleausstieg gut vorankommt“, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei der Vorstellung des Berichts. Die Fortschritte im Energiesektor machten aus ihrer Sicht auch Mut für die anderen Bereiche, in denen es aber noch viel zu tun gebe. „Dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 jetzt doch geschafft hat, ist für mich kein Grund zum Ausruhen. Das höhere EU-Klimaziel wird auch Deutschland mehr abverlangen“, so Schulze weiter. Sie forderte deshalb eine Verdopplung des geplanten Photovoltaik- und Windkraftausbaus bis 2030.

Der UBA-Präsident Dirk Messner ordnete die Zahlen wie folgt ein: „„Wir sehen, klimapolitische Instrumente beginnen zu wirken, insbesondere der Ausbau erneuerbarer Energien und die CO 2 -Bepreisung. Doch ohne die Corona-Lockdowns mit den Einschränkungen bei Produktion und Mobilität hätte Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt.“ Sobald die Wirtschaft wieder anspringe, würden die CO2-Emissionen wieder steigen. Dies gelte besonders für den Verkehrssektor. Auch Messner forderte einen deutlich stärkeren Ausbau der Windkraft und eine Reduktion der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Zur Verteilung der Rückgänge in den Sektoren hieß es, dass die Energiewirtschaft mit 38 Millionen Tonnen CO2 die meisten Emissionen eingespart. Das sind mehr als die Hälfte der insgesamt eingesparten Emissionen und entspricht einem Rückgang um 14,5 Prozent. Die rund 221 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten lagen deutlich der im Bundesklimaschutzgesetz erlaubten Jahresemissionsmenge von 280 Millionen Tonnen. 23 der 38 Millionen Tonnen CO2 seien durch den Rückgang der Verstromung in den Braunkohlekraftwerken zu verzeichnen gewesen. Die Emissionen der Steinkohlekraftwerke seien um 13 Millionen Tonnen CO2 gesunken. Zugleich hätten die niedrigen Gaspreise und die höheren CO2-Preise den Betrieb von Kohlekraftwerken 2020 häufig teurer gemacht als den der Gaskraftwerke.

Die Treibhausgasemissionen des Verkehrs liegen mit 146 Millionen Tonnen CO2 um 19 Millionen Tonnen niedriger als im Vorjahr – ein Rückgang um 11,4 Prozent. Sie lagen damit ebenfalls unter der im Bundesklimaschutzgesetz für 2020 festgelegten Jahresemissionsmenge von 150 Millionen Tonnen CO2. Dies war auch im Sektor Industrie der Fall. Dort gingen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um knapp 9 Millionen auf 178 Tonnen CO2 -Äquivalente zurück. Dabei spielten Konjunktureffekte in Folge der Corona-Krise eine wichtige Rolle

Im Gebäudebereich gelang 2020 eine Emissionsminderung von gut 3 auf 120 Millionen Tonnen CO2 -Äquivalenten. Damit lag der Sektor jedoch über der zugesprochenen Jahresemissionsmenge im Bundesklimaschutzgesetz von 120 Millionen Tonnen. Ein Grund dafür seien die leicht steigenden Emissionen in den Haushalten gewesen.

Die Reaktionen auf den Bericht ließen nicht lange auf sich warten. Die Grünen-Energiepolitikerin Julia Verlinden erklärte: „Es ist höchste Zeit, den Klimaschutz im Gebäudebereich zu beschleunigen. Die Ziele der Bundesregierung reichen nicht aus, riesige Einsparpotenziale liegen brach. Sie zu heben hilft nicht nur dem Klimaschutz.“ Deutschland brauche ein zeitgemäßes Energiesparrecht für Gebäude. „Zu allererst müssen sie die Subventionen für neue Gasheizungen streichen, die den Umstieg auf klimafreundliche Technologien immer weiter verzögern“, so Verlinden weiter.

„Trotz des insgesamt erreichten 2020-Klimaziels ist die Klimabilanz bei genauerem Hinsehen dürftig“, erklärte Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Für 2021, 2022 und 2023 ist zu befürchten, dass Deutschlands Treibhausgasemissionen wieder steigen. Grund sind Corona-Nachhol-Effekte und der fehlende Ausbau von Wind- und Solaranlagen. Der aktuelle Ausbau von Erneuerbaren Energien reicht nicht aus, um den Atomausstieg 2022 zu kompensieren. Wir brauchen dringend ein Klima-Sofortprogramm, um das Risiko steigender Emissionen abzuwenden“, sagte er weiter.

Der BDEW forderte ebenfalls bessere Bedingungen für den Erneuerbaren-Zubau. Dies sollte schnellstmöglich durch die Umsetzung der Entschließung des Bundestages erfolgen. Zudem müsse der Wärmesektor stärker in den Fokus rücken und im Verkehrsbereich der Umstieg auf die Elektromobilität beschleunigt werden, inklusive der passenden Rahmenbedingungen für eine innovative Ladeinfrastruktur.

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