Was wir für die EEG-Umlage bekommen haben: Seid stolz – be proud!

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Die öffentliche Diskussion zum Strompreis wird seit Jahren von der einseitigen Sicht auf die Belastung durch die EEG-Umlage für erneuerbare Energien dominiert. Ich möchte heute, nach 20 Jahren EEG den Blick darauf lenken, warum „wir“ das gemacht haben, was wir dafür bekommen haben oder in absehbar naher Zukunft bekommen werden, und worauf wir stolz sein können.

2000, im Jahr der Einführung des EEG durch die damalige rot-grüne Bundesregierung stammte der deutsche Strommix zu rund 90 Prozent aus nicht regenerativen Energien, davon zu zwei Dritteln aus Kohle-, Erdgas- und Öl- und zu einem Drittel aus Atomkraftwerken. Erneuerbare lieferten knapp 7 Prozent, mit fast nur Wasser- und etwas Windkraft.

2010 – nach 10 Jahren EEG war der fossil-atomare Anteil „nur“ auf knapp 80 Prozent gefallen und der Erneuerbaren-Anteil um die gleichen 10 Prozent auf knapp 17 Prozent angestiegen, vor allem durch die schon herangereifte Windkraft und Bioenergie. Photovoltaik, damals ein vermeintliches Musterbeispiel besonderer Förder-Ineffizienz lag bei unter 2 Prozent.

Bis dato waren kumuliert bereits 62 Milliarden Euro an die EEG-Einspeiser vergütet worden, eine für die Kritiker im Vergleich zum Ergebnis unerhört hohe Summe, die aber in Wahrheit pro Jahr gerechnet im Promille-Bereich des deutschen Bruttoinlandprodukts liegt. Vorgeblich zu hohe Kosten und geringer Klimanutzen – Scheinargumente der fossil-atomaren Beharrungsfraktion, mit denen sie seit 2000 gegen das EEG und die Erneuerbaren insgesamt zu Felde zieht. Im Oktober 2010 gelang ihrer beharrlichen Lobbyarbeit mit den Laufzeit-Verlängerungsbeschlüssen der zu dieser Zeit schwarz-gelben Bundesregierung allerdings der Coup der Rücknahme des Atomausstiegsgesetzes von 2000, eine politische Fehlentscheidung, die nach Fukushima 2011 sofort wieder einkassiert wurde. Trotzdem werden auch für eine erneute Atomrenaissance heute wieder Stimmen laut. Der Mensch ist dumm und lernt nicht.

Zurück zu der eingangs gestellten Frage: Was haben wir denn von den seit 2000 angeblich so wenig effektiv in die Zukunft investierten EEG-Milliarden?

Natürlich zunächst einmal, das ist der erste und gut sichtbare Gewinn, die nach weiteren zehn Jahren EEG inzwischen nicht mehr wegzudiskutierende fortschreitende Dekarbonisierung und Denuklearisierung unseres Stromsystems. Mit schon 45 Prozent Erneuerbaren-Anteil 2020, der seit 2018 jährlich um 5 Prozent absolut gestiegen ist. Und mit einem Beitrag der Photovoltaik, der in der Vor-Osterwoche 2020 sogar im Wochenmittel 23 Prozent erreichte. Die innerdeutsche Photovoltaik war in dieser Woche der stärkste Stromlieferant vor Wind-, Kohle- und Atomstrom und allen anderen Quellen, und trug in den ersten 9 Monaten des Jahres 2020 mehr zur Deckung des Strombedarfs bei als alle noch betriebenen 6 Atomkraftwerke zusammen! Phänomenal und weiter so!

Photovoltaik – eine Technologie, deren Förderung in Deutschland laut dem früheren RWE-Chef Jürgen Großmann (2012) so sinnvoll sei wie Ananas züchten in Alaska. Wobei auch letzteres Realität werden könnte, wenn man RWE & Co. so weitermachen lassen würde wie bislang.

Der zweite Gewinn, den wir heute einfahren, ist weniger unmittelbar sichtbar und von vielen noch unbemerkt. Nämlich der, dass wir mit der EEG-Förderung auch schon in der Periode 2000 bis 2010 den Grundstein der revolutionären Entwicklung einer zu niedrigsten Kosten verfügbaren „neuen“ regenerativen Energiequelle gelegt haben. Und zwar unserer guten alten, inzwischen neuen Photovoltaik, die dabei ist, bei gleichzeitig fast unbegrenztem Potenzial in Richtung 1 Cent/Kilowattstunde Stromgestehungskosten zu marschieren und sich damit zur kostengünstigsten Stromquelle aller Zeiten zu entwickeln. Was 2020 sogar der bislang ewiggestrigen IEA aufgefallen ist. Eine aus meiner Sicht global gesehen noch viel bedeutendere Entwicklung für die Energiewende als der direkte Impact des EEG auf einen steigenden Erneuerbaren-Anteil im deutschen Strommix.

Wie kommt das deutsche EEG 2000 zu dieser zweiten, ungeheuren Wirkung?

Sofort von Beginn an regte die Investitionssicherheit für Erneuerbare-Energien-Anlagen, die das EEG erstmals geboten hat, nicht nur die Marktnachfrage nach solchen Anlagen, sondern auch die Investitionstätigkeit der damals sozusagen schon in den Startlöchern stehenden deutschen und europäischen Photovoltaik- und Wind-Industrie stark an. Wer es schaffte, seine Solarzellen und Module, Wechselrichter, Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu Preisen anzubieten, die den Kunden Stromgestehungskosten unterhalb der EEG-Vergütungen ermöglichten, hatte über große Teile der 2000er Jahre quasi eine Abnahmegarantie für die produzierten Erneuerbaren-Stromerzeugungskomponenten. Möglichst mit einer Gewinnmarge natürlich, sonst wäre das Geschäftsmodell nicht wirtschaftlich nachhaltig gewesen. Das war im EEG eingebaut und explizit so gewollt, um eine nicht mehr von staatlichen Subventionen abhängige Kontinuität beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen.

Solon, Ersol, Q-Cells, Solarworld, Enercon, Nordex, Vestas und vielen anderen Solar- und Windherstellern der ersten Stunde gelang das nach einer gewissen Anlaufzeit, und die darauf folgenden, relativ langfristig „abgesicherten“ Wachstums- und Gewinnaussichten lockten Investoren in die zudem noch „grüne“ junge Erneuerbaren-Technologiebranche. Börsengänge und Banken befeuerten mit weiteren Mitteln die zunächst über Jahre phänomenale Expansion der Fertigungskapazitäten und des Markts.

Mit dieser Expansion ging eine Kostenreduktion für die Herstellung der Erneuerbaren-Komponenten wie Solarmodule und Windkraftanlagen, und damit eine Abnahme der Erneuerbaren-, insbesondere Photovoltaik- und Wind-Stromgestehungskosten einher, im EEG mit einer jährlichen Degression der Vergütungssätze bereits antizipiert.

Bei der Photovoltaik, auf die ich mich im Folgenden fokussiere, führte die fortlaufende Kostendegression von vor etwa 15 Jahren noch zehnmal so hohen zu heutigen Großabnehmerpreisen von 20-25 Cent/Wattpeak für gute Standardmodule, und die Diskussion dreht sich derzeit schon darum, wann das 10 Cent/Wattpeak-Modul kommt. Die Photovoltaik-Stromgestehungskosten erreichten 2020 wie man entsprechenden Ausschreibungsergebnissen entnehmen kann bei mittelgroßen Freiflächenanlagen hierzulande 4 bis 5 Cent/Kilowattstunde, und bei wirklich großen Photovoltaik-Installationen in sonnenreichen südlichen Ländern bereits 1,1 bis 1,2 Cent/Kilowattstunde – historische Tiefstpreise für nicht mehr nur Erneuerbaren-Strom, sondern bereits damit oder unmittelbar absehbar günstiger als die aller anderen bekannten, fossilen bis atomaren Stromerzeugungs-Technologien! Keine Fake News, sondern Realität, wie man in den Berichten über zwei Gigawatt-Ausschreibungen 2020 in Abu Dhabi und Portugal nachlesen kann. Die 1 Cent/Kilowattstunde-Grenze wird mit weiterer Kostendegression nach Norden wandern, so dass wir diesen magischen Wert in wenigen Jahren auch in Mitteleuropa erreichen werden.

Die Kostenreduktion ist also über die letzten 20 Jahre bis zu diesem historischen Meilenstein weitergelaufen, sogar schneller als damals erwartet und angetrieben von einem enormen Wachstum der Produktionskapazitäten und -mengen sowie der installierten Photovoltaik-Leistung. Was allerdings in den Jahren mit dem richtig großen Mengenwachstum von mehreren 10 bis über 100 Gigawatt Photovoltaik-Produktion und -Installation pro Jahr ab etwa 2011 bis 2012 nicht mehr von Deutschland geleistet wurde.

Diese zweite Phase des Wachstums und die damit einhergehende revolutionäre Kostenreduktion bis heute haben wir im wesentlichen China zu verdanken. Mit dem enormen Kapazitätsausbau der chinesischen Solarindustrie, deren Mengenströme schnell außerhalb Chinas nicht mehr aufgenommen werden konnten und die deshalb zwischenzeitlich in den Aufbau großer Photovoltaik-Anlagenkapazitäten im eigenen Land gelenkt wurden, hat vor allem China das Marktwachstum gestemmt, von dem heute die ganze Welt mit niedrigen und wettbewerbsfähigen Photovoltaik-Preisen profitiert. In China erreichten die Photovoltaik-Installationen 2017 rund 53 Gigawatt, mehr in einem einzigen Jahr als in Deutschland bis dato insgesamt installiert war.

Leider hat diese Entwicklung als „Kollateralschaden“ das Aus der europäischen Solarindustrie mit verursacht, wovon auch „mein“ ehemaliges Unternehmen Ersol-Bosch betroffen war. Die deutsche und europäische Solarindustrie scheiterte im globalen Verdrängungswettbewerb der 2010er Jahre und blieb restlos auf der Strecke, eine krasse Entwicklung nach dem hoffnungsvollen Start in den 2000ern natürlich.

Aber wir sollten das insgesamt Positive für die Energiewende sehen, die ja ein Thema für die ganze Menschheit und nicht die Industrie eines bestimmten Landes ist. Und dabei war auch unser Beitrag wichtig: Deutschland hat über sein EEG bis etwa 2012 die damals weltgrößten Photovoltaik-Installationen in einem Land bis in den Bereich von knapp 10 Gigawatt in einem Jahr geleistet, damit die Photovoltaik-Technologie und Industrie auch bis zu diesem Punkt wesentlich und mit führend entwickelt und die Basis für das gelegt, worauf die Chinesen dann mit ihrer Übernahme aufgesetzt haben. Man könnte sagen: „Wir haben gezeigt, wie es geht – das hat China sich angeschaut, übernommen und 10x+ größer weitergeführt“ – darauf können und sollten wir eigentlich auch stolz sein und nicht zu traurig ob des eigenen Endes.

China gebührt Dank für diesen Beitrag zur Energiewende, der so wie er abgelaufen ist sicherlich auch für dieses große Land nicht einfach war. Sie haben uns und anderen nichts „weggenommen“, sondern mit Investition von Verlusten und Förderungen etwas gegeben, was wir ohne sie nicht erreicht hätten.

Wobei ich fest davon überzeugt bin, und darin sehe ich die oben thematisierte zweite, größere Wirkung des EEGs, dass ohne unser Vorbild und den dadurch gegebenen Anstoß dazu diese Entwicklung nicht eingetreten wäre. Seid stolz darauf, und Dank an Hans-Josef Fell, Hermann Scheer und Eurosolar, den Solarenergie-Förderverein Aachen (heute SFV Deutschland), Investoren, industrielle Mitstreiter, Anwender und alle weiteren Politiker und Aktivisten, die mit dazu beigetragen haben!

— Der Autor Claus Beneking leitete von 2001 bis 2008 die Ersol Solar Energy AG (später Bosch Solar) und von 2014 bis 2015 die Reiner Lemoine Institut gGmbH (RLI). Sein Hauptinteresse gilt derzeit der Suche nach der besten Strategie für ein zu 100 Prozent erneuerbares Gesamt-Energiesystem. Der Beitrag verwendet gekürzte Auszüge aus dem noch nicht veröffentlichten Buch „aurora – Mein Leben in der Energiewende“ des Autors. —

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