Neues BGH-Urteil könnte Photovoltaik-Anlagenbetreiber teuer zu stehen kommen

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Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das eigentlich die Vergütung eines Windparks betrifft, sorgt nun auch für Aufruhr unter Solaranlagenbetreibern. Denn die Stadtwerke Schneeberg haben 114 Anlagenbetreiber angeschrieben und mit Verweis auf dieses Urteil angekündigt, die EEG-Vergütung der letzten Jahre zurückzufordern. Wenn die Rechtsauffassung der Stadtwerke Schneeberg Schule macht, könnten bald etliche Solaranlagenbetreiber mit ähnlichen Rückforderungen konfrontiert werden.

Anlagenzusammenfassung in „unmittelbar räumlicher Nähe“

Das Urteil des BGH, auf das sich die Stadtwerke Schneeberg beziehen (Urt. v. 14.07.2020 – XIII ZR 12/19), betraf die Frage, ob mehrere Windenergieanlagen eines Windparks bei der Berechnung der EEG-Vergütung als eine einzige Anlage zu behandeln sind. Eine solche Anlagenzusammenfassung – häufig auch als „Verklammerung“ bezeichnet – wird in § 24 des Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) explizit geregelt. Demnach sind mehrere Anlagen bei der Berechnung der Vergütung dann zu verklammern, wenn sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf demselben Grundstück, auf demselben Gebäude, auf demselben Betriebsgelände oder in „sonst unmittelbar räumlicher Nähe“ errichtet wurden.

Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass größere Anlagen nur deshalb in mehrere Anlagen aufgeteilt werden, um in den Genuss einer höheren Vergütung zu gelangen. Denn bei bestimmten Anlagen – insbesondere bei Gebäude-Solaranlagen – hängt die Höhe des Fördersatzes von der Größe der Anlage ab: Kleinere Anlagen erhalten eine höhere Vergütung als größere Anlage.

Bei Windenergieanlagen ist der Fördersatz zwar nicht von der Leistung der jeweiligen Anlage abhängig. Jedoch gibt es für Windenergieanlagen ab einer Leistung von 3 Megawatt eine spezielle Regelung, wonach die Förderung zeitweise dann entfällt, wenn der Strompreis an der Börse negativ ist. Hierfür ist der besagte § 24 EEG entsprechend anzuwenden.

In diesem Kontext spielte sich der Fall ab, den der BGH nun entschieden hat. Der BGH hatte insbesondere die Frage zu beantworten, wann bei mehreren Windenergieanlagen eines Windparks von einer „unmittelbar räumlichen Nähe“ auszugehen ist. Eher beiläufig – und ohne dass es in dem entschiedenen Fall darauf angekommen wäre – geht der BGH dabei auch kurz auf den Begriff des Grundstücks ein. Nach Ansicht des Gerichts genüge es für eine „unmittelbar räumliche Nähe“, wenn sich die Anlagen auf einem zusammenhängenden Areal befinden und über eine gemeinsame technische Infrastruktur verfügen, wie etwa einem gemeinsamen Netzverknüpfungspunkt.

Damit legt der BGH den Begriff der „unmittelbar räumlichen Nähe“ deutlich weiter als nach bisheriger Spruchpraxis der Gerichte und der Clearingstelle aus. Denn bislang kam diesem Merkmal nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Insbesondere die Clearingstelle hatte stets deutlich gemacht, dass eine unmittelbar räumliche Nähe nicht allein dadurch begründet werde, dass mehrere Anlagen über eine gemeinsam Anschlussleitung ins Netz einspeisen.

In Schneeberg gerät ein einstiges Vorzeigeprojekte zum Fiasko

Die aktuelle Entscheidung des BGH stellt die bisherige Praxis der Anlagenzusammenfassung somit teils auf dem Kopf. Das wäre möglicherweise noch verkraftbar, wenn dies nur den Förderstopp für Windenergieanlagen bei negativen Strompreisen betreffen würde. Nun beweisen die Stadtwerke Schneeberg jedoch, dass diese Hoffnung unbegründet ist.

Dabei wurden die Schneeberger Photovoltaik-Anlagen, die nun für reichlich Ärger sorgen, bei ihrer Inbetriebnahme im Sommer 2010 noch als Vorzeigeprojekt gefeiert. Die insgesamt 114 Einzelanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 1 Megawatt befinden sich auf einem ehemaligen Kasernengelände, verteilt auf rund 40 Dächern in einem Areal mit rund 40 Hektar. Zum Startschuss strahlten der Bürgermeister, der Geschäftsführer der Stadtwerke und der Projektentwickler noch gemeinsam in die Kamera.

Die Freude über diese Solaranlagen ist mit der Ankündigung der Stadtwerke, die bereits ausgezahlte Einspeisevergütung möglicherweise komplett zurückfordern zu müssen, abrupt verflogen. Zwar bieten die Stadtwerke den betroffenen Anlagenbetreibern an, die Rechtslage gemeinsam vor der Clearingstelle klären zu lassen. Die Kosten des Verfahrens – einschließlich der Rechtsanwaltskosten des Netzbetreibers – sollen jedoch von den Anlagenbetreibern allein gezahlt werden. Nur so ließe sich vermeiden, „dass nicht die gesamte Vergütung“ zurückgefordert werden müsse.

Neben der Anlagenzusammenfassung nach § 24 EEG soll es nach der Darstellung der Stadtwerken Schneeberg auch darum gehen zu klären, ob nun für alle Photovoltaik-Anlagen eine Leistungsmessung und Fernsteuerbarkeit herzustellen sei. Voraussetzung hierfür wäre, alle Gebäude mit neuen, teuren Zählern und Steuerungsreinrichtungen auszustatten. Auch dies trägt nicht unbedingt zur Freude der Anlagenbetreiber bei.

„Karlsruhe, wir haben ein Problem“

Rechtsprechung soll Rechtsfrieden, zumindest aber Rechtssicherheit schaffen. Die Entscheidungspraxis des BGH zum EEG bewirkt indes leider oft das Gegenteil.

Denn das jüngste Urteil der Karlsruher Richter ist nicht das erste, das mehr neue Rechtsfragen aufwirft, als es beantwortet. Ganz zu schweigen von den BGH-Entscheidungen, die den Gesetzgeber dazu veranlasst hatten, die Rechtslage durch eine erneute Änderung des EEG sofort wieder zu korrigieren: So war es bei dem vom BGH geprägten Begriff des „Solarkraftwerkes“, so war es bei der Sanktionierung der Meldepflichtverletzung, und so ist es aktuell bei den Anforderungen an die Fernsteuerbarkeit von Solaranlagen.

Auffällig ist, dass der BGH dabei nicht nur gerne eine Rechtsauffassung vertritt, die der bis dahin geltenden Rechtspraxis diametral entgegensteht. Auffällig ist auch, dass der BGH seine Rechtsauffassungen in einer Absolutheit formuliert, die fast schon zwangsläufig zu Kollateralschäden führen müssen.

Auch wenn es im jüngsten Beispiel durchaus gute Gründe dafür gibt, die dortigen streitgegenständlichen Windenergieanlagen als eine Anlage zu behandeln, so sind doch erhebliche Zweifel angebracht, ob sich diese BGH-Entscheidung auf Solaranlagen so einfach übertragen lässt. Denn in der einschlägigen Gesetzesbegründung, auf die auch der BGH verweist, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Photovoltaik-Anlagen ein anderer Maßstab anzulegen sei.

Sollte die Rechtsauffassung der Stadtwerke Schneeberg tatsächlich Schule machen, wäre ein erneutes Einschreiten des Gesetzgebers dringend geboten. Denn andernfalls droht eine gewaltige Welle von Rückforderungen und Rechtsstreitigkeiten auf die Solaranlagenbetreiber zuzurollen.

Einen weiteren Beitrag von Sebastian Lange zu diesem Thema finden Sie auf seiner Website: https://mein-pv-anwalt.de/stadtwerke-schneeberg-kuendigen-rueckforderung-der-eeg-verguetung-an/

— Der Autor Rechtsanwalt Sebastian Lange vertritt bundesweit Solaranlagenbetreiber bei Streitigkeiten mit Netzbetreibern. Auf seinem Web-Portal www.mein-pv-anwalt.de informiert er regelmäßig über juristische Fallstricke beim Betrieb einer PV-Anlage. Dort finden sich auch Tipps, wie betroffene Anlagenbetreiber am besten auf solche Rückforderungen reagieren. —

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