EU-Kommission stellt ihren Plan für einen „European Green Deal“ vor

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Die EU-Kommission verstärkt ihr Engagement für den Klimaschutz: Die CO2-Emissionen sollen bis 2030 um 50 bis 55 Prozent sinken, gemessen am Basisjahr 1990. Bislang lautete das Ziel lediglich 40 Prozent. Bis 2050 soll die EU komplett klimaneutral werden. Die EU-Kommission will diese Ziele in einem Klimaschutzgesetz festschreiben, das bis März 2020 vorliegen soll. Die wesentlichen Punkte des Entwurfs eines „European Green Deal“ hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jetzt in Brüssel vorgestellt. Die Kommission erwartet, dass die Initiative Investitionen in Höhe von einer Billion Euro anstoßen wird. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten verhandeln am Donnerstag und Freitag in Brüssel über das Programm.

Der European Green Deal sieht einen weit reichenden Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft vor. Die erneuerbaren Energien nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Namentlich erwähnt wird dabei allerdings nur die Windenergie, nicht jedoch die Photovoltaik. Regionale Kooperationen zwischen Mitgliedsstaaten sollen dafür sorgen, dass die Offshore-Windenergie deutlich ausgebaut wird. Großes Gewicht legt die EU-Kommission auch auf grünes Gas. So ist vorgesehen, einen Markt für klimaneutrales Erdgas geschaffen werden. Ebenso ist geplant, den grenzüberschreitenden Ausbau der Energienetze voran zu treiben.

Die EU-Kommission trägt mit ihrer Strategie dem Umstand Rechnung, dass im Verkehrssektor die Defizite beim Klimaschutz besonders groß sind. So sollen zum Beispiel Benzin und Diesel stärker besteuert  und die CO2-Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge verschärft werden. Der Schiffsverkehr soll in den CO2-Emissionshandel einbezogen werden. Beim Flugverkehr ist geplant, weniger kostenfreie CO2-Zertifikate auszugeben. Das dürfte die Ticketpreise steigen lassen. Alternative Kraftstoffe sollen gefördert und die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ausgebaut werden.

Für die von der Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften besonders betroffenen Länder sollen 100 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Davon würden vor allem Länder in Osteuropa profitieren, die beim Umstieg auf erneuerbare Energien noch deutlich hinterher hinken.

European Green Deal verlangt deutlich mehr Ehrgeiz in der deutschen Klimapolitik

„Die Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist historisch – auch wenn der Green Deal, Stand heute, lediglich ein Plan ist“, kommentiert Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena). „Einer der weltweit größten Wirtschaftsräume würde sich damit an die Spitze der Klimapolitik setzen, zumindest was die Beschreibung der Ziele angeht.“ Die Zielverschärfung sei mit Blick auf die internationalen Vereinbarungen konsequent, aber auch wagemutig. „Es gibt bislang keinerlei belastbare Szenarien, wie der Weg zum Ziel gestaltet werden kann.“

Kuhlmann sieht die Bundesregierung in der Pflicht zu handeln, wenn die EU den Green Deal beschließt. „Die Erhöhung der Klimaziele hätte erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Klimapolitik“, sagt der dena-Chef. „Vereinbarungen wie beispielsweise die aus der so genannten Kohlekommission oder im gerade erst verabschiedeten Klimaschutzprogramm 2030 wären hinfällig und überarbeitungsbedürftig. Der im neuen Klimaschutzgesetz vorgesehene Prozess zum Nachsteuern würde dafür nicht ausreichen.“

„Wenn die EU-Rechtsetzung gelingt, ergibt sich aus dem Vorrang des EU-Rechts die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihre Rechtsordnung an das Recht der EU anzupassen. Das gilt dann auch für Deutschland“, erklärt Wolfgang Köck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). „Da die deutsche Politik mit Blick auf den Klimaschutz unter hohem Druck steht, weil das Klimaschutzthema relevant für Wahlen geworden ist, gehe ich davon aus, dass sich Deutschland bei der Formulierung einer neuen EU-Klimaschutzpolitik konstruktiv zeigen wird.“

„Deutschland muss nun seine Klimaziele weiter schärfen und an die ambitionierteren Ziele anpassen“, ist Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) überzeugt. „Mit dem EU Green Deal kann Europa bei erfolgreicher und ambitionierter Umsetzung eine Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz übernehmen.“ Die ehrgeizigen Emissionsminderungsziele für 2020 und 2030 sowie die vollständige Vermeidung von Emissionen bis 2050 zusammen mit dem Investitionsplan werden die europäische Wirtschaft stärken können, so Kemfert.

„Europäisches Emissionshandelssystem auf Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft ausweiten“

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), hält es für ein wichtiges Signal, dass die Europäische Kommission die Klima- und Energiepolitik so stark ins Zentrum ihrer künftigen Arbeit stellen wird. „Für die Umsetzung ambitionierter Ziele müssen allerdings dringend die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit ehrgeizige Vorgaben auch erreicht werden können. Das bedeutet konkret: Der Ausbau der Windenergie muss beschleunigt werden, gleiches gilt für die Photovoltaik und den Netzausbau“, sagt Andreae. Erforderlich sei auch eine europäische Wasserstoff-Strategie, um die Potenziale dieses Energieträgers für die Klimapolitik nutzen zu können. „Bei allen geplanten Maßnahmen müssen die Kriterien einer jederzeit sicheren Energieversorgung und die Bezahlbarkeit für die Verbraucher ebenfalls im Mittelpunkt stehen“, betont Andreae.

„Der European Green Deal sendet ein wichtiges Signal aus Brüssel an die Mitgliedsstaaten: Die EU stellt die sektorübergreifende Energiewende ins Zentrum ihrer Politik und wird dabei nicht auf nationale Regierungen warten“, kommentiert Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Dennoch bleibe festzuhalten, dass das Pariser Klimaschutzabkommen mit dem wenig ambitionierten CO2-Reduktionsziel von 50 bis 55 Prozent bis 2030 voraussichtlich verfehlt und damit auch die geplante Nettotreibhausgasneutralität bis 2050 nicht zu schaffen sein werde.

„Der Vorstoß der neuen EU-Kommission, einen Green Deal auf den Weg zu bringen, ist nur konsequent“, sagt Michael Ebling, Präsident des Stadtwerkeverbandes VKU. „Entscheidend ist, dass die Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft stärker und verbindlicher adressiert werden, um CO2 einzusparen. Notwendig dafür ist, das europäische Emissionshandelssystem (ETS) auf diese Sektoren auszuweiten und einen sektorübergreifenden CO2-Preis zeitnah einzuführen.“

„Der European Green Deal ist ein globaler Meilenstein im Kampf gegen unsere derzeitige Klimakrise und stellt die Art von mutigen Visionen und Maßnahmen dar, die zur Bekämpfung dieser Bedrohung erforderlich sind“, erklärte Walburga Hemetsberger, CEO von Solarpower Europe, zur Vorstellung der Pläne. Mit dem angekündigten Aktionsplan signalisiert die EU, dass sie bestrebt ist, ihre Rolle als globale Klimaschutzführerin zu behaupten, mit dem Ziel, die europäische Industriestrategie für saubere Energietechnologien zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen und sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt.“ Die EU-Kommission wird ihre „Industriestrategie für Europa“ voraussichtlich im März 2020 veröffentlichen. Dabei sollen saubere Energietechnologien und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stehen. „Dies steht im Einklang mit dem gemeinsamen Schreiben von Solarpower Europe, 13 nationalen Verbänden und 10 großen europäischen Technologieinstituten, in dem gefordert wird, dass eine robuste Industriestrategie für Solar- und andere erneuerbare Energien als strategische Wertschöpfungskette für Europa anerkannt wird“, ergänzte Aurélie Beauvais, Policy Director beim Verband.

Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde im Laufe des Tages (11. Dezember 2019) und am Folgetag um Stellungnahmen zum Green Deal erweitert.

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