Das EEG 2021 zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Wie der Aufbruch in ein goldenes Jahrzehnt der Solarenergie gelingen kann

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Als die Internationale Energieagentur IEA in der vergangenen Woche ihren World Energy Outlook veröffentlichte, rieben sich Mitglieder der alten und der neuen Energiewelt gleichermaßen verwundert die Augen: „Solar is the new king of electricity“ heißt es in dem diesjährigen Bericht der viel zu lange fossil dominierten Organisation, deren allzu offensichtliche Unterschätzung des globalen Photovoltaik-Zubaus in der Vergangenheit regelmäßig für Kopfschütteln sorgte.

“Besser spät als nie“, anders lässt sich der Sinneswandel der IEA kaum kommentieren. Denn längst haben sich die Erneuerbaren zu einer tragenden Säule der Stromversorgung entwickelt. In Deutschland beträgt ihr Anteil am Stromverbrauch inzwischen fast 50 Prozent. Weltweit fließen mittlerweile zwei Drittel aller Investitionen, die im Bereich der Stromerzeugung getätigt werden, in erneuerbare Energien. Der Siegeszug der Erneuerbaren, das lässt sich im nunmehr 20. Jahr seines Bestehens sagen, ist  vor allem das Verdienst des EEG, einer Erfolgsgeschichte, die vor 20 Jahren ihren Anfang nahm: Aus der Mitte eines selbstbewussten  Deutschen Bundestages heraus, von Mitgliedern der damaligen Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie mit einzelnen Abgeordneten der CSU entstand die Initiative zu einem Gesetz, das weltweit rund 100 Mal kopiert werden sollte – und den erneuerbaren Energien damit zum Durchbruch verhalf. Seitdem haben Investitionen und Innovationen aus den Erneuerbaren die saubersten, beliebtesten und preiswertesten aller Energiequellen gemacht.

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Doch ausgerechnet im Ursprungsland der Energiewende bleibt der Ausbau der erneuerbaren Energien inzwischen hinter den Erwartungen zurück. Das EEG ist über die vergangenen zwanzig Jahre zwar häufig, aber nicht immer zum Besseren geändert worden. Weiterhin hemmen viel zu niedrige Ausbaupfade die dringend erforderliche Dynamik im Ausbau. Nun kommt noch erschwerend hinzu, dass das bisherige Zugpferd der Energiewende, die Windenergie an Land, ihre wohl schwerste Krise durchlebt. Mangelnde genehmigte Flächen im Norden und politischer Unwillen im Süden machen ihr zu schaffen. Selbst mit den richtigen politischen Weichenstellungen, der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen und der Erleichterung des Repowerings wird es einige Zeit dauern, bis sie an die Erfolge vergangener Jahre anzuknüpfen vermag.

Gleichzeitig verpflichtet uns das neue Klimaschutzgesetz, das unsere nationalen Klimaziele bis hin zur Klimaneutralität im Jahr 2050 erstmals auch rechtsverbindlich festschreibt, zu großen Schritten: 65 Prozent Erneuerbare am Stromverbrauch müssen es bis zum Jahr 2030 mindestens sein. Mit Blick auf den „Green Deal“ der EU  wäre eigentlich ein noch ambitionierter Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich, um eine Ökostromlücke zu vermeiden. In dieser Gemengelage, unseren ambitionierten Klimazielen einerseits und dem zuletzt lahmenden Ausbau  andererseits, kommt der anstehenden Novellierung des EEG – dem EEG 2021 – eine entscheidende Bedeutung zu. Ihr obliegt es, dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland endlich wieder den erforderlichen Schwung zu verleihen.

Für die Windkraft, das ist die gute Nachricht, enthält der seit Ende September vorliegende Gesetzesentwurf der Bundesregierung spürbare Verbesserungen: Mit der geplanten Regelung zur finanziellen Beteiligung von Standortgemeinden und einer Südquote kommt CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier langjährigen Forderungen der SPD-Bundestagfraktion nach, die die Akzeptanz der Windenergie erhöhen und – mit Blick auf den Süden der Republik – eine bessere regionale Verteilung des Ausbaus gewährleisten werden.

Völlig unverständlich bleibt hingegen, und das ist die schlechte Nachricht, warum der EEG-Entwurf  Peter Altmaiers die Solarenergie wider besseren Wissens weiterhin so stiefmütterlich behandelt. Schließlich hat vor allem die inzwischen kostengünstige Solarenergie das Potential, das angehende Jahrzehnt als goldenes Zeitalter der Erneuerbaren nachhaltig zu prägen. Auch hierzulande ist  die in den letzten Jahren stark gebeutelte Solarindustrie wieder in Aufbruchsstimmung. Nicht zuletzt dank der richtigen Weichenstellungen dieser Legislaturperiode wächst der Markt für Photovoltaik-Anlagen seit geraumer Zeit im deutlich zweistelligen Bereich: Einerseits führen die Sonderausschreibungen zu einem spürbar beschleunigten Zubau an Freiflächenanlagen. Andererseits ist es insbesondere die Abschaffung des Solardeckels für Dachanlagen, die die SPD gegen erhebliche Widerstände unseres Koalitionspartners durchgesetzt hat, die für eine positive Stimmung in der Branche sorgt. Die Erwartungen der Branche für die kommenden Jahre sind so groß, dass selbst die Herstellung von Solarzellen und Modulen, die einst aus Kostengründen vollständig abgewandert ist, in Deutschland wieder lukrativ erscheint.

Dieser erfreulichen Entwicklung der Solarenergie zum Trotz ist es ausgerechnet die kommende EEG-Novelle, die der Branche einen Strich durch die Rechnung zu ziehen droht. Ein unzureichender Ausbaupfad, neue Hürden für den solaren Eigenverbrauch oder mangelnde Perspektiven für jene Solaranlagen, die ab dem 1. Januar 2021 nach 20 Jahren Förderung aus der EEG-Vergütung fallen: Die Liste an Unzulänglichkeiten im vorliegenden Gesetzesentwurf ließe sich weiter fortführen.

Schon vor zwanzig Jahren erkannten die Pioniere der Energiewende um den viel zu früh verstorbenen Hermann Scheer: Die Demokratisierung der Stromerzeugung, das bürgerschaftliche Engagement und die direkte Teilhabe der Bürger sind die Schlüssel zum Erfolg einer dezentral ausgerichteten Energiewende. Diese bis heute gültigen Parameter werden der SPD auch im Rahmen der nun anstehenden parlamentarischen Beratungen  zum EEG 2021 als Richtschnur  dienen: Wir sind fest davon überzeugt, dass die Energiewende nur dann zum Erfolg geführt werden kann, wenn sie von Bürgern nicht nur akzeptiert, sondern auch aktiv vorangetrieben wird.

Um das EEG 2021 zu einem in diesem Sinne wegweisenden Gesetz zu machen, setzen wir uns  deshalb neben ambitionierten Ausbaupfaden dafür ein, Investitionshemmnisse der Bürgerenergie konsequent abzubauen. Dazu gehört zunächst und vor allem, den Eigenverbrauch deutlich zu vereinfachen, so wie es im Übrigen auch die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) vorsieht. Im Rahmen eines neuen innovativen Rechtsrahmens für die Bürgerenergie, dem sogenannte Energy Sharing, wollen wir es den Bürgern künftig ermöglichen, erneuerbaren Strom innerhalb von Energiegemeinschaften gemeinschaftlich zu erzeugen und selbst zu verbrauchen. Dazu gehört auch, Mieter endlich in angemessener Form von preiswertem olarstrom profitieren  zu lassen. Über die vorgenannten Verbesserungsvorschläge hinaus könnte eine eigenständige Definition der erneuerbaren Quartiersversorgung dazu beitragen, den Mieterstrom fest im Stadtquartier verankern – und die bereits versiegelten Dachflächen  deutscher Städte und Gewerbegebiete auf sozial gerechte Weise für die erneuerbare Energieerzeugung zu gewinnen.

Daneben wird es auch darauf ankommen, den sogenannten Post-EEG-Anlagen eine neue Perspektive zu geben: Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass ausgeförderte aber noch vollkommen funktionsfähige Solaranlagen zurückgebaut werden müssen. Ein verfrühtes Abschalten der betreffenden Anlagen, etwa aufgrund von künstlichen Hürden für den Wechsel in den Eigenverbrauch oder von unverhältnismäßigen Anforderungen an die Messtechnik, wäre ein fatales Signal – und energiepolitisch vollkommen widersinnig. Denn gerade diese Anlagen werden künftig dazu beitragen, den Markt für Stromspeicher zu beleben, und damit einen solidarischen, systemdienlichen Eigenverbrauch befördern. Nicht zuletzt wird es uns darum gehen, bürokratische Monster, so etwa die weiterhin bestehenden Doppelbelastungen für Stromspeicher, aus dem EEG zu verbannen – und neue zu verhindern. Um es ganz klar zu sagen: Die von Peter Altmaier angedachte Absenkung der Auktionspflicht für Photovoltaik-Dachanlagen ist wenig zielführend und kaum zu administrieren.

Bei den anstehenden parlamentarischen Beratungen des Bundestags zum EEG 2021 müssen CDU und CSU zu  diesen  Forderungen und ihrem übergeordneten Ziel einer bürgernahen und sozial gerechten Energiewende endlich Farbe bekennen. In den kommenden Wochen werden wir also sehen, inwieweit unser Koalitionspartner bereit ist, die gemeinsam vereinbarten Klimaziele mit konkreten Maßnahmen für eine erfolgreiche dezentrale Energiewende zu hinterlegen und dabei nötigenfalls auch über ihren ideologischen Schatten zu springen. Dann kann die Solarenergie auch in Deutschland ihr Potenzial vollständig ausspielen – und die IEA mit ihrer Prognose Recht behält: “Solar is the new king of electricity“.

— Der Autor Timon Gremmels ist seit 2017 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Kassel. Als Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie berichtet er der SPD-Bundestagsfraktion unter anderem über die Solarenergie. Zuvor war Gremmels energiepolitischer Sprecher und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion Hessen. —

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