Photovoltaik auf Dächern hat die höchste Akzeptanz in Deutschland und kann die Energiewende in die Städte bringen. Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben am Montag ihre neue Studie „EEG-Novelle nutzen Solarenergie stärken – Chancen & Maßnahmen eines beschleunigten Zubaus von PV-Kleinanlagen bis 2030“ vorgestellt. Darin hat Energy Brainpool im Auftrag des Ökoststromanbieters das Potenzial für kleine Photovoltaik-Anlagen in Deutschland ermittelt. Photovoltaik-Kleinanlagen sind dabei alle bis 100 Kilowattpeak Leistung, wie Studienautor Michael Claussner bei der Vorstellung der Studie erklärt. Dabei sollte es nicht um Visionen gehen, sondern um das technische und praktisch machbare Potenzial. Das Ergebnis: 170 Gigawatt Photovoltaik-Zubau sind bis 2030 für Deutschland für Klimaziele und die Verhinderung einer Stromlücke notwendig. Bis zu 140 Gigawatt davon könnten auf den Dächern als Kleinanlagen realisiert werden.
In einem solchen Szenario würde sich der Anteil der Photovoltaik-Kleinanlagen am Strommix verdreifachen. Im Fall einer ambitionierten CO2-Bepreisung – Energy Brainpool hat in seinen Annahmen einen Preis von 79 Euro pro Tonne für 2030 angenommen – würden die Treibhausgasemissionen der Energiewirtschaft auf 157 Megatonnen im Jahr 2030 gesenkt und damit würden die Minderungsziele deutlich übertroffen. Gleichzeitig würde das Ziel erreicht, einen Erneuerbaren-Anteil von mindestens 65 Prozent bis 2030 zu erreichen, wie Claußner ausführt.
Allerdings braucht es auch flankierende Maßnahmen, um einen solchen Zubau wirklich zu realisieren. Zunächst sei ein ambitionierter Ausbaupfad für die Photovoltaik notwendig. Er müsste von derzeit rund 4 Gigawatt jährlich über Stufen unmittelbar auf 6 Gigawatt sowie auf 12 Gigawatt im Jahr 2024 und ab 2027 auf 14 Gigawatt steigen. Dieser Zubaupfad müsste möglichst schnell gesetzlich verankert werden, um Planungssicherheit zu schaffen. Die Ziele der Bundesregierung laufen eher auf einen konstanten Photovoltaik-Zubau von jährlich rund fünf Gigawatt in den kommenden zehn Jahren hinaus.
Als zweite Säule eines Maßnahmenpakets sieht Claußner die Notwendigkeit, die Marktintegration der Photovoltaik voranzutreiben. Hierbei seien mehr Fördermittel für eine Vernetzung von Kleinstanlagen erforderlich. Smart Meter seien dort ein guter Ansatz, wenn auch derzeit noch teuer und nicht ausgereift. Zudem sei es notwendig, eine marktintegrierende Weiterbetriebsoption für Altanlagen zu schaffen. Die derzeit im EEG-Entwurf vorgesehene Auffanglösung bezeichnete Claußner wie auch EWS-Vorstand Sebastian Sladek als sehr großzügig. Die ausgeförderten Anlagen bis 100 Kilowatt sollen einfach weiter einspeisen und bekommen dafür die Marktprämie als Vergütung vom Netzbetreiber. Diese Option hätte auch für Anlagen bis 30 Kilowatt ausgereicht. Gleichzeitig müssten jedoch attraktivere und vereinfachtere Bedingungen für die Direktvermarktung von kleinen Anlagen geschaffen werden. Ebenso müsse auch der förderfreie Zubau von großen Photovoltaik-Anlagen erleichtert werden.
Mehr Anwendungsfälle für kleine Photovoltaik-Anlagen ist die dritte Säule des Maßnahmenpakets. Dies könnte etwa eine Photovoltaik-Pflicht für Neubauten sein. Auch sollte das Photovoltaik-Mieterstrommodell vereinfacht und ausgebaut werden. Hierfür sieht Claußner bereits erste Ansätze im EEG-Referentenentwurf. Auch das Energy Sharing sollte künftig gemäß der EU-Erneuerbaren-Richtlinie ermöglicht werden. Dabei gehe es nicht nur darum, den Solarstrom mit dem Nachbarn zu teilen, sondern Quartiers- und regionale Lösungen mit Photovoltaik zu ermöglichen. Auch der atmende Deckel sei nicht mehr zeitgemäß, so Claußner bei der Vorstellung der Studie weiter.
Auf Nachfrage erklärte Claußner, dass die für diesen Photovoltaik-Ausbau erforderliche Investitionssumme nicht Gegenstand der Studie gewesen sei. Es sei damit zu rechnen, dass ein Großteil der Summe von privaten Investoren kommen werde. Ein hoher CO2-Preis könnte bei der Gegenfinanzierung hilfreich sein. Als positive Nebeneffekte – neben dem Erreichen der Klima- und Erneuerbare-Ziele – aus dem Szenario von Energy Brainpool nennt Claußner, dass kein zusätzlicher Flächenverbrauch für den Photovoltaik-Ausbau stattfinde, die urbane Energiewende beschleunigt und die Akzeptanz durch größere Teilhabe weiter gesteigert werde.
Im Anschluss an die Vorstellung gab es eine kleine Diskussionsrunde über die Studie. Dabei gab sich Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW, zurückhaltend, ob dieses Potenzial an kleinen Photovoltaik-Anlagen bis 2030 wirklich realisierbar sei. Allerdings sei ein ambitionierterer Zubau als von der Bundesregierung geplant erforderlich. Es müsse jedoch auch geschaut werden, ob die Netze für einen solchen Photovoltaik-Ausbau ausgelegt seien. Sie hob ebenso darauf ab, dass die Messung und Bilanzierung der Kleinanlagen dann ebenfalls erfolgen müsse – im Sinne einer stabilen Stromversorgung.
Torsten Lenck von Agora Energiewende wiederum verwies auf eigene Studien, wonach eher ein Potenzial von 200 Gigawatt neu installierter Photovoltaik bis 2050 gesehen wird. Dabei sei das Kleinanlagenpotenzial nicht gesondert ermittelt worden. Allerdings sei unstreitig, dass die Bundesregierung in ihren Szenarien den Strombedarf für die kommenden Jahrzehnte unterschätzt. Daher sei mehr Photovoltaik und auch ein stärkerer Ausbau der Offshore-Windkraft erforderlich. Zudem brauche es eine Reform der Abgaben und Umlagen beim Strom, sagte Lenck weiter.
Einig waren sich alle Vertreter am Vormittag, dass die Bundesregierung die EEG-Novelle nutzen müsse, um den Ausbau der erneuerbaren Energien unmittelbar zu beschleunigen. Ein solches Vorhaben dürfe nicht auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 verschoben werden, mahnten sie.
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Wenn man in der derzeitigen Situation ein solches Ausbauszenario vorstellt, sollte man auch sagen, was man mit den unweigerlich auftretenden Produktionsspitzen macht, für die kein entsprechender Bedarf im Netz besteht, und wie sich das auf den Strompreis auswirkt.
Bisher wird viel unserer Erzeugungsspitzen ins Ausland exportiert, fast nichts gespeichert und ein sehr geringer Anteil abgeregelt.
Der Export wird sich nicht beliebig ausweiten lassen, man muss eher annehmen, dass die Obergrenze des Möglichen längst erreicht ist und die Nachbarländer eher eine Absenkung wünschten. Speicher sind die große Unbekannte, und so wichtig wie sie wären, tut die Bundesregierung bisher nichts, um sie in relevantem Maßstab zu etablieren. Das gleiche gilt für das Demand-Side-Managment: Potential ist sicher vorhanden, aber wie und in welcher Höhe es gehoben werden kann, wenn die Rahmenbedingungen des Marktes nicht entsprechend angepasst werden, lässt eine seriöse Schätzung nicht zu.
Bleibt also nur die Abregelung, die schnell 30% des erzeugten Stroms betreffen kann. Ohne plausible Schätzung, wie sich das auf die Verbraucherpreise auswirkt, ist die Postulierung von Ausbauzielen, seien es jetzt 170, 200, 300 oder 1000GW, zu leicht angreifbar.
@JCW :
sie haben recht, viel mehr als die 100 GW die im jetzt im Referentenentwurf zur EEG-Novelle als Ziel für 2030 stehen lassen sich ohne eine Antwort auf die von ihnen gestellten Fragen nicht ins Netz integrieren
Die Antwort ist doch ganz einfach: Elektrolyseure betreiben und damit Wasserstoff produzieren.
JCW sagt:
Wenn man in der derzeitigen Situation ein solches Ausbauszenario vorstellt, sollte man auch sagen, was man mit den unweigerlich auftretenden Produktionsspitzen macht, für die kein entsprechender Bedarf im Netz besteht, und wie sich das auf den Strompreis auswirkt.
@ JCW.
Die Lösung ist ganz einfach. Man muss lediglich den entsprechenden Bedarf wieder herstellen. Man muss, wie das bis 2010 der Fall war ,die EE in die Last Profile der Bilanzkreise aufnehmen, dann sind die Produktionsspitzen lediglich mit Prognoseabweichungen belastet.
Auf den Strompreis wirkt sich das gravierend positiv aus, weil die EE nicht mehr separat an der Börse verramscht werden, sondern in den Lastprofilen die Mehrkosten, sprich ein Teil der Umlage kompensieren.
Die Umlage wäre um die Hälfte geringer, so wie das im folgenden Video bis 2010 deutlich wird.
@Heinz Scherer :
und diese Elektrolyseure kosten dann auch wieder nur so viel “ wie ein Bällchen Eis “ 🙂
Aha Klaus Grün nennt sich nun Heribert. Würde man eine Zukunft auf eine „echte“ und grüne Wasserstoffwirtschaft aufbauen, wäre das dauerhaft deutlich billiger als die bisherige Atom- und Kohlestromwirtschaft. Und als Nebeneffekt auch noch sicherer.
Ich erinnere gerne mal wieder an http://www.bio-wasserstoff.de und den leider verstorbenen genialen Dipl.-Ing. Karl-Heinz Tetzlaff .
Er war in der zentralen Konzernforschung der ehemaligen Hoechst AG zuständig für Elektrolyse- und Brennstoffzellenentwicklung und die Schätzung von Investitionskosten von innovativen Verfahren.
@ Heribert
Wie Sie dem obigen Video entnehmen können, hätten wir die Kugel Eis heute noch, wenn Lobbyisten daraus sich nicht einen eigenen „Eissalon“ konstruiert hätten.
Die EEG-Umlage war aber von 2014 bis 2020 nur noch unwesentlich gestiegen obwohl die Einspeisemenge von über das EEG gefördertem Strom im gleichen Zeitraum deutlich ansteigen war. Einem der Kommentare zu dem oben verlinkten Video aus dem Jahr 2014 kann man auch entnehmen was der Grund für den überproportionalen Anstieg der Umlage zwischen 2009 und 2014 war