Liebe Pioniere des Ökostroms: Gönnen Sie den Kohle- & Atomkonzernen keinen Triumph und schalten Sie keine Ökostromanlage ab

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Auch Ihre Anlage bekommt ab 01.01.2021 keine EEG-Vergütung mehr? Das Wichtigste: Geraten Sie nicht in Panik und montieren sie ja nicht ihre PV-, Bioenergie- oder Windkraftanlagen ab. Das genau wäre ein Triumph der Kohle-, Erdgas- und Atomkonzerne.

Der Klimaschutz würde massiv leiden, weil mit jedem Abschalten einer Ökostromanlage wieder mehr fossiler, CO2-emittierender und damit höchst klimaschädlicher Strom produziert wird. Zudem würde die von der Atomlobby aktuell entfachte Kampagne um eine erneute Laufzeitverlängerung der noch am Netz befindlichen sechs Kernkraftwerke in Deutschland neuen Auftrieb bekommen.

Seit über 20 Jahren opponieren die Kohle-, Erdgas- und Atomkraftwerksbetreiber offen in den Medien und versteckt hinter den Kulissen mit massivem Lobbyeinsatz gegen das EEG an sich und versuchen es zu Fall zu bringen, damit sie wieder die alleinige Macht über das lukrative Stromgeschäft erlangen. Seit 2010 ist es ihnen gelungen mit willfährigen politischen Entscheidungen von CDU/CSU, SPD und FDP im Bundestag das EEG Stück für Stück mit jeder Novelle weiter zu demontieren.

Nun steht erneut eine EEG-Novelle an. Seit vielen Jahren wird gefordert, dass der Gesetzgeber im EEG die Altanlagen, die am 01.01.2021 keine Vergütung mehr bekommen (Ü20-Anlagen) so absichert, dass sie problemlos von ihren Besitzern weiterbetrieben werden können.

Obwohl schon damals die Forderungen klar erhoben wurden, stießen diese auf taube Ohren beim Gesetzgeber aus CDU/CSU und SPD in der EEG-Novelle 2017.

Seit Jahren gibt es weder von der Bundesregierung noch von den Bundestagsparteien CDU/CSU oder SPD einen Gesetzesvorschlag, der den problemlosen Weiterbetrieb der Ü20-Anlagen ermöglichen würde. Daher sieht das derzeit gültige EEG aus dem Jahre 2017 auch keine guten Bedingungen für einen Weiterbetrieb von Ü20-Anlagen vor.

Und auch die aktuell in den Bundestag eingebrachte EEG-Novelle macht dazu keine ausreichenden Vorschläge. Ob diese Novelle noch in diesem Jahr verabschiedet wird und damit den Betreiber der Ü20-Anlagen Klarheit über die Möglichkeiten Weiterbetriebs geben wird, ist zudem sogar fraglich.

Wer also wie CDU/CSU und SPD trotz jahrelanger massiver Forderungen aus großen Teilen der Gesellschaft keine Regelung für den problemlosen Weiterbetrieb der Ü20-Anlagen schafft und nun circa drei Wochen vor ihrem Vergütungsende keine guten gesetzlichen Regelungen schafft, kann nur ein einziges Ziel im Auge haben: Das massenhafte Abschalten der Ü20-Anlagen. Denn so wird das Geschäft der Stromkonzerne gegen die bürgerliche Erzeugung von Ökostrom wieder gestärkt. Dass dies dem Klimaschutz massiv schadet und den Atomausstieg gefährdet, gehört scheinbar zum Kalkül der Bundesregierungen seit 2010.

Das Abschalten von Ü20-Anlagen in Zusammenhang mit dem viel zu niedrigem Ausbau des Ökostromes wird schon kurzfristig zu einer Lücke in der Stromversorgung führen und so den Kohle- und Atomausstieg gefährden. Darauf hat gerade der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) in seinem Gutachten hingewiesen.

Die Wut vieler Ü20-Anlagenbetreiber über diese unglaublich arrogante und bürgerfeindliche EEG-Politik von Union und SPD ist daher vollkommen verständlich. Viele werden nun aufgrund der Unsicherheiten und unzulänglichen Grundlagen für einen Weiterbetrieb, Stress mit ihren Netzbetreibern bekommen und auch wirtschaftlich schlecht gestellt.

Doch mit Wut im Bauch kann es keine guten Entscheidungen geben. Wer 20 Jahre lang mit dem EEG und seiner gesicherten Einspeisevergütung gut verdient hat, sollte nicht gleich im 21. Jahr aufhören, wenn es nun (hoffentlich vorübergehend) keine wirtschaftliche Grundlage mehr gibt.

Alle Ü20-Anlagenbetreiber sollten nun Ruhe bewahren und weiter nach Lösungen suchen, die den Weiterbetrieb ihrer Anlagen ermöglichen. Es gibt viele Möglichkeiten von der Eigenversorgung, über die Direktvermarktung mit Dienstleistern und Ökostromhändlern, bis hin zu Angeboten von Netzbetreibern den Strom weiter aufzunehmen. Erkundigen Sie sich vor Ort bei Ihrem Netzbetreiber, wie es weiter gehen kann. Ein Abschalten oder gar ein Abbau der Anlage würde nur bei den Kohle- und Atomkonzernen die Sektkorken knallen lassen.

Eine Gruppe von Verbänden hat nun in einem sehr guten Papier Hinweise gegeben, wie sich Ü20-Anlagenbetreiber aktuell und auch nach dem 01.01.2021 angesichts der vollkommen unzulänglichen Gesetzeslage verhalten sollten.

Lesen Sie diese sehr gut formulierten Hinweise, laden Sie sie herunter und verteilen Sie sie in ihrem Bekanntenkreis, wenn das Abschalten der eigenen Ü20-Anlage diskutiert wird. Helfen Sie alle mit, den Triumph der Kohle-, Erdgas- und Kohlekonzerne zu verhindern, indem doch möglichst alle Ü20-Anlagen weiter betrieben werden.

Alle Ü20-Anlagenbetreiber*innen gehören in das große Feld der Pioniere des Ökostroms. Sie alle haben Mut und Weitblick bewiesen, zu einer Zeit, in der der Ökostrom kaum im Blick der Gesellschaft war und schon damals von den Stromkonzernen massiv attackiert wurde. Es wäre jammerschade, wenn nun ausgerechnet diese Pionier*innen nach 20 Jahren abschalten würden und damit ihren persönlichen großen, aktiven und schwer erkämpften Beitrag zu Klimaschutz und Atomausstieg wieder selbst zu Nichte machen würden. Ich weiß, wie schwer es für viele sein wird, ihre Ü20-Anlagen weiter zu betreiben. Doch geben Sie nicht auf!

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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