Das Beste an der EEG-Novellierung: sie kann von Illusionen befreien

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Die altbewährte Strategie der Bundesregierungen zur Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien funktioniert weiterhin zuverlässig: Man bringe zunächst extrem krasse Absichten an die Öffentlichkeit. Damit erhalten die Energiewende-Akteure Stoff zum Sich-daran-Abarbeiten. Sie schreiben Briefe und Stellungnahmen, bringen Studien heraus, organisieren Demonstrationen im ganzen Land – und siehe da: sie erreichen etwas!  Drei Beispiele:

  1. Im Fall negativer Strompreise wird die Einspeisevergütung für verpflichtete Direktvermarkter nicht – wie zunächst vorgesehen –  ab der ersten Stunde gestoppt, sondern erst ab der vierten.
  2. Die zunächst vorgesehene Absenkung der Ausschreibungspflicht für Dachanlagen von bisher 750 Kilowattpeak auf 300 Kilowattpeak, verbunden mit dem Verbot jeglicher Eigennutzung des Stroms, entfällt.
  3. Die Untergrenze für die Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage („Sonnensteuer“) wird nicht nur auf Anlagen von 20 Kilowattpeak, sondern auf Anlagen von 30 Kilowattpeak angehoben.

Allerdings:

Punkt 1: Im ersten Fall handelt es sich dennoch um eine deutliche Verschlechterung, denn bisher erfolgte der Vergütungsstopp ab der sechsten Stunde.

Punkt 2: Wer die unterhalb von 750 Kilowattpeak bestehende Befreiung vom Ausschreibungszwang nutzen möchte, erhält nur für maximal 50 Prozent des von ihm erzeugten und eingespeisten Stroms eine Vergütung, auch wenn sein Eigenverbrauch geringer als 50 Prozent ist.*

Punkt 3: Das ist kein „Verhandlungserfolg“, denn die 30 Kilowattpeak und 30 Megawattstunden pro Jahr sind europarechtlich als nur in begründeten Ausnahmefällen gerade noch tolerierbare Untergrenze sowieso zwingend vorgeschrieben. Grundsätzlich darf laut Europarecht der Eigenverbrauch überhaupt nicht mit Abgaben belastet werden, unabhängig von der Anlagengröße.

Schlechtes Geaschäft

Man fühlt sich an den Basar erinnert: Der Verkäufer fordert 200 Euro. Man einigt sich auf 100. Der Käufer freut sich, den Preis auf die Hälfte gedrückt zu haben. Der Verkäufer reibt sich die Hände, denn auch mit 50 Euro hätte er noch Profit gemacht.

Die Situation auf dem Energiemarkt ist allerdings vertrackter. Die Bundesregierung will die erneuerbaren Energien –  und insbesondere die Bürgerenergie – ausbremsen. Um dem etwas entgegen zu setzen, müssen die Akteure der Erneuerbaren möglichst viele Menschen zu Aktivitäten mobilisieren, zu Unterschriftensammlungen und sonstigen Aktionen.

Nun liegt das Ergebnis der Bemühungen vor. Es ist mager. Eine leichte Verbesserung beim Mieterstrom. Die EU-Richtlinie wurde (abgesehen von der besagten Einschränkung der Sonnensteuer) ausgeblendet. Von ihrem Geist, der im Positionspapier des Bündnis Bürgerenergie (BBEn) folgendermaßen beschrieben wird „Das ‚Clean Energy for all Europeans Package‘ läutet ein neues Zeitalter für ganz Europa ein – ein Zeitalter, in dem Bürgerinnen und Bürger das Recht bekommen, sich individuell oder gemeinschaftlich mit eigenem grünen Strom zu versorgen.“ findet sich in der EEG-Novelle kein Hauch.

Spätestens bis zum 30. Juni 2021 muss die EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Doch dafür nimmt sich die Regierung auch jetzt noch Zeit. – Wie war das bei den LNG-Anlandehäfen? Damit deren Bau- und Betriebskosten auf die Verbraucher umgelegt werden können, musste ein ganzes Bündel von Gesetzen geändert werden. Das ging durch den Bundestag wie ein Fingerschnippen.

Die Aktivisten, die für ein fortschrittliches EEG gekämpft haben, stehen nun vor einem Problem. Sollen sie den Menschen, die sie mobilisiert haben, sagen: „Sorry, viel erreicht haben wir nicht“, oder sollen sie die Abmilderung ursprünglich angekündigter Verschlechterungen als Erfolg feiern? – Mit ersterem würden sie einer Resignation Vorschub leisten, mit dem zweiten die Lage beschönigen.

Intention muss erkannt werden

Beides ist nicht zu empfehlen. Wir können aber aus der Erfahrung lernen und Konsequenzen ziehen: Bei der Energiewende haben wir es mit einem knallharten Interessenkonflikt zu tun. Die erneuerbaren Energien sind ihrem Wesen nach dezentral und kleinteilig. Das ist Betätigungsfeld für Mittelstand und Millionen Bürger, nicht für Großkonzerne. Letztere können offshore etwas beitragen, am ersten Pult in einer erneuerbaren Gesamtstruktur sitzen sie aber nicht.

Die Regierung ist Interessenwalter der konventionellen Konzerne. Ihnen will sie Geschäftsfelder so lange erhalten, wie irgend möglich. Für dieses Ziel agiert sie entschlossen und erfolgreich. Wirtschaftsminister Altmaier bereiste den Mittelmeerraum, um Weichen so zu stellen, dass die dort entdeckten Erdgasvorkommen zusätzlich zu all den übrigen Gasquellen Deutschland und Europa zu Billigpreisen fluten, so dass niemand mehr auf die Idee kommen soll, die durch Atom- und Kohleausstieg entstehende Stromlücke mit erneuerbaren Energien zu füllen. Eine Regierung, die derartige Pläne verfolgt, kann kein Gesetz zulassen, das den Erneuerbaren Tür und Tor öffnet!

Die Regierung ist – gemeinsam mit den Konzernen – an Klimaschutz und Energiewende nicht interessiert. Nur weil die große Mehrheit der Bevölkerung Beides will, muss sie so tun als ob und laviert dabei sehr gekonnt.

Das Regierungshandeln ist also nicht „viel zu verzagt“ (Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. ), auch keine „Geschichte der verpassten Chancen“, wie Grünen-Politiker Jens Kerstan meint. Wer so etwas sagt, hat die Intentionen der Regierung nicht erkannt.

Ist die Regierung unser – halt etwas dümmlicher – Freund oder raffiniert handelnder Gegner? Wenn sich die Energiewende-Bewegung über diese Frage Klarheit verschaffen und sich von Illusionen befreien würde, hätte die EEG-Novellierung etwas für den weiteren Kampf für Klimaschutz und Energiewende Wichtiges bewirkt.

*Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag ist nachträglich am 6.1.2021 geändert worden. Die Grenze für die Befreiung des Eigenverbrauch bei der EEG-Umlage bei 30 Megawattstunden pro Jahr war versehentlich in Punkt 2 gerutscht, gehört inhaltlich jedoch zu Punkt 3.

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