Aurora Energy Research erwartet in Europa Verachtfachung der Wasserstoff-Nachfrage bis 2050

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Experten des britischen Analystenhauses Aurora Energy Research haben in einer Studie den europaweiten Wasserstoffmarkt analysiert und seine Entwicklung bis 2050 modelliert. Demnach dürfte der Bedarf an Wasserstoff in Europa bis 2050 auf 2500 Terawattstunden pro Jahr steigen – achtmal so viel wie heute. Daraus ergibt sich ein Marktvolumen mit einem Umsatz von 120 Milliarden Euro pro Jahr.

Bislang wird Wasserstoff in größerem Umfang praktisch ausschließlich in der Industrie verwendet, vor allem in der Ammoniakproduktion und in Raffinerien. Der Aurora-Analyse zufolge wird sich allein dieser industrielle Bedarf bis 2050 auf bis zu 700 Terawattstunden mehr als verdoppeln. Dazu kommt in den 2030er und 2040er Jahren ein erhebliches Potenzial für die Nutzung von Wasserstoff im Verkehr, vor allem in schweren Nutzfahrzeugen sowie Zügen und möglicherweise Flugzeugen sowie als Ersatz für Erdgas zur Wärmeerzeugung.

Der jährliche Gesamtverbrauch in Europa liegt derzeit bei 327 Terawattstunden, wovon der größte Anteil auf Deutschland, die Niederlande und Frankreich entfällt. Bisher wird dieser Wasserstoff fast ausschließlich durch Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt.

In der Anfang Juli vorgestellten Wasserstoffstrategie der EU-Kommission ist der Bau von 40 Gigawatt Elektrolyseur-Kapazität bis 2030 vorgesehen. Auch Staaten wie Deutschland, die Niederlande, Frankreich, Spanien und Portugal haben eigene Strategien für Wasserstoff festgelegt – wobei Deutschland nach Ansicht der Analysten den meisten Ehrgeiz zeigt. Damit gewinnen die verschiedenen europäischen Märkte unterschiedlich an Attraktivität für Investitionen in Wasserstofftechnologien. Die Aurora-Experten haben deshalb zusätzlich zur gesamteuropäischen Betrachtung auch die Entwicklung in den einzelnen Ländern analysiert und ein Ranking erstellt, das neben der jeweiligen nationalen Wasserstoffpolitik auch das Potenzial von Nachfrage und Angebot sowie die Verfügbarkeit von Infrastruktur wie Pipelines und Wasserstoffspeichern berücksichtigt.

In diesem Ranking steht Deutschland derzeit an erster Stelle, gefolgt von den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich und Norwegen: „Deutschland hat sich als Vorreiter für die aufstrebende Wasserstoffwirtschaft in Europa herausgestellt“, sagt Richard Howard, Forschungsdirektor bei Aurora Energy Research. „Es verfügt über ein unterstützendes politisches Umfeld, die Nachfrage nach Wasserstoff in der Industrie ist hoch, zudem wächst die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und könnte für die Wasserstoffproduktion genutzt werden.“ Positiv fällt auch ins Gewicht, dass die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung Subventionen sowohl für die kohlenstoffarme Wasserstoffproduktion als auch für die Dekarbonisierung der Industrie vorsieht. Auch die Verfügbarkeit von erheblichen Speicherkapazitäten in Salzkavernen werten die Analysten als Vorteil. Mit mehr als 70 Terawattstunden pro Jahr entfällt derzeit mehr als ein Fünftel des europäischen Gesamtverbrauchs an Wasserstoff auf Deutschland.

Frankreich: Wasserstoff aus Atomenergie

Die Niederlande, Großbritannien und Norwegen haben Aurora zufolge ebenfalls großes Potenzial für grünen Wasserstoff – aber auch für blauen Wasserstoff, bei dem die Erdgasreformierung mit CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) verbunden wird. Diese Länder legen sich nicht auf grünen Wasserstoff fest. Sie haben eine lange Geschichte der Erdgasproduktion und verfügen über ein erhebliches Potenzial für CCS.

In Frankreich, Spanien und Portugal sehen die Analysten ein hohes Potenzial für grünen Wasserstoff. In allen drei Ländern steigt die Solar- und Winderzeugung bis 2050 stark an. So werde sich etwa die Solarkapazität Spaniens bereits bis 2040 verfünffachen. Dies werde wahrscheinlich zu längeren Perioden niedriger Strompreise führen, was die Wirtschaftlichkeit der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse verbessert. Allein Frankreich plant bis 2030 insgesamt 6,5 Gigawatt Elektrolyseur-Kapazitäten und erforscht die Wasserstoffproduktion aus Kernkraft. Insgesamt hat das Land sieben Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte vorgesehen.

„Wasserstoff hat das Potenzial, in Europa ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung zu werden“, zieht Alexander Esser, Energiemarktexperte von Aurora Energy Research, als Fazit. „Daraus entsteht nicht nur die Chance, die Treibhausgasemissionen unserer Wirtschaft zu eliminieren, sondern es ergibt sich auch ein interessanter Markt mit erheblichem Volumen.“ Allerdings erfordere der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft die frühzeitige Unterstützung von Regierungen, systematische Änderungen des Energiesystems und erhebliche Investitionen des Privatsektors. „Daher gilt es jetzt, die zunehmende Begeisterung für Wasserstoff in die richtigen Bahnen zu lenken und den Schwung mitzunehmen.“

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