Fernsteuerbarkeit von Photovoltaik-Anlagen auf dem Prüfstand

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Mit Urteil vom 14. Januar 2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Photovoltaik-Anlagen ab einer bestimmten Größe vom Netzbetreiber zumindest stufenweise gedrosselt werden können müssen. Es genügt nicht, wenn der Netzbetreiber die Anlage aus der Ferne lediglich abschalten kann. Für Anlagen, die keine stufenweise Reduzierung der Einspeisung erlauben, kann keine gesetzliche Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz beansprucht werden.

Gesetzliche Anforderungen an die Fernsteuerbarkeit

Die technischen Anforderungen an die Fernsteuerbarkeit von Photovoltaik-Anlagen sind über die Jahre immer weiter gestiegen. Zwar sah bereits das EEG in seiner Fassung aus 2004 vor, dass EEG-Anlagen mit einer technischen Einrichtung ausgerüstet sein müssen, mit der die Einspeisung bei Netzüberlastungen reduziert werden kann. Fehlte eine solche technische Einrichtung, konnte der Netzbetreiber den Anschluss der Anlage an sein Netz unter bestimmten Umständen verweigern. Weiterreichende Sanktionen kannte das EEG damals jedoch noch nicht.

Seit dem EEG 2009 mussten Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von über 100 Kilowatt zwingend mit einer „technischen oder betrieblichen Einrichtung“ ausgestattet sein, die es dem Netzbetreiber ermöglicht, die jeweilige Ist-Einspeisung abzurufen und die Einspeisung aus der Anlage bei Netzüberlastungen ferngesteuert zu reduzieren (§ 6 Nr. 1 EEG 2009). Für Photovoltaik-Anlagen, die diese Anforderungen nicht erfüllten, konnte keine gesetzliche Förderung beansprucht werden (vgl. § 16 Abs. 6 EEG 2009).

Die Folgen waren nunmehr also gravierend. Die neuen Regelungen galten zunächst für alle Photovoltaik-Anlagen, die nach dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommen wurden. Bestandsanlagen mussten die höheren Anforderungen ab dem 1. Januar 2011 erfüllen (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2009). Betreiber von Bestandsanlagen hatten also zwei Jahre Zeit, ihre Photovoltaik-Anlage entsprechend nachzurüsten.

Mit den Gesetzesänderungen zum EEG 2012 wurde zum einen die Alternative der „betrieblichen Einrichtung“ zur Reduzierung der Einspeisung gestrichen (vgl. § 6 Abs. 1 EEG 2012). War es bis dahin noch möglich, dass die Reduzierung bei Bedarf und auf Weisung vom Anlagenbetreiber vorgenommen wurde, musste nunmehr der Netzbetreiber jederzeit die Reduzierung selbst vornehmen können.

Zum anderen sah das EEG 2012 vor, dass auch Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von mindestens 30 Kilowatt fernsteuerbar sein müssen. Während die 100-Kilowatt-Schwelle für alle EEG-Anlagen gleichermaßen galt, galt für Photovoltaik-Anlagen seitdem also ein deutlich geringerer Schwellenwert. Die Übermittlung der Ist-Einspeisung, die eine registrierte Leistungsmessung („RLM-Zähler“) voraussetzt, war aber weiterhin erst ab einer installierten Leistung von 100 Kilowatt erforderlich.

Darüber hinaus wurde mit dem EEG 2012 eine spezielle Verklammerungsregelung eingeführt (vgl. § 6 Abs. 3 EEG 2012). Demnach werden mehrere Photovoltaik-Anlagen unter bestimmten Umständen auch in Hinblick auf die Fernsteuerbarkeit zusammengefasst: Überschreiten die Anlagen zusammen die maßgebliche Schwelle von 30 Kilowatt, muss jede der betreffenden Anlagen fernsteuerbar sein, selbst wenn sie für sich betrachtet unter der Schwelle bleibt.

Die erhöhten Anforderungen galten zunächst für alle Photovoltaik-Anlagen, die nach dem 1. Januar 2012 in Betrieb genommen wurden. Betreiber von älteren Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von 100 Kilowatt mussten die neuen Anforderungen bis zum 1. Juli 2012 umsetzen. Kleinere Bestands-Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von 30 Kilowatt mussten nur nachgerüstet werden, wenn sie nach 2008 in Betrieb genommen wurden. Diese Anlagen mussten spätestens bis zum 1. Januar 2014 fernsteuerbar sein.

Seitdem sind die gesetzlichen Anforderungen an die Fernsteuerbarkeit von Photovoltaik-Anlagen im Wesentlichen unverändert geblieben. Mit dem EEG 2014 ist lediglich eine „klarstellende Regelung“ eingefügt worden, wonach mehrere Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen auch über eine gemeinsame Fernsteuerungseinrichtung verfügen dürfen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 EEG 2014). Damit reagierte der Gesetzgeber auf Rechtsprechung, die dies zum Teil anders gesehen hatte (siehe dazu BR-Drucksache 157/14, S. 174).

Aktuelle Entscheidung des BGH

Im nun vom BGH entschiedenen Fall hatte sich das oberste deutsche Gericht erstmals mit der Frage zu befassen, ob die technischen Anforderungen des EEG bereits dann erfüllt sind, wenn die Photovoltaik-Anlage vom Netzbetreiber lediglich an- und ausgeschaltet werden kann. Der BGH hat diese Frage klar verneint. Die Möglichkeit des ferngesteuerten Ab- und Anschaltens einer Photovoltaik-Anlage reiche nicht aus. Das Gesetz verlange vielmehr, dass die Einspeisung aus der Anlage zumindest stufenweise reduziert werden kann, ohne die Anlage ganz abschalten zu müssen.

Die Entscheidung des BGH kommt nicht wirklich überraschend. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte bereits 2014 ähnlich entschieden (Urt. v. 23.10.2014, Az. 2 U 4/14), und auch in der Fachliteratur wird diese Rechtsauffassung vielfach vertreten. In der Tat sprechen viele Argumente für diese Auslegung des Gesetzes. Das stärkste Argument ist in der Gesetzesbegründung zu finden: Auch der Gesetzesbegründung ist davon ausgegangen, dass die EEG-Anlagen zumindest stufenweise runtergefahren werden können.

Die Frage bleibt allerdings, ob dies ausnahmslos für alle EEG-Anlagen gelten kann. So soll es etwa ältere Photovoltaik-Anlagen geben, deren Wechselrichter eine stufenweise Reduzierung der Einspeisung nicht ohne Weiteres zulassen und die daher aus der Ferne nur an- und ausgeschaltet werden können. Auch leuchtet es nicht recht ein, dass es demnach zwar zulässig sein soll, beispielsweise drei benachbarte, gleichgroße Photovoltaik-Anlagen über ein gemeinsames Funkrundsteuergerät in drei Stufen zu drosseln; eine Ausstattung der drei Anlagen mit jeweils einem Gerät, das lediglich das An- und Abschalten erlaubt, soll aber unzureichend sein.

Unbefriedigend ist die Entscheidung des BGH schließlich mit Blick auf die Rechtsfolgen einer solchen Pflichtverletzung. Denn Anlagenbetreiber haben für den betreffenden Zeitraum – so der BGH – keinen Anspruch auf Vergütung des von ihnen erzeugten Stroms. Zwar wurde bereits mit dem EEG 2014 die Sanktion dahingehend abgemildert, dass Anlagenbetreiber auch bei fehlendem Funkrundsteuergerät den Marktwert des Stroms verlangen können. Für ältere Bestandsanlagen, die noch unter dem EEG 2009 in Betrieb genommen wurden, soll jedoch nach wie vor die alte Sanktion des EEG 2009 gelten.

Vorsicht vor der Verklammerung mehrerer Anlagen

Der vom BGH entschiedene Fall zeigt darüber hinaus noch einmal deutlich auf, dass besondere Vorsicht beim Betrieb mehrerer Photovoltaik-Anlagen geboten ist. Selbst wenn eine der Anlagen für sich betrachtet unter der maßgeblichen Schwelle bleibt, können für diese wegen der Verklammerungsregelung die höheren technischen Anforderungen gelten.

Dabei müssen die betreffenden Anlagen nicht einmal von ein und derselben Person betrieben werden. Es genügt, wenn sich die Anlagen auf demselben Grundstück oder auf demselben Gebäude befinden und innerhalb von zwölf Kalendermonaten in Betrieb genommen wurden. Für ältere Anlagen kann auch die „unmittelbar räumliche Nähe“ zu einer Verklammerung führen. Hier gilt es also, ganz genau zu prüfen, ob die technischen Vorgaben des EEG ausreichend umgesetzt sind.

— Der Autor Rechtsanwalt Sebastian Lange ist Inhaber der in Potsdam ansässigen Projektkanzlei (www.projektkanzlei.eu). Rechtsanwalt Lange ist auf das Recht der Erneuerbaren Energien spezialisiert und vertritt bundesweit Projektierer und Betreiber von Photovoltaikanlagen. Er hat einige der wenigen Urteile zu Meldepflichtverletzungen erstritten, die zugunsten der Anlagenbetreiber ausgegangen sind. —

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