Erneuerbaren-Branche, Klima- und Verbraucherschützer kritisieren EEG-Novelle

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Die nun vom Bundestag verabschiedete EEG-Novelle stößt auf viel Kritik bei den Erneuerbare-Verbänden und Klimaschützern. So spricht der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) von einer verpassten Chance für den Klimaschutz. Vor allem kritisiert der Verband das vorgesehene Ausbautempo bei der Photovoltaik. Obwohl Wissenschaftler einen jährlichen Zubau von mindestens zehn Gigawatt für notwendig halten, um die Klimaziele zu erreichen und die Versorgungssicherheit zu erhalten, sieht die Novelle nicht einmal fünf Gigawatt vor.

„Wenn die Bundesregierung dieses Versäumnis nicht schnell korrigiert, provoziert sie zwangsläufig eine klimapolitisch untragbare Laufzeitverlängerung fossiler Kraftwerke“, warnt BSW-Solar-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig. Das sieht Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, ähnlich: „Die von der Regierung beschlossenen Ausbaumengen für Wind- und Solarenergie reichen vorne und hinten nicht, um die international vereinbarten Klimaschutzziele zu erfüllen.“ Die Bundesregierung habe in Brüssel ein höheres europäisches Klimaziel unterstützt. „Die logische Konsequenz wäre, auch für Deutschland die Ausbauziele für Erneuerbare Energien deutlich anzuheben.“

Zu einer Korrektur hat die Bundesregierung schon bald Gelegenheit: Im ersten Quartal 2021 wollen sich Union und SPD auf Ausbaupfade verständigen, die dem erhöhten Klimaschutzziel der EU gerecht werden.

Lob gibt es dagegen vom BSW-Solar dafür, dass Betreiber von Anlagen bis 30 Kilowatt Leistung auf den selbst verbrauchten Strom keine EEG-Umlage zahlen müssen – bislang lag die Schwelle bei 10 Kilowatt. „Dies ist ein wichtiger Durchbruch für Prosumer und erleichtert künftig beispielsweise den Betrieb von E-Autos und Wärmepumpen mit Ökostrom“, kommentiert Körnig.  Erleichtert zeigte sich der Bundesverband auch, dass der Weiterbetrieb ausgeförderter Photovoltaik-Altanlagen nicht mehr durch überzogene Messanforderungen blockiert werde.

BEE will neuen Finanzierungsmechanismus für die Erneuerbaren

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) spricht von einer „Enttäuschung für den dringend benötigen Anschub des Ökostromausbaus.“ BEE-Präsidentin Simone Peter kommentiert: „Leerstellen, Baustellen und Hindernisse prägen diese Novelle. Die Erhöhung der Ausbaupfade ist vertagt, das Bekenntnis zur Energiewende als öffentliches Interesse wieder herausgestrichen und die Ausschreibungen, einst als marktwirtschaftliches Instrument gepriesen, weiter kompliziert und ins Absurde geführt.“

Peter fordert einen Neustart bei der Finanzierung des EEG: „Wir brauchen endlich Finanzierungsmechanismen, die die Eigenschaften eines auf dezentralen Erneuerbaren-Energien-Anlagen basierenden Stromsystems inklusive Flexibilisierung, Speicherung und Lastverschiebung besser unterstützen und die Kopplung der Sektoren anreizen.“ Auch der Vorrang für Erneuerbare Energien müsse wiederhergestellt werden, denn bislang würden zu viele Ökostrom-Anlagen abgeregelt statt genutzt.

FDP fordert marktgetriebenen Ausbau der Erneuerbaren

Die Oppositionsparteien haben heute einstimmig gegen die EEG-Novelle gestimmt. Anton Hofreiter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen-Fraktion, sieht die Potenziale der Erneuerbaren nicht annähernd ausgeschöpft. „Obwohl die Nachfrage nach grünem Strom durch E-Autos und klimafreundliche Industrie absehbar steigen wird, bremst die Koalition die nötige Ausbaudynamik aus“, so Hofreiter.

Auch Martin Neumann, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, lässt kaum ein gutes Haar an der Novelle –  sie sei ein „Bürokratiemonster ohne nachhaltige Wirkung und mit einem unklaren Bekenntnis zur Energiewende“. Wie der Ausbau der erneuerbaren Energien in Zukunft gelingen soll, werde durch eine Vielzahl von Einzelverordnungen erneut nur unzureichend geklärt – „ein ganzheitliches Konzept auf über 300 Seiten ist nicht zu erkennen.“ Stattdessen plädiert er für einen marktgetriebenen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Verbraucherschützer kritisieren Industrieprivilegien

Greenpeace-Klimaexperte Andree Böhling nimmt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in die Verantwortung „Der heutige Tag kennzeichnet einen weiteren Tiefpunkt in Peter Altmaiers Bilanz als Wirtschaftsminister“, erklärt er. Deutschland benötige in etwa dreimal mehr Solarenergie- und fünfmal mehr neue Windenergieanlagen im Jahr, als es aktuell der Fall ist.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bemängelt unter anderem, dass die Regelungen zur EEG-Umlage in der Novelle in die falsche Richtung gingen. „Trotz einer breiten Diskussion um die Senkung oder Abschaffung der Umlage sollen im EEG neue Ausnahmen geschaffen werden“, so vzbv-Vorstand Klaus Müller. So sollen Unternehmen bei ihren Stromkosten zur Herstellung von Wasserstoff weitgehend oder sogar vollständig im Rahmen der „Besonderen Ausgleichregelung“ von der EEG-Umlage befreit werden. „Erneut soll damit ein Privileg für einen neuen Industriezweig geschaffen werden, das den privaten Verbrauchern vorenthalten bleibt.“

Wohnungswirtschaft begrüßt Änderungen beim Mieterstrom

Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW freut sich darüber, dass die Bundesregierung mit der EEG-Novelle und dem begleitenden Entschließungsantrag das Thema Mieterstrom voran bringen will. „Endlich sind die Steine für einen attraktiven und sinnvollen Mieterstrom aus dem Weg geräumt“, erklärt GdW-Präsident Axel Gedaschko. Durch die Reform wird Solarstrom nach Ansicht des Verbandes nun stärker als bisher in die Städte gelangen können, da durch die Änderung beim Mieterstrom künftig auch Quartiersansätze ermöglicht werden. So könnten Photovoltaik-Anlagen auf Gebäuden oder in Quartieren einen größeren Beitrag für die Energiewende und den Klimaschutz leisten.

Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass die Gewerbesteuerbefreiung für die Vermietungserträge trotz Mieterstrom erhalten bleibt. „Mit dem Entschließungsantrag soll es endlich eine Abkopplung der Frage der Gewerbesteuer auf Vermietung von der Bereitstellung von Energie aus selbst produziertem Strom geben. Dadurch wird das Modell Mieterstrom für Vermieter endlich attraktiv, da die Anlagen ihnen keine steuerlichen Nachteile bescheren“, sagt Gedaschko. Die Wohnungswirtschaft erwarte nun eine schnelle Umsetzung der Entschließung.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband dagegen sieht beim Mieterstrom neben Fort- auch Rückschritte. „Endlich sollen Erzeugung und Verbrauch von Solarstrom nicht mehr auf das einzelne Haus beschränkt bleiben, sondern auch in zusammenhängenden Gebäudekomplexen als Quartiere Anwendung finden“, sagt Vorstand Klaus Müller. Dagegen würden weder die finanzielle Gleichstellung von Mieterstrom und Eigenstrom noch der Bürokratieabbau für kleine Mehrfamilienhäuser umgesetzt.

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